Eigentlich ist zu DAB und seinem Nachfolger DAB+ längst alles gesagt. Dass das Radio der Zukunft der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts jetzt noch einmal startet, wobei es ja eigentlich nicht startet, weil es ja schon immer gesendet hat, nur, dass niemand das bemerkte, liegt allein daran, dass die staatlichen Radioplaner sich nicht trauen, zuzugeben, dass sie Hunderte Millionen Euro an GEZ-Gebühren und Steuern sinnlos versenkt haben. Jetzt ist es immer noch da und startet als Plus-Version mit rund einem Dutzend bundesweiten Programmen und einigen landesweiten sogenannten Bouquets. Versuchen wir also, die Dinge positiv zu sehen und stellen fest:
1. Erstmals bekommt Nordrhein-Westfalen in nennenswerter Dimension privates Radio, das ohne WDR-Beteiligung produziert wird. In NRW dürfte sich der Kauf eines DAB-tauglichen Radios also lohnen. Das Angebot ist zwar überschaubar, aber angesichts der Monokultur aus Staatsfunk und einer Kette von Lokal-Monopolisten mit WDR-Beteiligung ist es immerhin eine Alternative. Es wäre wünschenswert, wenn möglichst viele Menschen an Rhein und Ruhr DAB+ hören und damit erstmals ein Gefühl dafür bekommen, wie es ist, wenigstens ein oder zwei hörenswerte Alternativen zu dem von Staats wegen für ausreichend erklärten Angebot zu empfangen.
2. Für die beteiligten Sender und die Werbewirtschaft könnte es attraktiv sein, bundesweit Spots zu verkaufen.
3. Entfällt. Mehr Vorteile fallen mir nicht ein. Niemand soll sagen, ich hätte es nicht versucht.
Kommen wir also zu den restlichen Feststellungen, die man zu DAB+ treffen kann.
1. Es ist bundesweit. Das ist neu und markiert einen ordnungspolitischen Einschnitt. Medienangelegenheiten sind eigentlich Ländersache. Darum mussten sich die Medienbehörden unter einem bundesweiten Dach versammeln, das sie sinnigerweise ZAK nennen. Damit degeneriert die Länder-Autonomie weiter zur Formsache. Die Ländergremien, vor allem die Landesparlamente, werden weiter entmachtet. Die rheinland-pfälzische Staatskanzlei, in der die meisten Vorlagen formuliert werden, etwa auch die nächste Änderung des Rundfunkstaatsvertrags, gewinnt an bundesweiter Macht.
2. Der wirtschaftliche Vorteil einer bundesweiten Vermarktung wird wohl keine besondere Relevanz entfalten. Denn die würde eine relevante Verbreitung von DAB+-Empfängern voraussetzen. Die aber konkurrieren mit UKW-Radios und Web-Streams. Im Markt dürfte das eher für Verwirrung sorgen. Ein schlagendes Argument an die Verbraucher, sich jetzt massenhaft mit DAB-Geräten einzudecken, habe ich bisher nicht gehört.
3. Sollte die Verbreitung via DAB+ wider Erwarten doch relevante Größenordnungen erreichen, ginge das zu Lasten der UKW-Radios. Vor allem die ohnehin nicht auf Rosen gebetteten Lokalradios, die in ausgewählten Bundesländern gestattet sind, bekämen das zu spüren. DAB+ wäre somit ein weiterer Schritt zu einer konzernartigen Radiostruktur. Das wäre schade, denn von Natur aus ist Radio lokal. Kein massentaugliches Medium ist billiger und direkter zu produzieren. Das Modell landesweiter Sender ist ja schon immer ein eher bürokratisches und sehr deutsches Phänomen, vermutlich deshalb, weil Lizenzbehörden und Politik den Markt damit einfacher kontrollieren können und die Eigentümer die ordentlichen Gewinnspannen schätzen.
4. Für wenig verwöhnte Hörer in NRW mag das zusätzliche Angebot auf DAB+ eine Offenbarung sein, für Berliner oder Bayern dagegen eher nicht. Dass zwei der zehn Kanäle an Kirchensender gingen und vier an Insiderprogramme für die Adabeis der Politikszene dürfte schon zum Start ordentlich Antik-Staub auf das Image von DAB+ blasen.
5. Es hat schon seinen Grund, dass das eigentlich tote DAB von Politik und Staatsfunk gewaltsam wiederbelebt wurde. Sollte der Neustart diesmal erfolgreich verlaufen, sollten sich die Privaten rüsten. Die ARD dürfte ihre aggressive Expansion bei der Zuteilung der landesweiten Sendekapazitäten fortsetzen. Der erwähnte WDR geht schon mal voran, mit einer Grundversorgung von sieben (!) DAB-Kanälen. Überdies müssten die Privaten damit leben, ihre Overspills zu verlieren, denn auf DAB lassen sich die lizenzierten Sendegebiete weit präziser abstecken als mit UKW. Freunde freier Medien sollten auch aufmerksam beobachten, ob die abstruse Idee wieder auftaucht, UKW einfach abzuschalten. Unvergessen bleibt die Lachnummer von Sachsen-Anhalt, dessen Landtag schon 2010 die UKW-Frequenzen dichtmachen wollte, das entsprechende Gesetz aber klammheimlich wieder kassierte, nachdem Bürger und Markt nicht die geringsten Anstalten machten, den Medienpolitikern zu gehorchen. Die werden daraus gelernt haben. Der nächste Versuch dürfte abgestimmt und bundesweit über die Bühne gehen.
Falls denn DAB+ ein Erfolg werden sollte.
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.
E-Mail: christoph@radioszene.de