Grünes Licht für SWR3 New Pop: Die Zukunft gehört den Mutigen

SWR3 New Pop Festival Logo

Paukenschlag aus Baden-Baden: während der überwiegende Teil der deutschen Radiosender bereits im Frühjahr ihre Off-Air-Großveranstaltungen für 2021 gestrichen hat, kündigt SWR3 für das dritte Septemberwochenende die Rückkehr des traditionellen New Pop Events an. Nach Pandemie-bedingtem Ausfall im vergangenen Jahr soll die Mutter aller Radio-Popfestivals von 16.9. bis 19.9. 2021 auf den Bühnen der südwestdeutschen Kurstadt stattfinden. Mit  eingeschränkter Besucherzahl und organisiert nach einem ausgeklügelten Hygienekonzept. Als äußerer Hinweis angepasster Einschränkungen findet „New Pop“ in diesem Jahr ohne den Zusatz „Festival“ statt. Dennoch werden bundesweit die Verantwortlichen der deutschen Radiolandschaft – wie auch die Chefs der Konzert- und Musikbranche – den Wiedereinstieg in den Veranstaltungsalltag 2021 mit großem Interesse verfolgen.

Auch in diesem Jahr konnten die die SWR3-Booker mit illustren Namen wie Zoe Wees, Tom Gregory, Tate McRae, Giant Rooks, Celeste oder Tom Grennan ein Künstleraufgebot der Extraklasse verpflichten.

SWR3-NewPop Kurhaus-Baden Baden (Bild: SWR)
SWR3-NewPop Kurhaus-Baden Baden (Bild: SWR)

Das New Pop Festival ist das bekannteste Event für erfolgreiche Newcomer in der Musikszene. Es findet seit 1994 jährlich in Baden-Baden statt. Lediglich in 2021 und in 2001 (wegen der Terrorangriffe in New York) musste die Veranstaltung abgesagt werden.    


RADIOSZENE Mitarbeiter Michael Schmich sprach über den Wiedereinstieg ins Großveranstaltungsgeschehen mit SWR3-Programmdirektor Thomas Jung sowie mit Musikchef und New Pop-Festivalleiter Gregor Friedel.

 

„Die Erlebbarkeit der Marke durch Events blieb während Corona auf der Strecke“

 

RADIOSZENE: Mit der Ankündigung New Pop stattfinden zu lassen, erfinden Sie das über die Grenzen Deutschlands bekannte Event im Grunde noch einmal in einer „Corona-Variante“ neu. Wie viele Sitzungen und Denkansätze haben Sie in die kommende Veranstaltung investiert?

Thomas Jung Programmdirektor SWR3 (Bild: ©SWR)Thomas Jung: Nachdem New Pop im vergangenen Jahr ausfallen musste, sagt der Projektleiter Friedel „wart´s ab, 2021 wird New Pop eine der ersten Pop-Veranstaltungen in Deutschland sein.“ Mit etwas Glück wird Gregor recht behalten. Im Frühjahr entstanden nahezu ein halbes Dutzend Varianten, die wir diskutiert haben. Vom normalen Setting bis hin zu einer rein virtuellen Veranstaltung. Vor etwa sechs Wochen fiel schließlich im ganz kleinen Kreis die Entscheidung „Let‘s go“. Wir haben fast 15 Monate unter dem „#zusammenhalten für die Kultur“ die Künstler unterstützt, durch Interviews, Kleinst-Auftritte und vielen Initiativen mehr. Wir aber auch der gesamte SWR. Jetzt ist es an der Zeit, den Künstlern das zu geben, was sie am meisten lieben: die Bühne und die Fans.

Gregor Friedel: Tatsächlich haben wir Anfang März eine Liste erstellt, auf der alles stand, was zu bedenken ist und was die Durchführung des New Pops schwierig macht. Das waren dann insgesamt sieben Seiten. Dann haben wir uns dran gesetzt und erstmal die Dinge ausgeklammert, die zu diesem Zeitpunkt unwägbar waren (und teilweise noch sind), wie Inzidenzzahlen im September, sind die Inzidenzzahlen dann überhaupt noch der entscheidende Wert, gibt es weitere Virus-Varianten et cetera. Für alles andere haben wir dann Lösungen gesucht und sind irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass ein New Pop 2021 möglich sein kann.

