„Fritz klingt seit Februar anders, aber doch gewohnt…“

Fritz-Logo (Bild: ©rbb)Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) arbeitet man mit Hochdruck weiter an der Optimierung und Neuausrichtung seiner Programmflotte. Während in 2018 das rbb-Fernsehen im Mittelpunkt des Erneuerungseifers stand, werden in diesem Jahr nun einige Radiowellen den sich rasant wandelnden Hörgewohnheiten angepasst. Den Anfang machte man am 4. Februar mit dem Hauptstadtprogramm rbb 88.8, das mit neuem Namen (vormals radioBerlin 88,8), neuer Verpackung und modifizierten Inhalten aufgefrischt auf Sendung geschickt wurde (RADIOSZENE berichtete).

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Noch massivere Veränderungen sollen die – durch immer stärker werdende mediale Konkurrenten abgelenkten – Teens und Twens künftig wieder dauerhaft an die junge Welle Fritz binden. rbb-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus: „Fritz wird die junge digitale Marke des rbb. Noch immer im Radio, aber mindestens genauso viel bei Instagram, Youtube, Snapchat und allen anderen digitalen Angeboten, die junge Menschen in Berlin und Brandenburg nutzen. Das ist das Versprechen an die Nutzer: Egal, wo Ihr auf etwas Gutes trefft: It‘s Fritz. 

Karen Schmied (Bild: ©rbb/Stefan Wieland)
Karen Schmied (Bild: ©rbb/Stefan Wieland)

Der Korrekturen beim Prototypen der deutschen Jugendradios erfolgen in mehreren Phasen. Zunächst wurde Anfang Februar das Hörfunkprogramm verändert. RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich sprach mit Fritz-Programmchefin Karen Schmied über Gründe, Art und Umfang der Umgestaltungen.  

 

„Jede Studie und jede Auswertung (mit Ausnahme der MA-Zahlen) zeigt, dass junge Menschen immer weniger bis kaum Radio hören. Und wenn, dann noch mehr nebenbei als bisher“

 

RADIOSZENE: Frau Schmied, seit Februar wird bei Fritz umgebaut und manches verändert. Welches sind die Hintergründe dieser Reformen? Rückläufige Reichweiten oder gewandelte Nutzungsgewohnheiten? 

Karen Schmied: Beides, und die Gründe gehören zusammen. Jede Studie und jede Auswertung (mit Ausnahme der MA-Zahlen) zeigt, dass junge Menschen immer weniger bis kaum Radio hören. Und wenn, dann noch mehr nebenbei als bisher. Selbst morgens im Bad und im Auto (sofern Auto gefahren wird!) laufen zunehmend Playlisten von Streamingdiensten. Je jünger sie sind, umso häufiger trifft das zu.

Die Erkenntnis war auch für uns bei Fritz hart. Es tut weh, wenn dir deine Zielgruppe sagt, dass sie aufs Radio verzichten könnte – auf Youtube, Whatsapp oder Spotify allerdings nicht. So haben wir es gerade in einer eigenen Studie für Berlin und Brandenburg gespiegelt bekommen.

Im rbb wurden wir Fritzen gefragt: Wenn ihr ein komplett neues, cooles Programm erfinden könntet, wie würde das aussehen? Radio stand da nicht an erster Stelle, wir haben uns erarbeitet, was Fritz nun werden will – eine Digitalmarke mit Multiplattformstrategie.

Fritz-Studio "Fräulein Fritz" (Bild: © rbb/Claudius Pflug)
Fritz-Studio „Fräulein Fritz“ (Bild: © rbb/Claudius Pflug)

RADIOSZENE: Die Umbauten vollziehen sich in mehreren Etappen. Begonnen wurde mit dem Radioprogramm Anfang Februar. Die Sendestrecken im Tagesprogramm sind nun länger, auf Sendungstitel wird verzichtet. Was ändert sich inhaltlich?

Karen Schmied: Wir haben mehr Musik im Tagesprogramm, auch weil Fritz ohnehin mit einem Wortanteil von etwa 40% weit über dem lag, was junge Menschen vom Radio erwarten. Inhaltlich sind wir on air mehr auf Tagesaktuelles fokussiert. Die anderen Themen werden bei Fritz künftig andere Formen und neue Ausspielwege bekommen. Programmaktionen machen wir weiterhin, sie werden aber künftig noch mehr für online UND Radio konzipiert. 

RADIOSZENE: Haben Sie bei diesen Änderungen auch neue Zielgruppen im Blick?

Karen Schmied: Die Zielgruppe bleibt, es sind die 14 bis 29-Jährigen in Berlin und Brandenburg. Für sie machen wir das Programm on air und online, live und on demand. 

