Radiosender-Umfrage zu Corona II und Spotify „The Get Up“

corona xmas unsplash bigDie Achterbahnfahrt des Jahres 2020 wird den Programmchefs der deutschen Radiosender gewiss noch eine ganze Weile in Erinnerung bleiben: bislang ungekannte Maßnahmen und Programmveränderungen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, Blitzaufbau eines Sendebetriebes auch jenseits der angestammten Betriebsräume, erdrutschartige Werbeverluste während des ersten Lockdowns, Wegfall nahezu aller wichtigen Off-Air-Veranstaltungen, Aussetzung der MA-Erhebungsperiode, Beruhigung der Lage mit einhergehender Erholung bei den Werbeeinnahmen, erneuter (Teil-)Lockdown in Deutschland im November.

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Zumindest für letzteres Szenario scheint die Branche organisatorisch wie bei der Programmgestaltung nun gut gerüstet – und greift nach ersten Beobachtungen erneut auf  bewährte Erfahrungen aus dem Frühjahr zurück. Allerdings lassen die Sender “Corona” im Herbst offenbar nicht mehr zum Overkill bei der Themengewichtung mutieren. Ganz nach dem Motto: „Im Programm so viel Corona wie nötig und so viele andere Themen wie möglich“.

Auch dürften laut Vermarktungsexperten die Werbebuchungen – vor dem Hintergrund des nahenden Weihnachtsgeschäftes und dem Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung zum Jahresende – einigermaßen stabil auf Erholungskur bleiben. 

Allerdings sorgt eine Meldung aus den USA über den Start eines neuen personalisierten Spotify-Dienstes für neue Unruhe. Das Hörfunk-ähnliche Angebot, moderiert von drei sehr unterschiedlichen Personalities, beinhaltet neben Musik wahlweise Elemente wie Infotainment, Popkultur und coole Talks. Die voraufgezeichnete Show richtet sich in ihrer Anmutung gezielt an Pendler sowie jüngere Personen, die generell wenig Radio hören oder ihm bereits den Rücken gekehrt haben.

Man darf davon ausgehen, dass Spotify den Dienst – nach erfolgreicher Erprobungsphase    rasch auch in weiteren Märkten einrichten wird. Vorbehaltlich möglicherweise notwendiger Medien-rechtlicher Genehmigungen.


RADIOSZENE stellte Entscheidungsträgern deutscher Radiosender folgende Fragen zu den Programmveränderungen während des zweiten Lockdowns sowie zum Sendestart des neuen Streaming-Angebotes “The Get Up“.

1.) Auch der neuerliche Lockdown hat gravierende Auswirkungen für das Leben in Deutschland. Wie passen Sie das Programm den neuen Einschnitten an? In wie weit profitieren Sie von den Erfahrungen aus dem Frühjahr?

2.) Der Musikstreamingdienst Spotify hat in den USA gerade mit dem Angebot „The Get Up“ eine Radio-vergleichbare Morningshow gelauncht. Wie bewerten Sie dieses Angebot? Generalangriff auf ein Herzstück des Hörfunks oder einfach nur ein weiteres Nischenprodukt?


 

„Gerade in der momentanen Situation sehe ich die Fähigkeit einen ‚Rückkanal‘ anzubieten, über den sich Hörerinnen und Hörer direkt in der Sendung wiederfinden, als entscheidenden Vorteil unserer Angebote“ 

 

Torsten Engel, NDR 2, Programmleitung 

Torsten Engel (Bild: ©Marco Peter)1.) Die Corona-Situation bestimmt weiterhin das Leben unserer Hörerinnen und Hörer, deshalb spielt es selbstverständlich auch im Programm von NDR 2 eine sehr große Rolle.

Inhaltlich versuchen wir weiterhin – wie bereits im Frühjahr – bestmöglich zu informieren, einzuordnen und vor allem die NDR 2 Hörer*innen mit ihren Erfahrungen zu Wort kommen zu lassen. Das Motto „Der Norden hält zusammen“, bleibt dabei unser Leitmotiv in dieser wirklich herausfordernden Zeit.

Strukturell sind wir wieder da, wo wir im Frühjahr bereits waren. Ein großer Teil des NDR 2 Teams arbeitet aus dem Homeoffice. Im Großraumbüro vor den Sendestudios ist nur jeder zweite Platz besetzt, damit die geltenden Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. Das NDR 2 Team geht sehr umsichtig miteinander um, nimmt Rücksicht aufeinander.