RADIOSZENE: Die meisten Off-Air-Großevents deutscher Radiosender wurden bereits im Frühjahr gecancelt. Was gibt Ihnen in einer noch immer fragilen Lage mit schwankendenInzidenzen die Zuversicht dieses Ereignis durchzuführen?

Thomas Jung: In die Glaskugel können wir auch nicht schauen. Aber ich habe vor Jahren einen Spruch gelesen, der mich seither begleitet: „Die Zukunft gehört den Mutigen“. In diesem Sinne haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen. Dabei steht natürlich immer die Sicherheit für Fans, Künstler und Crew im Mittelpunkt. Aber auch die Gespräche mit Stadt, Polizei- und Gesundheitsbehörden sowie dem unternehmenseigenen SWR-Krisenstab machten uns sehr zuversichtlich. Wir haben Anregungen und Hinweise ernst genommen und in unser derzeit mehr als fünfzigseitiges Hygienekonzept eingearbeitet. Wir können auf jede Eventualität flexibel reagieren.

RADIOSZENE: Vor den vergangenen Festivals hieß die spannende Frage stets: welche Künstler sind am Start? 2021 dürften die Kollegen anderer Sender interessiert als Priorität die Umsetzung Ihrer Hygiene- und Sicherheitskonzepte studieren. Erläutern Sie uns Ihre zentralen Maßnahmen zum Schutz von Konzertbesuchern und Teilnehmern …

Gregor Friedel (Bild: @SWR3/Kirsten Klumpp)

Gregor Friedel: Ich hoffe ja, dass die Künstlerfrage auch 2021 spannend ist! Aber natürlich haben Sie recht, für alle Menschen, die in diesem Jahr auf irgendeine Art und Weise mit dem New Pop zu tun haben – seien es Künstler, Crew, Besucher – wird die eigene Sicherheit eine maßgebliche Rolle spielen. Wir haben ein mehr als fünfzigseitiges Hygienekonzept erstellt, die zentralen Punkte sind Nachvollziehbarkeit der Ticketkäufer:innen (durch unser eigenes Ticketing und, geplant, die Luca-App), nicht mehr als zwei Tickets pro Käufer pro Konzert. In diesem Jahr wird es auch nicht möglich sein, dass eine Person Tickets für mehrere Konzerte an einem Tag kauft. Wer beispielsweise Tickets fürs Kurhaus am Donnerstag hat, wird nicht am selben Tag auch Tickets fürs Festspielhaus kaufen können. Dies gilt nur für den jeweiligen Tag, natürlich können Tickets für jeden Tag gekauft werden. Und, ganz entscheidend: 3 G. Wer zur Gruppe der Geimpften, Genesenen und tagesaktuell Getesteten (mit negativem Ergebnis) gehört (und einen entsprechenden Nachweis hat), kann Karten kaufen. Alle anderen müssen in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen außen vorbleiben.

 

„Wer zur Gruppe der Geimpften, Genesenen und tagesaktuell Getesteten gehört, kann Karten kaufen. Alle anderen müssen in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen außen vorbleiben“

 

RADIOSZENE: Sicherlich dürfte sich mit den Maßnahmen spürbar auch der bisherige Charakter der Veranstaltung wandeln. Alleine schon die fehlende Ergänzung „Festival“ ist ein erster Fingerzeig … Auf welche Veränderungen beziehungsweise Neuerungen müssen sich die New Pop-Gänger in diesem Jahr einrichten?