 

„Wir WOLLEN neue Musik spielen, Nachwuchskünstlern eine Plattform geben und das Programm damit auch spannender machen“

 

RADIOSZENE: Die Musik im Tagesprogramm soll einen höheren Stellenwert erhalten. Wurden auch an der grundsätzlichen  Ausrichtung des Musikkonzeptes Änderungen vorgenommen? Wie viel Orientierung an aktuellen Trends steckt in den Musikabläufen?

Karen Schmied: Sowohl die Stamm- als auch Gelegenheitshörer haben uns zwei wichtige Fakten gespiegelt: Spielt ruhig ein paar mehr Hits, aber lasst mich auch neue Musik bei euch entdecken. Dem sind wir gefolgt. Wir haben weiterhin ganz neue, unbekannte Songs im Tagesprogramm, was uns auch wichtig ist. Wir WOLLEN neue Musik spielen, Nachwuchskünstlern eine Plattform geben und das Programm damit auch spannender machen. Sie laufen nun zwischen bekannteren Songs. Wir selbst sehen das als Vorteil, sie können mehr strahlen.

Micro on: Fritz-Studio in Berlin Kreuzberg (Bild: ©rbb/Claudius Pflug
Micro on: Fritz-Studio in Berlin Kreuzberg (Bild: ©rbb/Claudius Pflug

Fritz hat etwa 1.000 Songs in der Rotation, mehr als bei anderen jungen Sendern. Wir spielen die Hits Maximum viermal am Tag, damit ist die Rotation wesentlich weiter und erträglicher. Zusätzlich haben wir unseren „Backpool“ entrümpelt und aufgefüllt und lassen hier Songs rotieren, nach denen die jungen Hörer mal gefeiert haben und die für Fritz standen/stehen. Fritz klingt damit seit Februar anders, aber doch gewohnt und das ist auch das Ziel. Klingt kompliziert, fühlt und hört sich aber gerade gut an. 

RADIOSZENE: Was verändert sich bei den Fritz-Musikstrecken am Abend?

Karen Schmied: Unsere Musikspezialsendungen haben eine sehr lange Tradition, und wir haben sehr gute Leute in den Sendungen. Wir wollen weiterhin die Nischen im Programm haben. So bleiben die „Beste Musik“-Strecken nahezu unverändert, wie auch der „Nightflight“ ab 00.00 Uhr.

 

„Onlinejounalismus wird oft unterschätzt. Für uns wird das immer wichtiger“

 

RADIOSZENE: Mit welchen journalistischen beziehungsweise thematischen Ansätzen wollen Sie die Zielgruppe künftig binden? Sind hier gravierende Veränderungen innerhalb des Zeitgeistes junger Menschen erkennbar?

Karen Schmied: Die Themenwelt bleibt die gleiche, nur die Formen verändern sich. Junge Leute sind durchaus politik- oder umweltinteressiert, ihnen ist wichtig, wie sie ihr Leben gestalten. Große Themen sind beispielsweise Selbstoptimierung, Liebe und Beziehungen oder auch Mobilität. Alles aus dem jungen Blickwinkel betrachtet. Sie suchen diese Themen im Netz, und das sehr gezielt. Hier sehen wir eine Chance, unser journalistisches Know-how und die eigene enge Anbindung an die Zielgruppe zu nutzen. Für online zu arbeiten bedeutet bei Weitem nicht, nur lustige Memes oder Aufrufe zum Vertaggen zu posten. Aufwändig recherchierte Beiträge drehen, komplexe Inhalte verständlich aufbereiten oder gute Grafiken zu den Fakten zu erstellen ist anspruchsvolle Arbeit. Onlinejounalismus wird oft unterschätzt. Für uns wird das immer wichtiger. 

Empfang in dem neuen Fritz-Studio "Fräulein Fritz" in Berlin Kreuzberg (Bild: Anbieter: ©rbb/Claudius Pflug)
Empfang in dem neuen Fritz-Studio „Fräulein Fritz“ in Berlin Kreuzberg (Bild: Anbieter: ©rbb/Claudius Pflug)

RADIOSZENE: Fritz firmiert ab jetzt als „digitale Marke des rbb“. Das heißt auch, dass den Abspielwegen neben dem Radio deutlich höhere Bedeutung zukommt. Wie werden Sie diese neue Gewichtung umsetzen?

Karen Schmied: Junge Menschen nutzen Medien und diese Minutennutzung  steigt täglich. Vor allem bei den unter 20-Jährigen spielen reine Medienmarken eine untergeordnete Rolle, stattdessen wird sehr gezielt nach Inhalten gesucht, online und am liebsten mobil.

