Radio-Köpfe: Patrick Lynen, der kreative Veränderer

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Er gehört zu den Kreativen im Mediengeschäft: Sich wandeln, verändern und ein Stück weit neu erfinden. Patrick Lynen (47) war Redakteur und Moderator bei vielen seinerzeit bedeutenden Radiostationen; arbeitete auch für das Fernsehen und im Online-Bereich. Typisch für die Medienbranche ist er in der Lebensmitte Unternehmer in eigener Sache.


Zum Interview traf er mit unserem Mitarbeiter Hendrik Leuker in einem Kölner Hotel zusammen.

Vom Radiofieber gepackt

Patrick Lynen bei RTL Studio 8 in der Villa Louvigny (Foto: Axel Costard)
Patrick Lynen bei RTL Studio 8 in der Villa Louvigny (Foto: Axel Costard)

Patrick Lynen stammt aus Würselen im Kreis Aachen, mithin aus dem Dreiländereck, in welchem Deutschland an die Niederlande und Belgien grenzt. Schon in seiner Jugend war ein fleißiger Radiohörer, der früh vom Radiofieber gepackt wurde. Sein erklärter Lieblingssender war „Hilversum 3“ (heute „Radio 3“) der NOS (Nederlandse Omroep Stichting), vor allem dann, wenn Radio Veronica dort stundenweise zu hören war. Radio Veronica war zuerst ein Seesender in internationalen Gewässern, dann in das öffentlich-rechtliche System eingegliedert und firmiert heute als eigenständiger Privatsender. Die Ansprache der Hörer faszinierte den Teenager neben der Musik bei Veronica op Hilversum 3.

Eines Tages hatte sein Schulfreund Volker einen Sender empfangen, den er nicht einordnen konnte. Es war ein deutschsprachiger Piratensender aus Belgien, das – später legalisierte- Radio Aktivität aus Raeren in Ostbelgien.  Lynen nahm über eine im Programm genannte Telefonnummer Kontakt zu dem Sender auf, der seinem Freund und ihm so ungewöhnlich vorkam. Anfang der Achtziger Jahre fuhren seine Eltern und er auf Einladung des Senders zum Studio in Raeren. Bald darauf bekam Lynen eigene Sendungen am Wochenende. „Die haben gemerkt, der Typ ist auch infiziert“, erklärt sich Lynen sein schnelles Engagement. Noch vor seinem Abitur, das für ihn eher Nebensache war, wechselte er zu Radio Benelux, zum Sender von Patrick Bodarwe aus dem Baraque Michel (Michelshütte), jenem Restaurant, unter dessen Dachboden eine Radioausrüstung mit Richtantennen stand. Es handelte sich dabei um einen exponierten Standort im Hohen Venn auf ostbelgischer Seite, von dem man weit nach Nordrhein-Westfalen einstrahlen konnte. Radio Benelux nutzte ihn von 1981 bis 1984. Lynen moderierte dort und wurde somit Teil eines Senders, der bei seinen zumeist deutschen Hörern Kultstatus erlangte. Nach einem kurzen Abstecher ab August 1987 zu einem der ersten Privatsender in Baden-Württemberg, Radio Telstar Offenburg (RTO), der sich beim Personal bei den ostbelgischen Piratensendern bediente, zog es Lynen ins Großherzogtum Luxemburg.

Radio Luxemburg als Sprungbrett

Professioneller als die vorgenannten ostbelgischen Piratensender klang in den Ohren von Lynen Radio Luxemburg, das er auch schon eifrig zu Hause in Würselen gehört hatte. 1987 fasste er den Entschluss, nachdem er die ersten Schritte beim Radio absolviert hatte, ein Demo-Tape (Kassette) nach Luxemburg zu schicken mit einem Mitschnitt seines Könnens, nachdem dort Nachwuchskräfte gesucht wurden. Nach einigen Wochen überraschte ihn seine Mutter mit den Worten „Jochen Pützenbacher hat angerufen!“. Er lud ihn zum Casting nach Luxemburg ein. Dieses bestand in einer Mikrofonprobe; zudem hatte Lynen simulierte Pannensituationen zu meistern: „Pützenbacher war der Meinung, wer Pannen am Mikrofon meistern kann, kann auch alles andere.“, erinnert sich Lynen. Er bestand und wurde Moderator bei den vier fröhlichen Wellen. Hartnäckig geht das Gerücht in Fachkreisen um, Lynen hätte auf sein Demo-Tape den Satz „Nehmt mich, ich bin sowieso der Beste!“ gesprochen. „So wild habe ich es wohl nicht formuliert. Doch sicher selbstbewusst präsentiert.“, entgegnet Lynen. Überprüfen kann man es nicht mehr, da dieses Demo-Tape nicht mehr existiert…