1 NewPop Konzertatmosphäre mit DuffyGregor Friedel: Alle Veranstaltungen, mit denen wir für gewöhnlich den öffentlichen Raum bespielen (die gelernte Livebühne vor dem Kurhaus, Vidiwall, Partynächte et cetera), können in diesem Jahr nicht stattfinden. Wir spielen zehn Konzerte plus das Special plus das Zusatzkonzert, dafür gibt es Karten. Die Venues sind Orte, an denen wir die Sicherheit anbieten können, das Mögliche an Hygienemaßnahmen und somit eine kleinstmögliche Infektionsgefahr zu gewährleisten. Im öffentlichen Raum können wir das natürlich nicht.

RADIOSZENE: Bei Ihrem Konzept setzten Sie auf ein hohes Maß an die Eigenverantwortlichkeit der Besucher. In welcher Form appellieren Sie an die Hörer?

Thomas Jung: In und an den Locations ist alles safe. Der schlecht kontrollierbare öffentliche Raum macht etwas unruhig. Hier appellieren wir gemeinsam mit den Behörden: verzichtet auf Ansammlungen, haltet Abstand, tragt eine Maske. Und wer kein Ticket hat, sollte ausnahmsweise in diesem Jahr nicht nach Baden-Baden kommen. So wird das Risiko absolut minimiert. Wir übertragen das Festival multimedial, im Radio, im Netz, im Fernsehen, jeder hat die Chance, es zu verfolgen. 2021 vielleicht nicht dabei und doch nah dran!

RADIOSZENE: New Pop war neben den Konzerten gleichzeitig ein Top-Ereignis für Baden-Baden. Die Stadt war beteiligt durch zahlreiche Events wie Clubnächte oder Late-Night-Shopping, die es in diesem Jahr so nicht geben soll. Gibt es dennoch Pläne Baden-Baden in irgendeiner Form einzubinden?

Thomas Jung: Wir stehen in einem sehr engen Austausch. Letztlich hängen derartige Pläne auch davon ab, wie sich die Themen „Mutanten“, „Impfen“ und „Inzidenz“ weiter entwickeln. Im Moment würde ich sagen, sind wir zurückhaltend unterwegs. Alles andere würde auch unserem deutlich geänderten New Pop-Konzept in der Stadt widersprechen.

RADIOSZENE: Kommen wir zur Musik. Wie schwer war es in Zeiten von Corona die Künstler und Bands von einem Auftritt beim New Pop zu überzeugen?

Gregor Friedel: Grundlage war, dass wir bereits seit vergangenem Jahr in sehr engem Austausch mit Labels, Künstlern, Managements stehen und diese stets wussten, an welchem Punkt wir in unseren Gedanken und bei unserer Planung sind. Durch diese enge Kommunikation und eine wirklich herausragend gute Unterstützung durch die Labels konnten wir letztlich unser Wunschprogramm fürs New Pop 2021 buchen. Das hat natürlich etwas mit dem extrem hohen Stellenwert der Veranstaltung in der Musikbranche zu tun und dass sehr goutiert wird, dass wir  uns trauen ein Signal in die Musikbranche zu schicken: wir haben den Mut daran zu glauben, dass ein „new normal“ bei und mit uns beginnen kann. Und letztlich freut sich jeder Musiker darüber, wieder vor Publikum zu spielen und nicht nur in Kameras oder auf Windschutzscheiben und Autodächer zu starren.

 

„Wir haben den Mut daran zu glauben, dass ein ‚new normal‘ bei und mit uns beginnen kann“

 

RADIOSZENE: Haben Sie in diesem Jahr einen besonderen thematischen Schwerpunkt? Derzeit sind ja Singer Songwriter weiter sehr angesagt …

Gregor Friedel: Es ist wie jedes Jahr: wir fragen die Künster:innen an, die uns überzeugen. Mal losgelöst vom Musikstil. Wir versuchen ja immer, möglichst viele Facetten des Musikjahres abzubilden. In diesem Jahr sind teilweise auch Künstler:innen dabei, die wir schon für das vergangene Jahr vorgesehen hatten und mit denen wir vielleicht arg früh dran gewesen wären. Ein Beispiel ist Zoe Wees. Wir haben ihre erste Single mit Tag der Veröffentlichung gespielt und es war klar, dass sie ein Act für das New Pop 2020 werden sollte. Freilich hätte sie damals kaum ein Programm von einer Stunde spielen können, was ja die Länge unserer Einzelkonzerte ist. Insofern profitieren wir fast sogar davon, dass wir ein Jahr warten mussten, bis wir diese tolle Künstlerin auf einer New Pop-Bühne präsentieren können. Die Bands in alphabetischer Reihenfolge:

