PULS bekommt UKW-Frequenzen von BR-Klassik 2018

BR-PULS-UKW-Klassik-smallDer Bayerische Rundfunk möchte sein neues Jugendprogramm PULS auf UKW ausstrahlen, bisher ist der Sender ausschließlich auf digitalen Verbreitungswegen und im Kabel zu hören. Bekommen sollte er alle UKW-Frequenzen von BR-Klassik. Das rief viele Kultur- und Klassikfans auf den Plan. Nun ist eine Entscheidung gefallen.

Die Pläne, die Verbreitungswege von Jugend- und Klassikprogramm zu tauschen, wurden seit Monaten heftig diskutiert und kritisiert, sei es im Programm BR Alpha, in Zeitungen, Unterschriftenlisten oder in Form von offenen Briefen von Künstlern und Kulturschaffenden. Private Rundfunksender befürchten zudem große Konkurrenz durch PULS, der VPRT zweifelt an, ob ein Wechsel rechtskonform wäre (RADIOSZENE berichtete).

Nun scheint der Rundfunkrat des BR am Donnerstag beschlossen zu haben, dass BR PULS ab 2018 auf die Wellen von BR-Klassik wechseln soll. BR-Intendant Ulrich Wilhelm wolle dadurch junge Hörer besser erreichen.


BR-Klassik ist dann via Satellit, Kabel, Internet und bayernweit im Digitalradio DAB+ zu hören, dessen Sendernetz gegenwärtig ausgebaut wird. Folgende Bedingungen müssen nach Angaben des BR jedoch für diesen Schritt erfüllt werden:

  • Die Netzabdeckung von DAB+ erreicht diejenige von UKW bei BR-Klassik. Der BR weist diese Netzabdeckung mit unabhängigen Gutachten nach.
  • Der Bayerische Rundfunk bereitet mit umfassenden Informations- und Werbemaßnahmen diesen Schritt so vor, dass die größtmögliche Zahl der BR-Klassik-Hörer bis zu diesem Zeitpunkt ausreichend über die Umstellung informiert und in der Lage ist, den Wechsel mitzugehen. Über eine Kampagne, von der auch die privaten Anbieter profitieren, wird über die Vorzüge des digitalen Antennenradios DAB+ so umfassend informiert, dass die DAB+-Gerätedurchdringung merklich verbessert werden kann. Ein entsprechendes Kommunikationskonzept wurde dem Rundfunkrat vorgelegt.
  • Der Bayerische Rundfunk intensiviert seine Bemühungen, um gemeinsam mit der Automobilindustrie eine bessere DAB+-Geräteausstattung in Autos zu erreichen. Hierbei soll auch die Ministerpräsidentenkonferenz entsprechend eingebunden werden.
  • Das Programmprofil des Jugendangebotes PULS ist nicht-kommerziell, mit hohem Wortanteil und einer Musikfarbe, die sich nicht an den Charts orientiert.
  • Bayern 2 wird seine Crosspromotion für BR-Klassik ausbauen. Auf Bayern 2 laufen in der Nacht bereits die Klassikprogramme „Concerto Bavarese“ sowie die ARD-Konzertnacht.
  • Der Bayerische Rundfunk entwickelt die Positionierung seiner Hörfunkwellen so weiter, dass die gesamte Programmfamilie entsprechend dem öffentlich-rechtlichen Grundauftrag mit geeigneten Maßnahmen dem drohenden Generationenabriss entgegenwirkt, und auf diese Weise die junge Generation für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder gewonnen werden kann.
  • Damit ist der Intendant befugt, den Frequenztausch ohne neuerlichen Rundfunkrats-Beschluss zu vollziehen. BR-Klassik wird danach über das digitale Antennenradio DAB+, über Kabel, über Satellit und über das Internet verbreitet.
Intendant Ulrich Wilhelm (Bild: BR)
Intendant Ulrich Wilhelm (Bild: BR)

