Viktor Worms: „Krokodilstränen“ oder warum wir eine Entertainment-Schule brauchen

viktor worms oldie antenne big2 Am 8. August las ich am Abend vom Tod von Olivia Newton John und wer von uns „etwas älteren“ Jungs war nicht verliebt in diese wunderbare Künstlerin?

Wir haben auf der Oldie Antenne den nächsten Tag ihren Hits und den Geschichten ihres Lebens gewidmet und großartige Reaktionen unserer Hörer erleben dürfen. Am Tag drauf las ich eine ebenso herzlich geschriebene und kluge Würdigung von Joachim Hantschel in der Süddeutschen Zeitung: „Rieselndes Silber, leuchtendes Gold“.

Der Autor schreibt: „Sie hat etwas Besonderes, etwas, das man mit dem Herzen hören kann!“ – Respekt! Besser hätte man es nicht sagen können egal ob man Fan ist (bin ich nicht einmal) oder einfach nur etwas von großartigem Entertainment versteht.

Was ich mich beim Lesen dieser Zeilen gefragt habe ist, warum ein Weltstar wie Olivia Newton John erst sterben muß, um in dieser Weise vom serösen Feuilleton angemessen gewürdigt zu werden. Und da sind wir bei meinem Thema: Hier ist ein Weltstar leider viel zu früh gegangen, sie hat Millionen Menschen mit ihrer Musik, ihrer Schauspielerei, ihrer Erscheinung Freude gemacht und sie ist für viele von uns ein Teil des Soundtracks unseres Lebens und eine Künstlerin, die das Leichte in ihren Songs und ihren Filmen perfekt verkörpert hat.

Und das ist mein Thema: Warum gehen wir alle und allen voran die scheinbar Seriösen (SZ, ZEIT, FAZ) in diesem Land mit perfekter Unterhaltung, dem Leichten, dem Spaß so um? Warum muß eine Entertainerin wie Olivia Newton John erst sterben um in dieser Form vom Feuilleton gewürdigt zu werden?

Was hat das mit der Radioszene zu tun? Dies soll ein Plädoyer für das Leichte sein, zum wiederholten Mal die Forderung, daß wir alle Entertainment, Unterhaltung, Spaß in der Form würdigen wie es sich gehört. Wir haben in diesem Land großartige Journalistenschulen, ARD und ZDF haben eine eigene Medienakademie, du kannst Journalistik, Zeitungswissenschaften, Publizistik…. studieren aber wo werden Unterhalter ausgebildet? Erhalten sie öffentliche Förderung? Ich möchte nicht soweit gehen, Studiengänge vorzuschlagen, es braucht auch keinen „Dr. Unt“ oder einen „Dr. Ent“. Was es aber dringend benötigt ist anerkannte Ausbildung für Talente, Menschen die einfach nur Spaß machen wollen. In Amerika gibt es Schulen und Ausbildungswege für junge Entertainer, die es auf die Bühne, vor die Kamera oder hinter das Mikrofon zieht. Die Amerikaner lieben ihre Spassvögel, wir nutzen sie aber nehmen sie viel zu wenig ernst und wir zahlen gerade einen hohen Preis in Rundfunk und Fernsehen. Die seltenen Talente brauchen uns nicht mehr, sie sind ihre eigenen Medien, probieren sich im Netz aus und wir glauben doch nicht ernsthaft, dass sie wenn´s denn funktioniert und sie davon leben können bei uns wieder anklopfen.

Heisst: Wir müssen diesen Hochbegabten endlich wieder die Türen öffnen, wir müssen sie seriös ausbilden und ja wir brauchen eine Unterhaltungsschule und wenn sie nicht von „Old School Medien“ ins Leben gerufen wird, von wem bitte dann? Ich glaube an die Zukunft von Radio und Fernsehen aber ein Teil dieser Zukunft – und sicher kein kleiner – muss unterhalten, muss Spaß und lachen machen. Gerade in diesen Zeiten. Ich versuche es in meinen Workshops und Seminaren, hatte ich das Glück mit Unterhaltern wie Frank Elstner, Thomas Gottschalk, Roger Willemsen, Götz Alsmann u.a. zusammenarbeiten zu dürfen. Klar, das Feuilleton wird uns auch dann nicht lieben oder mit der Würdigung wie bei Olivia Newton John warten bis wir nicht mehr da sind aber das kann uns dann auch schon egal sein. Und heute kann ich es ja sagen: Mein Problem als Unterhaltungschef des ZDF war, dass wir zwar die Primetime mit Musik, Spiel und Spaß bespielen durften aber dabei ging es immer nur um Quote, richtig anerkannt wurde die Kunst des Leichten nie. Daran hat sich wenig geändert. Genau das ist die Chance der Privaten Radio- und TV-Unternehmen, die strukturell freier sind: Ausbildungswege für Unterhalter. Wenn wir es nicht jetzt schaffen, daß unser Publikum uns mit dem Herzen hört oder sieht – wann dann?

Die Spaßvögel brauchen uns nicht, wir brauchen sie – und in diesen Zeiten mehr denn je!

Klaus Hoffmann in „Adieu Emile“: „Ich will Gesang, will Spiel und Tanz, will das man sich wie toll vergnügt. Ich will Gesang will Spiel und Tanz bis man mich unter`n Rasen pflügt!“


Über den Autor

Viktor Worms (Bild: WMP)

Viktor Worms moderierte die ZDF Hitparade, war Programmdirektor bei ANTENNE BAYERN und ZDF-Unterhaltungschef. Er war in den vergangenen Jahren als Strategie- und Moderationscoach u.a. tätig für REGIOCAST, ZDF und das Bayerische Fernsehen, DRadio Wissen, bigFM, ROCK ANTENNE sowie die ARD.ZDF Medienakademie. Er ist seit 2015 Jurymitglied des Deutschen Radiopreises. Neben seiner Tätigkeit als TV Producer ist er Vorstand der Hugo-Tempelman-Stiftung sowie Beirat der Tabaluga Kinderstiftung. Seit März 2022 moderiert er bei OLDIE-ANTENNE täglich von 15.00 bis 19.00 Uhr.