Viktor Worms: „Früher war früher, aber auch immer besser?“

Deutscher Radiopreis 2018Ich lese gerade in diesen Tagen und im Umfeld des Deutschen Radiopreises, der morgen in Hamburg verliehen wird, von vielen hochverdienten Kollegen aus den 70ern und 80ern, wie toll doch Radio damals war und wie stereotyp es heute ist.

Unabhängig von der Frage, ob es wirklich so war und auch ich denke gern an meine Zeit als Morningshow-Moderator bei Radio Luxemburg mit 4 Millionen Hörern pro Stunde mit meinen Co-Moderatoren Hans-Werner Olm und Hugo Egon Balder zurück. Ich denke gern an die Anfänge von Antenne Bayern, das gerade seinen 30.Geburtstag feiert und wenn wir uns am Samstag mit alten Kollegen treffen, werden auch wir von den frühen 90ern schwärmen. Aber war`s wirklich alles so viel besser? Und ist es wirklich heute stereotyp und durchformatiert?

Ich habe gerade in diesen Tagen alte Shows von mir gehört und ganz ehrlich, wir hatten Spaß, vielleicht auch mehr als junge Kollegen heute, weil der Wettbewerb vergleichsweise harmlos war aber bei Manchem, was wir da verbrochen haben, denke ich auch: „Was war denn das?“. Ja, es hat sich verändert, der Wettbewerb ist heute ein ganz anderer. Aber unabhängig davon, dass junge Menschen nur die Augen verdrehen, wenn Papa Geschichten aus seiner Jugend erzählt, haben wir eine so vielfältige Radiolandschaft und so viele junge Talente, dass mir um die Zukunft nicht bange ist.

Allen, die so tun, als sei das alles Radiopreis-verdächtig gewesen, was wir damals (uns) so geleistet haben, ein paar Empfehlungen. Ich durfte auch in diesem Jahr wieder in der Radiopreis-Jury mitmachen, ich leiste mir oft, wenn mir Ed Sheeran aus den Ohren rauskommt, Ausflüge zu Deutschlandfunk-Nova, NDR-Kultur oder Bayern 2, zu Fritz oder bin nach wie vor Fan der Bundesliga-Konferenz der ARD … und ich finde immer was, was mich begeistert.

Was haben wir Juroren des Radiopreises für wunderbare Moderator(inn)en, tolle Beiträge oder Interviews gehört? So sind zum Beispiel bei „Bester Moderator“ mit Morning-Man Tommy Ohrner (Klassik Radio), Jung-Talent Philipp Schmidt (NDR KULTUR) und Kreativ-Genie Hans Blomberg (RTL 104.6), drei so unterschiedliche Typen nominiert, dass man allein daran schon sieht, wie bunt diese Landschaft sein kann.

Gerade in der Kategorie „Bestes Interview“ sind drei (öffentlich- rechtliche) Radiostunden im Rennen, die es alle verdient gehabt hätten, geehrt zu werden und bei Comedy habe ich dieses Jahr wirklich bei vielen (öffentlich-rechtlichen und privaten) Einreichungen immer wieder laut gelacht. Und wer nach Innovationen sucht, für den gibt ́s auch noch Podcasts und auch da toben sich junge Talente aus (die häufig) aus dem Radio kommen, die einfach witzig, intelligent und anders sind.

Übrigens mein Tipp, liebe Programmdirektoren: Sucht unter denen nach jungen Talenten! Also die „früher war alles viel besser“-Jammerei ist unangebracht, will keiner hören und erinnert mich an den Mann, der ausschließlich in die Curry-Bude um die Ecke geht, jeden Tag das Gleiche bestellt und dann über einseitige Ernährung jammert. Hey, nebenan gibt´s `nen Burgerladen, einen Italiener und hin und wieder darf man sich auch mal ein Sternemenü gönnen. Ich gehöre zu denen, die weder die Currywurst noch das vier Gänge-Schuhbeck-Menü jeden Tag wollen. Und wenn ich Veganer bin, gehe ich halt nicht ins Steakhouse!

Also liebe Ex-Kollegen, die Ihr so gern jammert, Ohren auf, ein bisschen suchen und ihr werdet merken: Kein Grund zur Verzweiflung. Also ich möchte morgen feiern mit denen, die`s verdient haben, die Tränchen derer kühlen, für die es knapp nicht gereicht hat, werde mir als Juror geduldig anhören „Wieso denn die/der oder das?“ Ansonsten will ich mit Freunden ein vielfältiges, spannendes, manchmal albernes, manchmal kluges und bewegendes Radiojahr feiern.

P.S.: Und ich werde nach Gleichgesinnten suchen, die auch wie ich der Meinung sind, diese Zeiten fordern auch uns Radioleute und unser Bekenntnis zu gesellschaftlicher Verantwortung. Aber das ist ein anderes Thema, denn „Auch wir sind mehr!“ (wär`auch `ne schöne Überschrift gewesen).


Über den Autor

Viktor Worms (Bild: WMP)
Viktor Worms (Bild: WMP)

Viktor Worms moderierte die ZDF Hitparade, war Programmdirektor bei ANTENNE BAYERN und ZDF-Unterhaltungschef. Er war in den vergangenen Jahren als Strategie- und Moderationscoach u.a. tätig für REGIOCAST, ZDF und das Bayerische Fernsehen, DRadio Wissen, bigFM, ROCK ANTENNE sowie die ARD.ZDF Medienakademie. Er ist seit 2015 Jurymitglied des Deutschen Radiopreises. Neben seiner Tätigkeit als TV Producer ist er Vorstand der Hugo-Tempelman-Stiftung sowie Beirat der Tabaluga Kinderstiftung.