Intendant Wilhelm sagte zu diesem Schritt: „Die heutige Entscheidung unterstreicht das Bewusstsein aller Beteiligten, dass es um die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in Bayern geht – auf technischer Seite, in finanzieller Hinsicht und auch in Bezug auf unser junges Publikum. Nicht zuletzt erfüllt der BR damit den verfassungsrechtlichen Auftrag, Programme für die gesamte Bevölkerung und alle Altersgruppen anzubieten. Mit dem weiteren Ausbau von DAB+ erhalten die Hörerinnen und Hörer in Bayern auf viele Jahre ein äußerst verlässliches, leistungsfähiges und bezahlbares Digitalradio-Netz – für den Empfang öffentlich-rechtlicher wie privater Radioprogramme. Unsere gemeinsame Aufgabe besteht nun darin, den Übergangszeitraum zu gestalten und den Hörerinnen und Hörern einen reibungslosen Umstieg zu ermöglichen. Ich danke dem Rundfunkrat, dass er den gesamten Umstellungsprozess eng begleiten wird.“

„Nach einem schwierigen und langwierigen Entscheidungsprozess gibt es im Rundfunkrat eine große Mehrheit für den geplanten Wellentausch von BR-Klassik und PULS. Der Bayerische Rundfunk wirkt damit dem Generationenabriss entgegen und wird seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht. Die Entscheidung ist ein Signal dafür, dass der digitale Rundfunk die Zukunft ist. Es ist wichtig, die bereits jetzt hoch digitalisierte Hörerschaft von BR-Klassik mitzunehmen in die digitale Zukunft des Antennenradios DAB+ – und ihr viele Vorteile und einen qualitativen Mehrwert zu bieten“, ergänzt Dr. Lorenz Wolf, Vorsitzender des BR-Rundfunkrats.

„Entscheidung des BR-Rundfunkrates gefährdet lokale Radios“

Erwartungsgemäß wenig Begeisterung kommt bei den Privatradios in Bayern nach dieser Entscheidung auf: Der BR-Rundfunkrat habe mit vielen Scheinargumenten mehrheitlich für den Frequenzwechsel zwischen BR Klassik und BR Puls gestimmt. „Dieser Frequenzwechsel ist eine Katastrophe für die lokalen Radios“, so VBL-Vorsitzender Willi Schreiner.

Willi Schreiner
Willi Schreiner (Foto: VBL)

Die bereits vorhandene Schieflage zwischen den Privaten und dem Bayerischen Rundfunk werde damit noch extremer. Mit dann drei Massenprogrammen im Hörermarkt werde der durch Gebühren überaus großzügig ausgestattete Bayerische Rundfunk besonders die kleinen Lokalsender in existenzbedrohende Notlagen bringen. „Jeder Politiker, der für den Frequenzwechsel gestimmt hat, hat damit der weiteren Wettbewerbsverzerrung im dualen System zugestimmt“, so Willi Schreiner.

Der Verband Bayerischer Lokalrundfunk (VBL) e.V. und seine Mitglieder wollen in den nächsten Wochen prüfen, welche juristischen Schritte sinnvoll sind. „Die bayerische Medienpolitik hat mit dieser Entscheidung des Rundfunkrates, die nur zu Lasten der privaten Sender gehen wird, großen Schaden erlitten“, bedauert Willi Schreiner in einer Presseaussendung des VBL

Private wollen rechtliche Schritte prüfen

Klaus Schunk (Bild: VPRT)
Klaus Schunk (Bild: VPRT)