Patrick Lynen (r.) bei Radio Luxemburg in der Villa Louvigny
Patrick Lynen (r.) bei Radio Luxemburg in der Villa Louvigny

Zu hören war Lynen im Programm von Radio Luxemburg (RTL) abends und am Wochenende: In der werktäglichen Abendschiene moderierte er „19-24“, eine Jugendsendung benannt nach deren Sendezeit, im Wechsel mit Doris Soler und Inez Lang. „Einige der von mir moderierten Ausgaben habe ich zu Hause in Würselen im eigenen Studio aufgenommen; nach meiner Erinnerung musste ich drei Stunden gestalten; in den letzten beiden Stunden lief Nonstop-Musik vom Band.“, fügt Lynen hinzu. Wenn er Freitagabend live sendete, übernachtete er oft im Studio, um am Samstag „Guten Morgen, Deutschland“ (5.30 -9 Uhr) oder die Reisesendung „Ein Tag wie kein anderer“ (9 -11 Uhr) zu moderieren. Letztere war eine anspruchsvolle Sendung. Lynen musste im Vorfeld viel organisieren; mit Reiseveranstaltern, Tourismuszentralen und Hörern telefonieren und den genauen Ablauf der Sendungen erstellen. – Mit dem Alleinstellungsmerkmal für Radio Luxemburg, eine leichte, fröhliche und nicht belehrende Welle zu sein, war es ab 1986 nicht mehr so weit her wie zuvor: „ Ich bin in einer Zeit zu Radio Luxemburg gekommen als die Veranstalter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dabei waren, es so langsam auch endlich mal hin zu kriegen. Es gab somit zu dem Zeitpunkt schon einige Sender mehr, die sich eine gewisse Leichtigkeit angeeignet hatten wie z.B. SWF 3 oder hr 3. Dennoch war es ein total spannendes Ding, dort zu arbeiten. Die Atmosphäre dort war gleichzeitig professionell wie vertrauensvoll“, ist Lynen für die seinerzeitige Erfahrung dankbar. Überhaupt habe es damals, Ende der Achtziger Jahre, noch nicht den Quotendruck gegeben, der heute in vielen Funkhäusern vorherrsche.

Moderation beim Kultsender

Der SWF3-Schwarzwaldelch in den 80ern
Der SWF3-Schwarzwaldelch in den 80ern

1990 ging Lynen mit 23 Jahren zu SWF 3 nach Baden-Baden. In diesem Jahr fand bei Radio Luxemburg, das zu RTL RADIO mutierte, eine Umformatierung statt. „Die Inhalte dort waren nicht mehr das, was ich wollte. Ich wollte einen Sender mit Inhalten und ein bisschen mehr Köpfchen.“  Im Programm von SWF 3 moderierte Lynen die Traditionssendung „Pop Shop“ (18.05 bis 21 Uhr),  die Mittagssendung „Musikbox“ (13.05 bis 15 Uhr) sowie „Popfit“ am frühen Morgen  (4.05 bis 6 Uhr) und „Lollipop“ in der Nacht (0.05 bis 4 Uhr; ab 1995 bis 5 Uhr). Die Moderatoren dort hatten ein klar definiertes Spielfeld: „Die einzelnen Sendungen habe ich sehr individuell wahrgenommen. Ohnehin habe ich mir nur die Sender ausgesucht, die mir große Freiheiten geboten haben“, hebt Lynen hervor. SWF 3 galt seinerzeit, angefangen in den Siebziger Jahren bis 1998, als Kultsender unter hochprofessioneller Leitung von Hans Peter Stockinger (heute 75) mit besonderen Leuten, besonderen Ideen und besonderer Musikfarbe. So hat ihn auch Lynen erlebt. „Heute ist SWR 3 ein Sender, der höchst professionell, aber auch sehr auf Reichweite bedacht und daher stark kommerzialisiert ist.“ Konsequenterweise verließ Lynen kurz nach Umbenennung des Programms von SWF 3 in SWR 3 im Sommer 1998 den Sender.  Er ist der übrigens einzige Moderator, der im laufenden Sendebetrieb den Hauptschalter von SWF 3 ausschaltete. Anschließend trat eine Sendepause von etwas mehr als 30 Sekunden ein, bevor  die Technik den Betrieb wieder hochfahren konnte. „ Ich wollte ausprobieren, ob es wirklich ausgeht. In dem Moment war Feierabend.“, erinnert sich Lynen. Seine Vorgesetzten fanden die Aktion dennoch lustig und haben ihm verziehen. Ende 1998 wechselte Lynen von SWR 3 zu hr 3. Er moderierte die damals neue Morgensendung „Pop und Weck“, die sich seit 1997 im Programm von hr3 befindet. Auch war Lynen am Abend und in der Nacht dort zeitweise zu hören. Warum gelang hr 3 eigentlich nicht, was SWF 3 gelungen ist, nämlich ein Kultsender zu sein?