SWR3 Musik (Bild: ©SWR)

  • Sigrid
  • Celeste
  • Dotan
  • Giant Rooks
  • Tom Gregory
  • Tom Grennan
  • Griff
  • Tate McRae
  • Zoe Wees
  • Wrabel

Weiter gibt es ein Zusatzkonzert am Sonntag im Festspielhaus mit Rag‘n‘Bone Man. Die Acts des Specials geben wir gesondert bekannt.

RADIOSZENE: Gibt es bereits Planungen für die Inhalte des „Specials“?

Gregor Friedel: Ja, die Acts fürs Special sind gebucht, die Kolleg:innen des SWR Fernsehens und der Produktionsfirma sitzen bereits an der Konzeptionierung der Sendung. Das alles geben wir, wie in jedes Jahr, gesondert etwas später bekannt.

RADIOSZENE: Im vergangenen Jahr sind praktisch alle relevanten Off-Air-Veranstaltungen deutscher Radiosender mit Publikum ausgefallen. In diesem Jahr, wie erwähnt, die allermeisten. Wie sehr schmerzt den Wellenchef diese Entwicklung?

Thomas Jung: Sehr, muss ich sagen. Gerade SWR3 ist einer der größten Veranstalter und Mitveranstalter im Südwesten. Wir haben zu normalen Zeiten bis zu 350 große und kleine Events in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Festivals, Konzerte, Touren, Parties und vieles mehr. Das sind in Spitzenzeiten bis zu 650.000 Direktkontakte. Dieser Pfeiler ist uns vorübergehend komplett weggebrochen. Das schmerzt sehr. Denn die Erlebbarkeit der Marke durch Events blieb während Corona auf der Strecke. Wir versuchten das durch ausgefallene Marketingmaßnahmen wett zu machen.

RADIOSZENE: Nun gehen Sie beherzt voran und lassen – neben New Pop – auch das “SWR3 Comedy Festival“ in Bad Dürkheim wieder vor Publikum über die Bühne gehen. Können Sie bereits die Reaktionen der Hörer einschätzen? Erwarten Sie wegen der Ansteckungsgefahr eher ängstliche Zurückhaltung oder Freude, dass es endlich wieder los geht?

Thomas Jung: Nun, die ersten Vorverkaufstage beim Comedyfestival stimmen uns sehr optimistisch. Die Menschen wollen raus und das Angebot wahrnehmen. Am ersten Tag wurden fast 25 Prozent der Tickets für Bad Dürkheim verkauft! Auch dort gibt es eine „Pandemie-Ausgabe“, auf zwei Tage reduziert und alle Auftritte Open Air. Im öffentlichen Raum wurde auch in Bad Dürkheim alles gestrichen: Live-Bühne, Ausschank, Verpflegung und so weiter entfällt in diesem Jahr.

SWR3-Live-Lyrix 2018 (Bild: SWR)
SWR3-Live-Lyrix 2018 (Bild: SWR)

RADIOSZENE: Sollte sich die Infektionslage bis zum September wieder verschärfen, haben Sie – außer der Komplettabsage – für diesen Fall einen Plan B oder Plan C in der Hinterhand?

Thomas Jung: Wir werden sehr flexibel reagieren müssen. Die Sicherheit der Menschen steht im Vordergrund. Die Bewerbungsfrist für die Tickets läuft bis Ende August, erst dann werden sie im September und damit kurz vor Veranstaltung den Fans zugeteilt. So können wir größer, kleiner oder ganz anders bauen. Aktualisierte Landesverordnungen berücksichtigen. Und wenn es ganz dumm läuft, das Event auch leider absagen.