Auch Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT), zeigt sich enttäuscht: „Trotz aller ernsthafter Bemühungen der Politik und von Vertretern des Rundfunkrates, die aktuellen Diskussionen zu reflektieren, hat es im Ergebnis eine Beschlusslage gegeben, die nicht zufrieden stellen kann und so für die privaten Radioveranstalter in Bayern enttäuschend ist. Der beschlossene Automatismus und die inkludierte DAB+-Kampagne lassen die offenen schwerwiegenden rechtlichen Fragen und die unstreitig gravierenden Auswirkungen für den bayerischen Hörfunkmarkt unbeachtet. Vor allem blendet er die absehbare weitere Entwicklung der DAB+-Übertagungstechnologie und die tatsächliche Nutzungssituation vollkommen aus. Es ist unrealistisch, dass wir bis 2018 eine der heutigen UKW-gleichwertige DAB+-Versorgung haben werden. Daran werden auch Marketingkampagnen des Bayerischen Rundfunks nichts ändern. Damit werden die weitreichenden wirtschaftlichen Folgen einer UKW Puls-Aufschaltung wie vom VPRT befürchtet auch 2018 ein realistisches Szenario bleiben. Die privaten Radiosender werden nun alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen und im Übrigen unverändert für ihre Position werben. Ziel muss es in jedem Fall sein, im Vorfeld der Umsetzung des Beschlusses auf Basis der dann bestehenden DAB+-Verbreitung den Beschluss des Rundfunkrates noch einmal ergebnisoffen zu evaluieren. Alles andere wäre ein fauler Kompromiss.“

BLM: „Verstärkung der Schieflage im dualen System“

Siegfried Schneider (Bild: BLM)
Siegfried Schneider (Bild: BLM)

BLM-Präsident Schneider: „Der Beschluss des Rundfunkrats für eine Umsetzung des Frequenzwechsels 2018 ohne konkrete Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Marktdurchdringung von DAB-Geräten und die tatsächliche Nutzung von DAB-Programmen ändert nichts an der von der BLM und den privaten Anbietern kritisierten Ausgangslage. Dieser Entscheidung verstärkt die Schieflage im dualen System und gefährdet die Existenz lokaler Hörfunkanbieter.“

Das Ringen um BR-Klassik

Der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks hat in seiner vergangenen Sitzung beschlossen, den Jugendsender PULS ab 2018 als öffentlich-rechtliches Jugendangebot über die UKW-Frequenzkette auszustrahlen. Zeitgleich soll BR-Klassik den UKW-Platz räumen und über DAB+ gesendet werden – vorausgesetzt die vom Rundfunkrat geforderten Bedingungen, wie z.B. unabhängige Gutachten zur Netzabdeckung von DAB+, sind erfüllt.

Prof. Martin Maria Krüger (Bild: BR)
Prof. Martin Maria Krüger (Bild: BR)

Hierzu Prof. Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates: „Der Bayerische Rundfunk ist in die Offensive gegangen, um jüngere Hörerschichten zu gewinnen und den in seinem Sendebereich besonders ausgeprägten Generationenabriss zu verhindern. Der Deutsche Musikrat bedauert, dass dies mit der absehbaren, frühestens 2018 vorgesehenen Abschaltung der UKW-Ausstrahlung der deutschlandweit vorbildlichen Welle BR-Klassik verbunden sein soll. Er begrüßt jedoch ausdrücklich, dass letztlich BR-Intendant Ulrich Wilhelm und der Bayerische Rundfunkrat auf die nachhaltigen Proteste der Kultur- und Musikverbände, insbesondere des Bayerischen Musikrates unter seinem Präsidenten Dr. Thomas Goppel, reagiert und einen gemeinsam getragenen Konsens gefunden haben. Erst wenn weitreichende, durch neutrale Gutachter regelmäßig begleitete Grundlagen auf der Sender- und Empfänger-, sprich: Hörerseite geschaffen sein werden, wird die Verlagerung der BR-Klassik-Ausstrahlung auf die Digitalfrequenz DAB+ erfolgen. Der Deutsche Musikrat wird diesen Prozess wachsam begleiten.“

 

(Teasergrafik: arcady31 / 123RF Stock Photo / BR)