Mike Haas ist Radioberater. In den 80er Jahren, als in Bayern die ersten lokalen Privatradios in Deutschland an den Start gingen, war der ehemalige AFN (American Forces Network)-Moderator als „Taufpate“ stets dabei. Dem Radioprofi ist nichts im Radio neu. Dennoch, bei der weltweit größten Radiokonferenz in Dublin im März hatte er kaum Zeit für Gespräche am Rande. „It was the most unique branding show in the world“, sagte Haas, der von Panel zu Panel eilte und nur bedauerte, dass so viele interessante Referenten zur gleichen Zeit in verschiedenen Räumen auftraten.
Innovativ und inspirierend – so das Urteil der meisten Delegierten über eine Konferenz der Superlative für die internationale Radiobranche. Nirgendwo werden so freimütig und detailliert erfolgreiche internationale Programmkonzepte ausgetauscht und so offen und intensiv über die Zukunft des Radios diskutiert wie bei den Radiodays Europe. Gegründet 2010, sind die Radiodays Europe mittlerweile eine „Wanderkonferenz“ durch Europa geworden, mit den bisherigen Stationen Kopenhagen, Barcelona, Berlin und Dublin. 2015 geht es nach Italien, nach Mailand.
In Dublin trafen sich 1300 Radiomacher, -liebhaber und -journalisten aus mehr als 60 Ländern; darunter neben Europa auch die USA, Neuseeland, Kenia und Australien. Zu den „Speakern“ aus Deutschland gehörten die Radiopreisträger 2013, die „Jungen Wilden“ von Antenne Bayern, Adrian Feuerbacher, Leiter der Programmgruppe Politik und Aktuelles beim NDR und Caroline Grazé, Head of Internet & New Business bei der Radio Energy Gruppe. Drei Tage lang tauschten die Radiomacher ihre Erfahrungen aus. Abgedeckt wurde das ganze Spektrum der modernen Radioprogrammierung: Von Radioapps über Social Media bis zum modernen Storytelling. Diskutiert wurde über Maßnahmen zur erfolgreichen Talentsuche, die Gefahren des Echtzeitjournalismus und der Breaking News, über neue Erhebungsmethoden der Zuhörerdaten und technische Verbreitungsplattformen, den Kampf um die Aufmerksamkeit der jungen Smartphonegeneration und die Überlebenschancen kleiner Lokalradiostationen.
Ein gut besuchtes Panel war dem investigativen Journalismus gewidmet. Offensichtlich keine Domäne des Radios, denn neben Adrian Feuerbacher vom NDR hatten die Veranstalter einen Printkollegen, den stellvertretenden Chefredakteur des Guardian, Paul Johnson, auf die Bühne gebeten. Er schilderte nachmals in allen Einzelheiten die Details rund um die spektakuläre Veröffentlichung der Snowden-Unterlagen. Der Whistleblower, der derzeit im Asyl in Russland lebt, sei nur einer von rund 800.000 Geheimnisträgern der USA, die ebenfalls Zugang zu den hochbrisanten Geheimdokumenten gehabt hätten. Edward Snowdens Enthüllungen gaben erstmals Einblicke in das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten. In einem Einspieler mit dramatischer Hintergrundmusik wurde nochmals die vom britischen Geheimdienst erzwungene Zerstörung der Festplatten mit den Snowden-Dokumenten gezeigt. Die Britische Regierung warf den Zeitungsverantwortlichen Gefährdung von Menschenleben und der nationalen Sicherheit vor. Johnson verriet den Radiodelegierten, dass die Zeitung in diesem Zusammenhang kurz vor der erzwungenen Schließung stand und dass er um die Pressefreiheit in Großbritannien sehr besorgt sei. Die Veröffentlichung der geheimen Dokumente von Edward Snowden war laut Johnson die größte Herausforderung und schwierigste Geschichte, der sich die Zeitung je stellen musste.
Adrian Feuerbacher, Leiter Politik und Aktuelles beim NDR, stellte das Projekt „Geheimer Krieg“ vor, das gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung realisiert wurde. Eine solche Zusammenarbeit zwischen Print und öffentlich-rechtlichem Radio kannte man in den anderen Ländern nicht.
Große Aufmerksamkeit, gepaart mit Besorgnis vor einer neuen Bedrohung des Radios, löste ein Panel aus, das sich mit dem vernetzten Auto der Zukunft beschäftigte: „Radio in Car. Under attack?“ Der amerikanische Radioberater Fred Jakobs rüttelte an den Ängsten der Radiogemeinde, dass das „Connected Car“, eine große Gefahr für die bisherige Vorherrschaft des Radios bedeute. Das Auto wird zum Smartphone. Wenn man bedenkt, dass beispielsweise in Großbritannien zwanzig Prozent des Radiohörens im Auto stattfindet, kann man die Ängste der Radiomacher verstehen: Es droht der Verlust der letzten beherrschenden Domain des Radios. Die Ratschläge Jacobs: Enge Zusammenarbeit mit der Autoindustrie und rechtzeitige Entwicklung einer Gegenstrategie.
Viel beachtet war auch der Auftritt von Radiolegende Tony Blackburn, einst Moderator beim Piratensender Radio Caroline und erster Moderator des legendären Vorgängers aller Popwellen, BBC Radio One. Der 71 Jährige kann vom Radio nicht lassen und moderiert noch heute sechs Sendungen die Woche, vorwiegend bei der BBC. Blackburn appellierte an die anwesenden Programmchefs, Moderatoren wieder mehr Freiheiten zu lassen. Drei oder zehn Titel am Stück könnten auch moderne Streamingdienste wie Pandora oder Spotify spielen. Das einzige, was Radio in Zukunft von solchen technisch ausgeklügelten Musikkanälen unterscheide, sei die persönliche Ansprache der Hörer.
Zum Gelingen der Konferenz trugen auch die irischen Radiosender bei. Zwei Gläserne Studios waren im Kongresszentrum aufgebaut, aus denen die Sender abwechselnd über die Konferenz berichteten. Vor dem CCD stand eine Heerschar von Sendertrucks, Übertragungswagen und Promotionautos.