Hans-Peter Stockinger hat Talente wie Anke Engelke gefördert und mit ihnen das Radio verändert. Was ihm als Programmchef von SWF3 wichtig war, vermisst er bei den heutigen Pop-Wellen.
Interview von David Denk und Stefan Fischer (Süddeutsche Zeitung)
Wenn Hans-Peter Stockinger sein Autoradio einschaltet, läuft SWR3 – aus alter Verbundenheit. Zwar ist Stockinger seit 1998 im Ruhestand, aber der Vorgängersender SWF3 ist sein Lebenswerk. Dafür wurde Stockinger – Markenzeichen: früher roter, heute weißer Rauschebart –2013 mit dem Deutschen Radiopreis geehrt, dessen Jury er auch zeitweise angehörte. Zur Begründung hieß es, er habe „den Prototyp einer gleichwohl unterhaltungsorientierten, aber ebenso auch journalistisch ausgerichteten Radio-Welle geschaffen, an der sich in den folgenden Jahren sowohl öffentlich-rechtliche wie private Veranstalter orientierten.“ An diesem Donnerstag wird in Hamburg wieder der Radiopreis verliehen.
SZ: Herr Stockinger, die Liste Ihrer Schüler, die Sie öffentlich als ihren Lehrmeister loben, ist lang: Anke Engelke, Elke Heidenreich, Claus Kleber, Frank Plasberg, Christine Westermann, Gero von Boehm, um nur einige zu nennen …
Hans-Peter Stockinger: … wobei die gegen den Begriff Schüler zu Recht etwas hätten, denn SWF3 war unser aller Projekt.
Aber irgendwas scheinen Sie richtig gemacht zu haben.
Aber eben nicht ich, sondern wir gemeinsam. Auch wenn ich als Programmchef in Streitfällen das letzte Wort hatte. Natürlich ist es schmeichelhaft, wenn Frank Plasberg heute noch sagt, ich säße ihm auf der Schulter, wenn er moderiert. Aber entscheidend ist, dass wir eine gemeinsame Vorstellung von öffentlich-rechtlichem Pop-Radio entwickelt haben, die sich deutlich abgegrenzt hat von reinen „Autofahrerwellen“ wie Bayern 3 oder HR 3. Dabei haben wir es uns nicht leicht gemacht – ich denen nicht und dir mir nicht, aber wir haben etwas geschaffen, an das sich die meisten Beteiligten heute noch gern erinnern. Leider treffen wir uns mittlerweile immer häufiger auf Beerdigungen.
Was wollten Sie damals anders machen?
Wir wollten ein intelligentes und trotzdem unterhaltsames Radio machen, für das wir uns nicht schämen mussten. Und diese fantastische neue Musik spielen. Im Sender haben wir uns damit nicht beliebt gemacht, aber das war uns egal: Wir waren eine Wagenburg. Heute treffe ich oft Radioleute, die sich von ihrem Programm distanzieren und darüber zu Zynikern geworden sind. Sie delegieren die Verantwortung für ein Programm, das sie nicht mögen, an irgendwelche Consultants, die kommerzielle wie öffentlich-rechtliche Anbieter mit denselben Rezepten abspeisen, und verstecken sich hinterm Publikum: Die Leute wollen das so. Unser Erfolgsrezept bei SWF3 war: Wir haben ein Programm gemacht, das uns selbst gefallen hat. Und wenn etwas daneben ging, haben wir uns das eingestanden und es beim nächsten Mal besser gemacht. Diese Lustnudeln von heute können sich doch selbst nicht gut finden.
Dieses Interview ist zuerst am 6. Oktober 2016 in der Süddeutschen Zeitung auf Seite 31 erschienen und ist hier in der kompletten Version zu lesen.