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Sender-Apps: Mit Exklusivinhalt gegen Radio-Aggregatoren

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Laut IVW verzeichnet der größte deutsche Radio-Aggregator radio.de monatlich über 10 Mio. Visits über seine App. Radiosender sollten sich darüber freuen, denn sie haben damit einen wichtigen Schritt vom antiquierten UKW in ein neueres Distributionsmedium geschafft. Doch sie tun es nicht, denn es besteht die Gefahr, Werbereichweite sowie die Community an den Fremdanbieter zu verlieren. Die Lösung liegt in Exklusivinhalten.

Die Nutzung von Radio liegt seit Jahren hinter der von Fernsehen und Internet. Insbesondere die jüngere Generation konzentriert ihren Medienkonsum auf das Internet bzw. Smartphone. Dieser Trend ist offensichtlich wie unaufhaltbar, Radio-Aggregatoren wie radio.de und TuneIn haben das längst erkannt und ihre Produkte entsprechend ausgerichtet. Bei den Sendern fängt man erst so langsam an, sich dies bewusst zu werden und stellt fest, dass Aggregatoren eine latente Gefahr darstellen: Einige verdienen Geld mit fremdem Content aber vor allem sind sie in Bezug auf Hörerbindung ein Problem. Für den Hörer war es nie einfacher als heute, einem nervenden Charthit durch Senderwechsel zu entfliehen.

Ungenutztes Potential: Exklusive Inhalte als Hörerbindung

Was im Internet längst Gang und Gebe ist, müssen Radiosender nun für sich neu entdecken: Targeting. Zielgruppenspezifische Angebote kennt man aus der Werbung, im Radioprogramm sind sie leider wenig anzutreffen. Doch hier bringt der Smartphone-Trend sehr praktischen Aufwind, denn durch diese Geräte lassen sich plötzlich Inhalte anbieten, die bislang über UKW gar nicht verbreitet werden konnten oder die kaum einer wahrgenommen hat, weil die Website des Senders eben doch mehr der Werbevermarktung als der Hörerbindung diente. Und genau hier liegt die Stärke sendereigener Apps gegenüber Aggregatoren: Exklusive, multimediale Inhalte können Aggregatoren nicht anbieten, solange diese nicht frei zugänglich sind. Dieser Umstand und das Potential, eine App als Second Screen anzubieten, wird bisher kaum genutzt.

Targeting darf man nicht als kompliziertes Hexenwerk verstehen, es reichen zunächst zwei Hörertypen aus: Der Surfer und der Loyale. Der Surfer ist tendenziell hektischer Nutzer der Stationstasten und schaltet bei der ersten nervigen Note sofort weg. Der loyale Hörer identifiziert sich mit einer Sendermarke und schaltet diesen Sender regelmäßig ein. Beide zusammen machen natürlich die Masse aus – aus Sicht des Senders und Werbevermarkters wertvoller ist allerdings der Loyale, den es zu gewinnen und zu halten gilt.

Vorteil nutzen: Exklusivinhalte stehen Aggregatoren nicht zur Verfügung

Warum aber sollte der Loyale die Sender-App herunterladen und benutzen? Ganz klar, weil er nur hier exklusiven Inhalt bekommt. Den Comedy-Podcast, das Musikvideo zum neuen Robbie Williams-Hit, den Wetterbericht und natürlich Content aus der Hörercommunity. All das, was das Programm ausmacht, um stärker als Multimediamarke aufzutreten. All die, die sich nun freuen, endlich die Song-Voting-Funktion in ihre App einzubauen zu dürfen, muss ich leider enttäuschen: denn, mit Verlaub, das reicht leider nicht, auch wenn es aus rotationstechnischer Sicht sicher spannend zu erfahren wäre, welche Vorlieben der Hörer hat. Das Musik-Voting gibt es im übertragenen Sinne bei den Aggregatoren schon immer. Multimediale Inhalte und ein wirksamer Dialog sind ungleich wichtiger.

Um ein solches Angebot auf die Beine zu stellen, müssen weder Redaktionen umgekrempelt werden noch teure App-Agenturen beauftragt werden. Die gegenwärtigen Redakteure und Moderatoren wissen in der Regel sehr gut, was ihre Hörer interessiert, und technische Lösungen gibt es bereits zu monatlichen Pauschalpreisen. Ein gutes System integriert sich in den redaktionellen Alltag und ermöglicht sowohl automatisierte Ausspielung von Inhalten (z.B. Twitter-Posts, Fotos von Facebook) als auch App-individuellen Content (z.B. Podcasts, YouTube-Videos).

Der Smartphone-Trend ist unaufhaltbar. Deshalb gilt es, sich der veränderten Mediennutzung anzupassen und bei Bedarf erfahrene Partner an die Seite zu nehmen, die technische und organisatorische Unterstützung leisten.

 

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Über den Autor:

Hannes Mehring ist Gründer von CrowdRadio, einer Smartphone-Lösung für Radiosender. CrowdRadio gewann 2012 den Deutschen Radiopreis für die beste Innovation.

 

 

 

 

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