Visually Augmented Audio – unsere Zukunft?

James Cridland's Radio FutureAuf dem Forschungs- und Entwicklungsblog der BBC tauchte neulich etwas auf, das den Namen BBC Notes trug: eine Web-App, die “Texte, Bilder und Links” zeigt, um “das Hörerlebnis bei Live-Events, Live-Übertragungen und bei On-Demand-Content zu verbessern”.

In letzter Zeit gibt es mehr dergleichen. Entale zum Beispiel, eine Podcast-App, die dasselbe versucht. Sagen wir mal, man hört gerade Serial, dann werden einem die Orte gezeigt, über die gerade geredet wird, komplett mit Karten und weiterführenden Links. (Scheint offenbar vor allem in Podcasts über Kosmetikprodukte zu funktionieren. Die Links, die man hier anklickt, führen dann in der Regel zuverlässig zu einem Online-Händler). 

Auf der Podcast Movement habe ich die Adori-Plattform kennengelernt. Auch diese macht ungefähr dasselbe. Sie hat ein gut durchdachtes Back-end, das eine schnelle und leichte Eingabe von Daten in einen Podcast ermöglicht. Wie die Daten dann in die Audiodatei gelangen, bleibt dann noch ein gut gehütetes Geheimnis. Mir haben sie es jedenfalls nicht verraten.

Nun ist es nicht gerade so, als hätte man jetzt das Rad neu erfunden. Vor 15 Jahren hatte ich schon einmal Nokia Visual Radio ausprobiert, eine Software zur visuellen Aufwertung des Live-Radioprogramms. Einige Screengrabs davon habe ich noch gefunden, falls es euch interessiert.

Es gibt natürlich auch DAB-Slideshows – eine Technik, die von verschiedenen Radiosendern in aller Welt genutzt wird. Hiermit werden Bilder in das Radioprogramm eingebunden. Hier einige Beispiele.

Slideshow von Virgin Radio am iRiver (Foto: ©James Cridland)
Slideshow von Virgin Radio am iRiver (Foto: ©James Cridland)

Allerdings gibt es meiner Meinung nach bei allen Diensten dieser Art gewisse Haken.

Zunächst: Bringt es überhaupt etwas? Trägt es mit dazu bei, dass ein Hörer die Audio-Inhalte besser genießen kann? Bleibt der Hörer dadurch besser bei der Stange oder werden auf diese Weise interessante Zusatzinhalte angeboten?

Zweitens: Ist es leicht genug, solche visuellen Zusätze schnell und effektiv zu produzieren, vorzugsweise automatisch? Wenn ja, erfüllt es dann noch die erste Anforderung gut genug? Wenn zum Beispiel eine Reportage über die italienischen Abruzzen gesendet wird, reicht da ein einfacher Link auf den entsprechenden Wikipedia-Artikel? Bringt das überhaupt irgendwelchen Nutzen?

Und drittens: Reicht dieser Mehrwert – wenn es denn einen gibt – aus, um das Hörerlebnis von Audio-Konsumenten nachhaltig zu verändern? Wenn der Vorteil von Audio eben darin liegt, dass man es auch während einer Autofahrt, eines Spaziergangs mit dem Hund oder beim Schreiben einer Kolumne für eine Website hören kann, sollte dann nicht das der Vorteil sein, auf den wir uns konzentrieren sollten, ohne die Sache mit Visuals zu verdünnen?

Manche in der Branche gehen recht gut damit um. Radio 538 in den Niederlanden zum Beispiel. Dort spielt man Musikvideos und bietet ein komplettes TV-ähnliches Erlebnis, das offenbar dem Audiogenuss nicht in die Quere kommt. Aber wenn das Ganze nur aus statischen Bildern besteht, die unsere Aufmerksamkeit erfordern, dann haut mich das nicht gerade vom Hocker.

Vielleicht sollten wir unsere Stärken viel mehr ausspielen, denn sonst heißt es am Ende vielleicht sogar im Extremfall dennoch „Video killed the radio star“.


James Cridland
James Cridland

Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine, berät eine Vielzahl von Radiosendern und veröffentlicht den täglichen Podcast-Newsletter podnews.net. James hat über 30 Jahre bei Radiosendern in Großbritannien, Australien und Kanada gearbeitet; bei Virgin Radio UK entwickelte er die weltweit erste Radio-Streaming-App. Er lebt in Brisbane, Australien. https://james.cridland.net