Aber ganz ehrlich: Eine Redaktion wie NDR 2 lebt sehr von gemeinsamen Meetings bei denen neue Ideen entwickelt und diskutiert werden. Dieser direkte Austausch fehlt uns allen natürlich sehr. Es geht zwar vieles über Videokonferenzen, der Spirit vom Ringen um die besten Ideen in einem vollen Konferenzraum lässt sich damit aber nicht komplett ersetzen.

2.) Es ist ja nicht das erste Mal, dass ein Streamingdienst versucht ein Produkt für die Morgenstrecke zu etablieren. Auch Apple Music versucht ähnliche Angebote umzusetzen.

Im Moment bleibt es aber noch bei „Radio-ähnlichen“ Angeboten. Gerade in der momentanen Situation sehe ich die Fähigkeit einen „Rückkanal“ anzubieten, über den sich Hörerinnen und Hörer direkt in der Sendung wiederfinden, als entscheidenden Vorteil unserer Angebote.

Aber selbstverständlich beobachten wir alle Entwicklungen im Audiomarkt sehr genau, so auch diese.


 

„Die Einschläge rücken langsam näher, aber ‘The Get Up‘ hat keinen Vorsprung.“

 

Thomas Jung, SWR3, Programmchef und Stellvertretender Kulturdirektor

Thomas Jung Programmdirektor SWR 3 (Bild: ©SWR)1.) Die Menschen erwarten verlässliche Informationen, für sie und ihre (regionalen) Bedürfnisse aufbereitet und zusammengestellt. Wir schlagen einen Pfad in den Corona-Info-Dschungel. Die Menschen wollen aber auch die anderen aktuellen Themen, es gilt daher gleichzeitig eine Corona-Über-Information zu vermeiden. SWR3 steht aber besonders auch für Zerstreuung und gute Unterhaltung. Die Menschen wollen sich im neunten Monat mit  Covid-19 ablenken, lachen, dem Alltag etwas entfliehen. Deshalb sind wir noch mehr für sie da #zusammenhalten.

SWR3 macht im November die Hörer*innen zu Musikredakteur*innen. SWR3Land gestaltet das Musikprogramm der Popwelle, täglich von 8.00 Uhr bis Mitternacht. Restaurants, Kneipen, Fitnesstudios und so weiter die vom Lockdown light besonders getroffen sind, gestalten dienstags bis sonntags die 13.00 Uhr-Stunde. Samstags senden wir ab 19.00 Uhr die „SWR3 Party für zuhause“ mit unterschiedlichen Motti.

Außerdem legen eine Reihe deutscher Künstler bei SWR3 auf. Sie bringen ihre Lieblings-Playlist und erzählen live ihre Stories dazu. 

Gerade am Abend und am Wochenende wollen wir auf das geänderte Freizeitverhalten der Menschen eingehen. Wir haben überdies eine ganze Reihe multimedialer Aktionen im Köcher – auch,  um in diesen Zeiten die Gattung Radio zu stärken. Stay tuned.

2.) Um einer erfolgreichen Morningshow richtig Konkurrenz zu machen, fehlen ganz relevante Aspekte: Live, Schnelligkeit, Unmittelbarkeit, Interaktion mit den Hörer*innen und Regionalität. Von Breaking News oder präzisem Service ganz zu schweigen. Aus Wort-Sicht wird das eher ein Podcast mit gleichwohl für den US-Markt strategisch gecasteten Moderator*innen.

Was die Musik angeht: möchte ich tatsächlich montags früh Songs hören, die ich Samstagnachmittag angehört habe? Oder den Lounge-Musik-Teppich vom Vorabend? Das war für mich schon das K.O.-Kriterium bei Daily. 

Es wird als Nischenprodukt starten, ähnlich wie die sogenannte Radio-Applikation bei Apple Music. Aber die Einschläge rücken langsam näher. Und auch dieses Feature könnte – wenn es tatsächlich auf den deutschsprachigen Markt kommt – vor allem in der jungen Zielgruppe den ein oder anderen Sender Hörzeit kosten. 

Ich setze nachwievor auf die Personalisierung, die die neue SWR3 App bietet: Ein top-moderiertes Live-Programm, in dem man Titel austauschen oder Favoriten/Neuentdeckungen abspeichern und immer wieder anhören kann. Genau wie übrigens auch eine ganze Show zeitsouverän nachgehörtwerden kann. Auch da hat „The Get Up“ keinen Vorsprung.


