Viktor Worms: Darf ich….?

viktor worms oldie antenne big2Darf ich in schwierigen Zeiten, wenn ein paar hundert Kilometer entfernt Bomben fallen, laut und herzhaft lachen? Dürfen wir einfach mal abschalten und spielen und einfach mal Spaß haben? Dürfen wir vor der Realität flüchten, wenn andere sich in Kellern verkriechen? – „Man muss doch was tun?!“

Der profilierte Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger im Stern: „Wer sich berieseln läßt, tut was und wenn die Zeiten schwierig sind und der Druck steigt, sind leichte Stoffe gefragt!“ Das heißt: niemand muss sich wirklich schämen, wenn er sagt „Ich kann´s nicht mehr hören!“

Ich habe hier und andernorts immer wieder mahnend den Zeigefinger gehoben: Das Radio – egal ob privat oder öffentlich rechtlich – darf nicht zur Abspielmaschine der „besten, größten, schönsten Hits“ werden, ich habe an unseren publizistischen Auftrag erinnert und dass wir Playlists und Musikstreams etwas entgegensetzen müssen. Ich habe gemahnt, dass die Privatsender der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz das Feld nicht überlassen dürfen und dabei bleibe ich.

Nur wenn sich Zeiten ändern, dann müssen wir uns ändern und dann müssen die populären Radioprogramme als Tagesbegleiter reagieren. Sind wir ehrlich: Haben wir nicht alle in den vergangenen Wochen und Monaten ein ums andere Mal gesagt: „Komm, lass uns was Leichtes hören oder gucken!“ und haben uns in der Mediathek nach Zerstreuung umgesehen anstatt den 100. Brennpunkt zu suchen? Man spricht hier von „Eskapismus“ und das ist vollkommen normal und natürlich.

Was hat das jetzt mit uns zu tun, mit dem Begleitmedium Radio? Natürlich müssen wir die Menschen auch – oder gerade jetzt – informieren, aber genauso normal und sinnvoll ist es, die Unterhaltung, das Leichte, den Spass zu pflegen und damit sind wir bei meinem Lieblingsthema und der Frage: „Können wir das noch?“

Wir bilden in Schulen und Akademien Journalisten aus und das auf hohem Niveau. Auch ich bin zum Beispiel in der ARD-ZDF Medienakademie und habe gerade über das umfangreiche Angebot dieser großartigen Einrichtung geschaut.Dabei habe ich mich (wieder einmal) gefragt: „Wo ist die Unterhaltung“?

Unterhaltung in diesen Zeiten ist weder verwerflich noch problematisch, sie wird es nur dann, wenn wir jedes Thema unterhaltend präsentieren. Einfacher formuliert: „Alles zu seiner Zeit und in seinem Umfeld!“ – und da wiederhole ich mich in meiner kleinen „Einwürfen“ hier bei RADIOSZENE. In den Vereinigten Staaten, in Großbritannien und anderen europäischen Ländern werden Entertainer, Unterhalter und Spaßvögel ausgebildet. Wir verlassen uns in Deutschland nach wie vor auf Naturtalente und jetzt, da wir sie brauchen sind zu wenig da oder sie toben sich im Netz aus ohne an Radio überhaupt zu denken.

Ich war über 10 Jahre für „Wetten, dass…?“ zuständig und habe an das Comeback nur bedingt geglaubt. Tatsache ist, Thomas Gottschalk – Kritik hin oder her – hatte selbst in der zweiten Ausgabe vor ein paar Monaten noch 10 Mio. Zuschauer und mehr Junge als jede andere Show in der Gesamtheit. Joko und Klaas, Puffpaff oder selbst das Unverwüstliche „Wer wird Millionär?“ kommen da nicht mit. Ich bin überzeugt, das auch hier die Flucht in bessere Zeiten eine wesentliche Rolle spielt: „Ach lass uns nochmal „Wetten, dass…?“ gucken!“ 

Worauf will der Mann hinaus? Will  sagen, wir „Radiovögel“ müssen endlich wieder Unterhalter, Comedians und Clowns ausbilden. Wir müssen wieder das Spielen lernen und uns vielleicht auch ganz persönlich prüfen, ob die gerümpfte Nase über das Leichte noch in die Zeit passt, ob sie nicht gerade jetzt an den wirklichen Bedürfnissen unserer Hörer vorbeigeht. Lasst uns den Menschen einfach nur „eine gute Zeit machen“, sie haben das Recht auf Spiel und Spaß und das hat nichts – aber auch gar nichts – mit Ignoranz zu tun. Unterhaltung ist ein Grundnahrungsmittel in schwierigen Zeiten.

Wieder einmal fällt mir der von mir verehrte Klaus Hoffmann ein „Ich will Gesang, will Spiel und Tanz, will das man sich wie toll vergnügt , ich will Gesang will Spiel und Tanz bis man mich untern Rasen pflügt!“ Nicht nur, aber auch!


Über den Autor

Viktor Worms (Bild: WMP)

Viktor Worms moderierte die ZDF Hitparade, war Programmdirektor bei ANTENNE BAYERN und ZDF-Unterhaltungschef. Er war in den vergangenen Jahren als Strategie- und Moderationscoach u.a. tätig für REGIOCAST, ZDF und das Bayerische Fernsehen, DRadio Wissen, bigFM, ROCK ANTENNE sowie die ARD.ZDF Medienakademie. Er ist seit 2015 Jurymitglied des Deutschen Radiopreises. Neben seiner Tätigkeit als TV Producer ist er Vorstand der Hugo-Tempelman-Stiftung sowie Beirat der Tabaluga Kinderstiftung. Seit März 2022 moderiert er bei OLDIE-ANTENNE täglich von 15.00 bis 19.00 Uhr.