Und dort wollen wir unsere Inhalte ausspielen. Vor allem auf den Social Media Kanälen und in den Streamingdiensten. Als Schwerpunkte sehen wir Youtube und Instagram. Aber auch weiterhin Facebook und in Kürze neu bei Tiktok. Bei Spotify werden wir nach und nach mit unseren bisherigen und auch neuen Podcasts vertreten sein. Und wenn nach Tiktok das nächste junge Soziale Netzwerk relevant wird, werden wir uns auch damit intensiv beschäftigen. Jede Plattform funktioniert anders und braucht eine andere Strategie. Wir haben in der Redaktion jeweilige Experten, mit denen wir die Formate entwickeln, umsetzen und zweitverwerten. Auch die Betreuung der Communities hat an Bedeutung gewonnen und ist ein wichtiger Baustein in unserer neuen Struktur. 

 

„Junge Leute suchen sehr gezielt nach ihren Themen, nach Namen von Protagonisten oder der Bestätigung ihrer momentanen Stimmung (Musik), nicht nach Listen einer Medienmarke“

 

RADIOSZENE: Welche Rolle spielen künftig Podcasts und Audiotheken?

Karen Schmied: Sie sind Teil der neuen Distributionsstrategie. Bei Spotify ist es schön, als Radiosender Playlisten anzulegen und zu pflegen. Sie werden aber kaum genutzt. Junge Leute suchen sehr gezielt nach ihren Themen, nach Namen von Protagonisten oder der Bestätigung ihrer momentanen Stimmung (Musik), nicht nach Listen einer Medienmarke. Somit werden wir auch unsere Inhalte spitz auswählen und in passender Form und mit redaktionellem Aufwand dort präsentieren und ausspielen.

Gebäude des rbb in Potsdam (Bild: ©rbb/Gundula Krause)
Radiohaus des rbb in Potsdam (Bild: ©rbb/Gundula Krause)

RADIOSZENE: Laut Pressemitteilung verändern sich innerhalb der Welle auch die personelle Aufstellung und Jobstrukturen. Was heißt das konkret?

Karen Schmied: Fritz hat knapp 26 Jahre Radio gemacht und in den letzten Jahren nebenbei online. So waren die Redaktionsstruktur aufgebaut und die Workflows geleitet.

Künftig machen wir online first und on demand, damit brauchen wir eine komplett andere Struktur, neuen Contentflow und neue Aufgaben in der Redaktion. Wir haben ein weißes Blatt genommen, den Content in die Mitte gesetzt und rings herum eine Redaktionsstruktur erarbeitet, die das leisten kann.

Eine Radio-Unit gibt es weiterhin, sie ist aber um ein Vielfaches kleiner. Die Kapazitäten liegen nun im Entwickeln und Umsetzen von Onlineformaten und im Ausspielen auf den unterschiedlichen Kanälen. Das alles stemmen wir mit dem bisherigen Fritz-Team – und das ist eine Herausforderung für uns alle. Auch wenn das Team jung, digital native und sehr motiviert ist, so sind die Aufgaben andere und auch jungen Menschen fallen Veränderungen nicht leicht. Ich hab dafür großes Verständnis und wir geben uns selbst Zeit. Wir schulen viel, holen uns Input von Experten, probieren Dinge aus, drehen nach und sind bereit, auch etwas wieder zu verwerfen, wenn es nicht aufgeht. Wir dürfen uns auch nicht vormachen, dass das Internet auf uns gewartet hat. Wir betreten ein riesiges Spielfeld und suchen nun unseren Platz dort. Unser Vorteil ist, wir bringen eine starke Medienmarke mit, wir können Content – journalistisch wertvoll bis hin zu lustig und absurd- und wir konzentrieren uns auf Berlin und Brandenburg. Darin sehen wir unseren USP. Der Weg wird lang und nicht leicht, aber ich sehe hier die Chance, eine Radiomarke für junge Menschen weiterzutragen.

 

„Künftig machen wir online first und on demand, damit brauchen wir eine komplett andere Struktur, neuen Contentflow und neue Aufgaben in der Redaktion“

 

RADIOSZENE: Wann werden Sie die nächste Optimierungsstufe zünden?

Karen Schmied: Wir sind mittendrin. Nachdem das lineare Radioprogramm nun aufgestellt ist, geht es an Schritt zwei: Fritz Online. Wir sind dabei, unser Themenportfolio zu entwickeln, unsere Strategien für die einzelnen Social-Media-Kanäle und Streamingdienste fertigzustellen. Wir haben begonnen, neue Formate (Bild, Bewegtbild und Audio) zu kreieren und die ersten Piloten bis hin zu Staffeln zu produzieren. Im Sommer wollen wir mit dem ersten Schwung online sein. Bis dahin bleibt eine Menge zu tun. Aber ehrlich gesagt, das macht auch großen Spaß. 

Fritz-Studio "Fräulein Fritz" (Bild: © rbb/Claudius Pflug)
Fritz-Studio „Fräulein Fritz“ (Bild: © rbb/Claudius Pflug)

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