Lynen ist der Ansicht, dass hr 3 ein kreativer Kopf und eine im positiven Sinn extreme Persönlichkeit an der Spitze wie der (einzige) Programmdirektor von SWF 3, Hans Peter Stockinger, hierzu gefehlt habe. Das Programm von hr 3 habe ganz gut, ganz nett geklungen, mehr aber auch nicht. Dies war auch für Lynen eine Umstellung: „Im Nachhinein sage ich, dass man merkte, hier ist etwas noch nicht zu Ende gedacht.“ 2001 endete für Lynen das Kapitel hr 3.

Ab diesem Zeitpunkt stellte  sich Lynen breiter auf. Er arbeitete für das Fernsehen. So war er bei RTL Television und  bei Harald Schmidts Fernsehproduktionsfirma Brainpool. Er wurde die Off-Stimme (Stimme im Hintergrund) im Opener (Eröffnungsakt) der „Harald Schmidt-Show“ (Sat 1). Ein Satz zu Harald Schmidt: “Wir hatten jetzt nicht den engsten Draht zueinander. Es ist halt der große Harald Schmidt. Wir kennen und schätzen uns, haben jeweils eine professionelle Sicht auf den anderen.“

Er war zudem im Online-Bereich tätig und arbeitete als Abteilungsleiter Content Development bei RTL Interactive, betreute u.a. die erste Staffel von ‚DSDS‘ mit.

Lynen-hr1Im Jahr 2008 kehrte er zum Hessischen Rundfunk (hr) zurück. Von 2008 bis 2011 moderierte er die Morgensendung  „hr 1-Start“ im Duett mit Marion Kuchenny.  Für die wichtigsten Eigenschaften eines Morgenmoderators hält Lynen Ausdauer und Stabilität. Obwohl er mit Moderationspartnerin Kuchenny und dem Konzept der Sendung, das auch längere Wortbeiträge zuließ, gut zufrieden war, kehrte er hr 1 im Frühjahr 2011 den Rücken: Er war mit dem Kommunikationsstil des damals neu ernannten Moderationschef bei hr1 nicht einverstanden. „Da gab es auch mal Feedbacks unter die Gürtellinie. Das wollte ich nicht länger mitmachen.“

Mag Lynen nun eigentlich Fernsehen, Radio oder online lieber? „Mache immer das gerne, was mir gerade Spaß macht und Innovation bietet. Egal ob Radio, Fernsehen oder Internet“, zeigt er sich nach allen Seiten offen. Inzwischen möchte man hinzufügen, nachdem Patrick Lynen früher von sich sagte, er sei nur für das Radiomachen geboren…

Vom Moderator zum Coach

Patrick Lynen (Bild: hr1)
Patrick Lynen (Bild: hr1)

Lynen, der sich auf seiner Website selbst als „Meister des Wandels“ bezeichnet, ist seit 2011 in erster Linie nicht mehr Moderator, sondern Coach. Bereits im Jahr 2000 machte er sich mit der Lynen Media GmbH selbständig. Als Coach hält er Vorträge und gibt Seminare. Diese haben Impulse für mehr Lebensfreude, Veränderungsprozesse und Persönlichkeitsentwicklung zum Gegenstand. Er bemüht sich dabei, gleichzeitig kompetent, lebendig und locker rüberzukommen. Wie sieht Lynens Tätigkeit aus? „Zum Beispiel beschäftige ich mich mit dem Medientraining von Moderatoren und Redakteuren, leiste Beratungsarbeit bei einem Wellen-Relaunch (Neuaufstellung eines Radioprogramms), unterrichte an der ARD-ZDF-Medienakademie und bin als Berater in fast allen öffentlich-rechtlichen Funkhäusern  unterwegs.“, gibt Lynen einen kurzen Einblick in sein aktuelles Aufgabenfeld. Auf seiner Website  finden sich neben deutschen Radio- und TV-Sendern, der Deutschen Telekom, der IHK und Audi auch Sender aus Tschechien (Frekvence 1, Evropa 2) und Belgien (BRF), die zu seinen Kunden zähl(t)en.