 

„Sowohl hinter den Kulissen als auch im Programm bleiben wir im ‘New Normal‘-Modus“

 

-Weiser, BAYERN 3, Programmchef

Thomas-Linke-Weiser (Bild: ©BR/Markus Konvalin)1.) Sowohl hinter den Kulissen als auch im Programm bleiben wir im „New Normal“-Modus. Hinter den Kulissen so viel Homeoffice und digitaler Austausch wie möglich. Im Programm so viel Corona wie nötig und so viele andere Themen wie möglich. Und wir helfen beim Lockdown Light wieder den Gastrobetrieben mit unserer „BAYERN 3 Lokal-Helden„-Aktion, die bayernweit Angebote mit Liefer- und Abholservice auflistet (www.lokalhelden.bayern/karte). Zudem arbeiten wir gerade noch an einer Aktion für die bayerische Kultur- und Veranstaltungsbranche.

2.) Die Stärke des Radios in Deutschland ist seine Nähe, seine Regionalität, sein unmittelbarer Bezug zum Leben der Menschen. Das kann Spotify (noch) nicht bieten. Wir sollten das trotzdem sehr ernst nehmen, gerade in Bezug auf junge Zielgruppen. Die Marktmacht von Spotify ist hier so groß, dass man auch angesichts weiterer Ansätze wie der Integration von News und Podcasts in die kuratierten Playlisten kaum von einem Nischenprodukt ausgehen kann.


 

„‘The Get Up‘ ist eigentlich ein täglicher Podcast, der zu einem gewissen Zeitpunkt produziert wird und sich dann nicht mehr ändert“

 

Roel Oosthout, Hit Radio FFH, Programmchef

Roel Oosthout (Bild: ©FFH)1. ) Dem erhöhten Informationsbedürfnis versuchen wir mit zusätzlichen Corona-Update Formaten im Programm entgegenzukommen, ebenso auf unserer Webseite und auf Social Media. Der „Lockdown-light“ ab 2. November unterscheidet sich von dem im Frühjahr, weil Schulen, Kitas und Geschäfte nach wie vor geöffnet haben und die Betriebe nicht stillgelegt sind. Das bedeutet, dass der Tagesablauf unserer Hörer sich jetzt nicht so krass ändert wie im Frühjahr. Natürlich hat das jetzt Folgen für Programm-Elemente wie Veranstaltungshinweise und unsere Sportberichterstattung. Außerdem haben wir am Beginn der Maßnahmen eine Aktion für die Gastronomie gestartet, die ja (wieder mal) vom Lockdown schwer betroffen ist. Wir bieten allen, die jetzt auf Abhol- und Lieferservice umgestellt haben, die Möglichkeit dafür kostenlos bei uns im Programm und auf der Webseite zu werben.

2.) Jedes neue Audio-Angebot ist natürlich potenzielle Konkurrenz. Es gibt außerdem einen Markt für Hörer, die mit den bestehenden Angeboten unzufrieden sind. “The Get Up“ ist aber eigentlich ein täglicher Podcast, der zu einem gewissen Zeitpunkt produziert wird und sich dann nicht mehr ändert. Bei HIT RADIO FFH kriegen die Hörer eine Live-Sendung geboten, die in der Lage ist auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Außerdem haben die Hörer ein starkes Interesse an regionalen Inhalten und Service. Das lässt sich mit einem für den nationalen Markt produzierten Podcast natürlich schwer bedienen. Aber wir müssen natürlich aufpassen und viel in Inhalte und Persönlichkeit investieren, damit die Bindung zum Sender erhalten bleibt. Im besten Fall ist das Programm und vor allem die Frühsendung ein Live-Event für die Hörer, das sie nicht verpassen möchten.

Im Übrigen veröffentlicht HIT RADIO FFH jetzt schon eine tägliche Zusammenfassung der Frühsendung als Podcast. Das Format hat Potenzial, muss aber sicherlich noch weiterentwickelt werden. Wahrscheinlich werden die Kollegen künftig während der Live-Sendung noch zusätzlich einen Podcast produzieren.


 

„In der zweiten Coronaphase werden die Nerven und die Psyche noch stärker belastet sein als im Frühjahr, darauf müssen wir in den Programmen eingehen“

 

Jochen Rausch, WDR, Leiter des Bereiches Breitenprogramme

Jochen Rausch (Bild: ©WDR)

1.) Der Vorteil gegenüber dem Frühjahr: Corona ist keine Überraschung mehr. Das Thema ist in allen Programmen präsent. Wir können sehr dynamisch auf ein erhöhtes Informationsbedürfnis reagieren. Wir holen die Entscheider ins Programm – bei WDR2 letzte Woche Gesundheitsminister Jens Spahn, diese Woche Ministerpräsident Armin Laschet. Aber wir müssen auch über andere Themen sprechen: US Wahlen, Terror, Klima, Wirtschaft. Zudem brauchen wir alle auch Entspannung und Zuversicht: in der zweiten Coronaphase werden die Nerven und die Psyche noch stärker belastet sein als im Frühjahr, darauf müssen wir in den Programmen eingehen.

