Interview mit Buchautorin Sandra Müller
Von Inge Seibel-Müller
„Viele Ideen im Kopf? Dann komm zum Radio.“ – so wirbt zur Zeit der Hamburger Lokalsender Oldie 95 per Plakat-Motiv um Praktikanten als Redakteure, Reporter und Moderatoren von morgen. Was hoffnungsvolle Nachwuchsredakteure in den ersten Wochen beim Radio erwartet, darüber gibt es jetzt ein wundervolles Einsteigerbuch. Geschrieben hat es Sandra Müller, die als freie Reporterin und Moderatorin beim Südwestrundfunk arbeitet. Ihre ganze Leidenschaft fürs Radio hat sie in ein 140 Seiten umfassendes Taschenbuch gesteckt, das in der Reihe „Wegweiser Journalismus“ des UVK-Verlags veröffentlicht wurde und den Namen „Radio machen“ trägt.
Das Buch richtet sich an Anfänger und erklärt anhand von vielen anschaulichen Beispielen, hilfreichen Tipps und praktischen Übungen, was eine Radioredaktion von einem Praktikanten oder Radiovolontär in den ersten Wochen erwartet. Wie wird eine Meldung radiogerecht umgeschrieben? Was muss ich bei einer Umfrage beachten? Wie wird Aufgenommenes bearbeitet? Das alles erklärt Sandra Müllers Buch. Aktuelles ergänzt sie auf ihrer eigens erstellten Website „radio-machen.de“. Dort hat sie Hörbeispiele hinterlegt, Übungen eingestellt und bespricht auf Wunsch eingereichte Texte, Aufnahmen und Sendungen quasi als persönlicher Coach. In ihrem Blog zur Website kommentiert die Mitbegründerin der Initiative „Fair Radio“ außerdem, was ihr Bemerkenswertes im Radio zu Ohren kommt.
„Ich bin mit Leib und Seele Hörfunkjournalistin“, sagt Sandra Müller, „das Radio kommt am nächsten an die Menschen heran. Es ist ein ganz privates Medium. Es begleitet die Menschen vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, fährt mit ihnen im Auto und ist einfach wie ein guter Freund.“
Mit ihren langjährigen Erfahrungen aus dem Radioalltag will Sandra Müller Radioeinsteigern helfen, typische Anfängerfehler zu vermeiden und ihnen Mut machen, Neues auszuprobieren. Wie es zu dem Buch kam, welche Schwierigkeiten es zu bewältigen gab, darüber haben wir uns mit der Autorin unterhalten.
Interview mit Sandra Müller, Autorin des Wegweisers „Radio machen“.
Sandra, wie schafft man es als erfahrener und leidenschaftlicher Radioprofi, sich noch einmal in die Nöte und Ängste von Praktikanten und Volontären zurückzuversetzen?
Sandra: Das war am Anfang gar nicht so einfach. Ich bin aber jemand, der gerne etwas erklärt. In unsere Redaktion kommen immer wieder Praktikanten der Universität. Da bekommt man viele Fragen gestellt und ein Gespür für das, was Anfängern nicht selbstverständlich ist. Das hat mir sehr geholfen beim Schreiben.
Was ist das besondere an Deinem Buch, nachdem es ja eigentlich schon genügend Literatur zum „Radio machen“ gibt, die Du selbst im Anhang zitierst?
Sandra: Mein Buch ist wirklich konsequent am „erste Schritte machen“ orientiert: Schreibe da mal eine Meldung, mache mal eine Umfrage – was kommt da auf mich zu? Natürlich gibt es Bücher, die noch umfassender und tiefgründiger informieren, was das Radiohandwerk ausmacht. Aber mit dicken Büchern sind Anfänger oft überfordert. Schüler, Studenten, Praktikanten, die zum ersten Mal in eine Radioredaktion kommen: Für die werden in dem Buch die ersten wichtigen Fragen geklärt.
Wie ist es Dir gelungen, das Buch auf wesentliche Punkte zu beschränken?
Sandra: Indem ich mir immer wieder den Satz gesagt habe: „Halt. Stopp. Du bist 20 Jahre alt und kommst zum ersten Mal in die Redaktion. Was beschäftigt dich in den ersten Tagen wirklich?“ Außerdem habe ich mir eine Testleserin gesucht, eine junge Schülerin, die kurz vor einem Radiopraktikum stand. Sie hat das Buch vor und auch noch einmal nach ihrem Praktikum gelesen und mir wertvolle Tipps gegeben.
Wie entstand eigentlich die Idee zu dem Buch?