2.) Die öffentlich-rechtlichen Sender bieten ja auch Morgenpodcasts an, dafür gibt es sicher einen Markt. Aber in Deutschland wird anders Radio gehört als in den USA: Die Deutschen mögen den Mix aus Info und Musik am Morgen, aber auch reine Wortsendungen wie zum Beispiel das „Morgenecho“ auf WDR 5. Podcast-Formate werden sicher hinzukommen, die ARD hat ohne Frage dafür die beste Infrastruktur.


 

„Für die Kernklientel des Lokalfunks wird ’The Get Up‘ ein Nischenprodukt Spotifys sein, für insbesondere jüngere Menschen ohne echte Rundfunksozialisation kann es eine echte Alternative zu den etablierten Angeboten werden“

 

Thomas Rump, radio NRW, Programmdirektor und Mitglieder der Geschäftsleitung

Thomas RUMP radioNRW rund1.) Im Gegensatz zum Frühjahr, wo uns alle die erste Corona-Welle relativ unvorbereitet getroffen hat, sind viele Maßnahmen jetzt zu Beginn der zweiten Welle umgesetzt und gelernt. Die allgemeinen Hygiene-Maßnahmen wie Trennwände an den Arbeitsplätzen, die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln oder das Aufstellen von Luftreinigern in den Konferenzräumen haben wir auch im Sommer bei niedrigeren Zahlen beibehalten. Darüber hinaus gibt es derzeit eine Maskenpflicht auf den für allen zugänglichen Unternehmensbereichen wie Fluren, WCs und Küchen. Nachdem in den Sommermonaten die KollegInnen vermehrt Präsenzzeit im Sender hatten, so sind wir jetzt wieder in einigen Bereichen auf das Arbeiten von zu Hause – da, wo es möglich ist -, umgestiegen. Im redaktionellen Bereich arbeiten im Moment nur die KollegInnen vor Ort, die wir für einen reibungslosen Sendeablauf und die Durchführung unserer Programmaktionen brauchen. Zudem achten wir darauf, dass jedes Büro nur mit einer Person besetzt ist. Bisher sind wir mit diesen Maßnahmen glücklicherweise sehr gut gefahren. 

Was die redaktionelle Gestaltung des Programms betrifft, so hat der Anteil an Beiträgen zur Corona-Pandemie im Verhältnis zum Sommer zugenommen. Wir bieten regelmäßig unser “Corona-Update“ an und auch unser Podcast “Corona. Und jetzt?“ wird wieder häufiger produziert. Auch wenn das Informationsbedürfnis im Moment wieder steigt, wollen wir unsere Hörer aber nicht nur am laufenden Band mit der Pandemie-Thematik versorgen. Da wir ja jetzt wissen, dass Corona unsere Lebensrealität noch einen längeren Zeitraum begleiten wird, wollen wir auch immer den Ausgleich mit anderen Themen finden. In dieser Woche ist zum Beispiel unser Gewinnspiel “Der Geldregen“ gestartet, das den ganzen November zu hören sein wird. Der Dezember steht dann traditionell ganz im Zeichen unserer Hilfsaktion Lichtblicke, bei der wir in diesem Jahr auch zu Spenden für Betroffene der Corona-Pandemie aufrufen werden. 

2.) Es ist ja schon länger absehbar, dass Spotify versucht, sich als vollwertiger Programmanbieter zu etablieren. Algorithmen – wie treffgenau sie auch sein mögen – ersetzen weder Menschen noch Dramaturgie. Die Vorteile eines schier grenzenlosen On-Demand-Angebots stoßen dort an Grenzen, wo sich Nutzer Ansprache, Mitnahme oder Einordnung wünschen. “The Get Up“ ist der nachvollziehbare Schritt, den eigenen Usern am Morgen ein zusätzliches Angebot einzustellen. Das ist nichts, vor dem man sich fürchten muss, aber auf jeden Fall etwas, das man nicht unterschätzen darf. In Amerika geht Spotify mit einem 3-Morning-Host-Team mit unterschiedlichem kulturellem Background an den Start. Ein solcher Ansatz wäre auch hierzulande denkbar. Es bleibt allerdings eine überregionale, syndikatisierte Show. Für die Kernklientel des Lokalfunks wird es ein Nischenprodukt Spotifys sein. Insbesondere für jüngere Menschen ohne echte Rundfunksozialisation kann es eine echte Alternative zu den etablierten Angeboten werden. Eine optimale Musikgestaltung ist Voraussetzung. Es steht und fällt – wie immer – mit der Strahlkraft der Persönlichkeiten und den aufgegriffenen Themen.


 

„Als ‘Berlins lustigste Morgensendung‘ ist es täglich eine Herausforderung eine Dauerkrise zu besprechen“

 

Arno Müller, 104.6 RTL, Programmdirektor

Arno Mueller 1046RTL run200Nach wie vor halten wir uns bei 104.6 RTL an die Abstands- und Hygieneregeln. Wir arbeiten in A- und B-Teams, immer ein Team im Home-Office, um Kontakte so gering wie möglich zu halten. Wir zoomen und telefonieren sehr viel. Das hat sich seit Beginn der Maßnahmen Mitte März erstaunlich gut eingespielt.

Als “Berlins lustigste Morgensendung“ ist es täglich eine Herausforderung, eine Dauerkrise zu besprechen. Einige Comedyserien sind aus inhaltlichen Gründen nicht mehr im Programm, andere laufen wieder. Dies wägen wir ständig ab.

Das Informationsbedürfnis ist anhaltend hoch. Unser Newsanchor ist zu einer Art Co-Moderator geworden. Wir machen viele Newstalks. Das planen wir beizubehalten. Zudem wird jede Promotion auf Durchführbarkeit geprüft. Je nach tagesaktueller Lage. Derzeit verschenken wir zum Beispiel stündlich Shoppinggutscheine. Auch um die Läden zu unterstützen.

2.) Grundsätzlich nehmen wir jedes neue Angebot erst einmal ernst.


 

„Die eigentliche Stärke von Radio liegt darin eine Community zu schaffen, der man beitreten kann, ohne sich zu registrieren oder ein Abonnement abzuschließen“

 

Konrad Kuhnt, rbb 88.8, Programmchef 

Konrad Kuhnt (Bild: ©RBB/Christoph Müller)1.) Strukturell ändert sich bei rbb 88.8 innerbetrieblich wenig. Wir steuern das Programm schon seit dem Frühjahrslockdown weitestgehend von außen. Im Sender sind nur die absolut notwendigen Menschen. Wir haben jedoch angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen unsere internen Schutzmaßnahmen noch einmal verstärkt und hoffen, dass wir damit mit unseren Kolleginnen und Kollegen und unserem Programm unbeschadet durch den Winter kommen. Inhaltlich bieten wir weiterhin eine umfangreiche Corona-Berichterstattung mit dem Schwerpunkt auf der Berliner Situation an. Wir merken auch an den steigenden Abrufzahlen unseres täglichen Podcasts “rbb 88.8 Corona-Update“, dass dafür wieder eine steigende Nachfrage existiert. Allerdings achten wir darauf, dass Corona nicht die Oberhand in unserem Programm gewinnt. Wir wollen in unserem Programm, neben anderen wichtigen Themen aus Berlin, auch weiterhin Spaß und gute Laune vermitteln und den Leuten das Gefühl geben, dass sie nicht alleine sind und dass wir alle irgendwie durch diese Krise kommen werden.

2.) Ich sehe es eher gelassen. Menschen haben auch das Bedürfnis, Teil von etwas zu sein, irgendwo dazu zu gehören und nicht nur als sich selbst genügendes Individuum ihr Mediendasein zu fristen. Wenn man sich immer nur mit seinem eigenen medialen Mikrokosmos beschäftigt, verliert man irgendwann den Bezug zur Wirklichkeit drum herum. Und hier liegt die eigentliche Stärke von Radio, ihm gelingt es nämlich, eine Community zu schaffen, der man beitreten kann, ohne sich zu registrieren oder ein Abonnement abzuschließen. Regionalität – und darauf basiert das Radio in Deutschland zumindest – ist dabei ein ganz wichtiger identitätsstiftender Faktor. Insofern sehe ich auch diese neue „Sau“, die durch unser Mediendorf trabt, zunächst einmal gelassen. Aber eins ist natürlich klar: Jedes neue Mitglied am Futterkoben futtert allen anderen ein Stück weg.