Sandra: Ich habe einen Artikel für den deutschen Fachjournalistenverband geschrieben, über die von mir mitbegründete Initiative „Fair Radio“, die sich für ethische Grundsätze und mehr Glaubwürdigkeit im Hörfunk einsetzt. Auf diesen Artikel hin, hat mich der Verlag angesprochen, weil ihnen meine Schreibe gefallen hat, und ein Exposé angefordert. Schön, dass man mich gefragt hat, habe ich mir gedacht und den Brief erst einmal zur Seite gelegt. Ehrlich gesagt war es dann mein Mann, der mir den nötigen Anschub gegeben hat, das Projekt auch wirklich in Angriff zu nehmen.
Wie lange hast Du an dem Wegweiser geschrieben?
Sandra: Zwei Jahre. Eine ganze Zeit ist erst einmal vergangen, bis ich mutig genug war, eine solche Anleitung zu schreiben. Mutig deshalb, weil man vieles in der Praxis nicht immer einhalten kann. Man macht ja nicht nur Bilderbuchbeiträge. Nachher aber muss man sich selber an dem messen lassen, was man geschrieben hat. Das kostet Mut.
Dein Buch besticht durch viele praktische Beispiele…
Sandra: …und die sind authentisch. Ich habe sie selbst erlebt oder meine Kollegen, denn ich habe mit vielen von ihnen über die Inhalte des Buches gesprochen. Ich habe versucht, typische Situationen zu beschreiben, bei denen man als Anfänger erkennen kann, ja, genau darum geht es.
Welches Kapitel lag Dir am meisten am Herzen?
Sandra: Wie aus Texten und Tönen ein Beitrag wird. Ich bin ein großer Fan von Beiträgen, die ganz nah an den Menschen ran gehen, die echtes Leben einfangen. Ich habe viel Zeit auf die Beschreibung verwendet, wie man ein echtes Gespräch führt. Viele Gesprächspartner sind anfangs gehemmt. Sie erwarten einen Reporter, der ihnen Fragen stellt und versuchen wie bei einer Prüfung Antworten zu geben, die ja nicht falsch sein dürfen. Das klingt dann oft steril – eben abgefragt. Du darfst beim Aufnahmetermin nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Die meisten Interviewten brauchen eine Art Aufwärmtraining.
Was mich verwundert hat: In Deinem Buch ist nichts zu lesen von den Herausforderungen, die das Internet mit sich bringt, von Facebook, Twitter, oder Livebloggen.
Sandra: Ich denke, für einen Hospitanten ist es wichtig, dass er erst mal die journalistischen, klassischen Formen im Radio lernt. Weiterführende Fragen müssen andere klären. Es gibt einen Blog zum Buch – nicht ausgeschlossen, dass ich da mal erkläre, wie man Radio ins Internet verlängert.
Du forderst die Leser auf, individuelle Fragen an die Autorin zu schicken. Wie ernst ist es dir damit?
Sandra: Sehr ernst. Erste konkrete Antworten auf Fragen kannst Du schon auf meinem Blog radio-machen.de finden. Ganz konkrete Rückmeldungen. Das ist mir wichtig. Und im übrigen mein unbezahltes Privatvergnügen. Das liegt mir einfach am Herzen. Wie ich schon sagte: Ich erkläre gerne. Es gibt bei uns in Deutschland so viele Schüler-, Uni- und Bürgerradios. Aus diesem Segment schreiben mich besonders viele Leute an.
Auf unserem letzten Radioseminar für Hörfunkmacher in Tutzing, bei dem Du ja auch mitgewirkt hast, haben viele Radiokollegen ihre Unsicherheit gegenüber den neuen crossmedialen Ausbildungswegen geäußert. Sie fragen sich, ob die „Neuen“ am Ende Dinge beherrschen, von denen sie selbst wenig gelernt haben. Klingt da für Dich eine gewisse Angst vor dem Nachwuchs durch?
Sandra: Manchmal glaube ich schon, dass sich da Unsicherheit breit macht und ich kann das sogar verstehen. Die altgedienten Radiomacher haben noch Medium für Medium gelernt. Da hatte man seine Nische, in der war man gut und das hat gereicht. Jetzt müssen wir mit Smartphones Videos drehen und die, die nachkommen, können das schon alles. Mancher fühlt sich da überrollt von der neuen Generation, die ein anderes Selbstverständnis mitbringt. Aber ich sehe hier auch die Chance, sich anstecken zu lassen. Wir müssen über unseren eigenen Schatten springen, unbegründete Ängste überwinden und wieder mehr Neues ausprobieren.
Wer weitere Fragen hat, Tipps und Anregungen sucht, erreicht Sandra Müller direkt über die Email-Adresse ihres Blogs: sandra.mueller[at]radio-machen.de
Quelle: hörfunker.de