How to get Gelassenheit

Cover: How to get Gelassenheit - Patrick Lynen„Ich habe mich im Leben immer verändert. Veränderung- das Wort nehme ich ein wenig für mich in Anspruch.“, bekräftigt Lynen. „Alles verändert sich-immer. Jeden Tag, in jeder Sekunde.“ In seinem Buch How to get Gelassenheit (ISBN-13: 978-3867282727, KOHA-Verlag- Preis: 14,95 EUR) beschreibt Lynen, wie man bei sich selbst mit Veränderung anfängt, im Kleinen, ohne große Investitionen in Zeit und Geld, um wieder mehr Lebensfreude dabei zu erhalten. Und dies ist nur eine von über 100 unterschiedlichen Gelassenheits-Aspekten in seinem Buch. Es ist leicht lesbar geschrieben und enthält viele Illustrationen von Reiner Bergmann zum Schmunzeln. Und – das Buch ist authentisch. Das spürt auch der geneigte Leser: „Habe immer Sachen gemacht, auf die ich Bock hatte. War trotzdem aber zu viel. Musste mich daher immer wieder verändern, um die Freude im Leben zu behalten“, so Lynen. Zum Buch gehört auch ein eigener Radiosender im Internet abrufbar unter www.dascoachingradio.com. „Das ist ein bisschen mein Hobby“, merkt Lynen an. Neben  Musik zur Entspannung  sind Texte zum Nachdenken enthalten gesprochen von Patrick Lynen, Gregor König und der Schauspielerin Dorothee Krüger. Eben Musik, die berührt und Gedanken, die bewegen. So auch der  Claim des Senders. 

Ist das Radio noch zu retten?

Patrick Lynen (Bild @Lynen)
Patrick Lynen (Bild @Lynen)

Ein Zitat von Patrick Lynen lautet: „ Die Zukunft des Radios liegt in der Vergangenheit.“ Die Stärken des Medium Radio sieht Lynen darin, Geschichten zu erzählen und Kontakt zu den Menschen aufzubauen. Radio Luxemburg sei auch deswegen so erfolgreich gewesen, meint Lynen. Das heutige Radio müsse wieder Echtheit und Zwischenmenschlichkeit etablieren. So sei Radio gegenwärtig ein „kränkelndes Kind“. Das sehe man daran, dass die jungen Zielgruppen wegbrechen. Leicht resignierend stellt Lynen fest: „Habe mir abgewöhnt, daran zu denken, wohin die Gattung Radio insgesamt geht.“ Die individuelle Mediennutzung und Interaktionsstärke des Internets setze der linearen Nutzung (Hören und Sehen im Moment der Ausstrahlung) sicher noch weiter und massiv zu.

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Die Runde Ecke

U.a. in Kooperation mit dem WDR Fernsehen planen Patrick Lynen und sein Team aus erfahrenen Radiomachern und Veranstaltungsprofis (Ralph Günther, Daniel Ebert, Patrick Neumann, Matthias Pflugradt) das Storytelling-Projekt “Die runde Ecke”, eine Veranstaltung, bei der Menschen wie Du und ich ihre Geschichte vor Publikum erzählen – live und ohne Manuskript. Die ersten ‚Runde Ecke’-Veranstaltungen in Berlin, Koblenz, Köln, Kassel sind bereits geplant, teils sogar ausverkauft. Das Projekt ist bereits seit einiger Zeit online: www.die-runde-ecke.com

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Die Sendetermine der TV-Show „Die Runde Ecke“ im WDR stehen nun schon fest:

  • 25.08. um 23.00 Uhr
  • 29.08. um 23.00 Uhr
  • 30.08. um 22.45 Uhr
  • 04.09. um 23.00 Uhr
  • 06.09. um 22.00 Uhr

Hobbys

Als Hobbys gibt Lynen seine Familie (verheiratet; 3 Kinder), seinen Mischlingshund Ella und seine Musiksammlung an. Seine CD-Sammlung, etwa 60 000 Titel, habe er inzwischen digitalisiert. Auch Schreiben bezeichnet Lynen als sein Hobby. Beim Schreiben habe er das Gefühl der „Auflösung von Zeit“. Er spüre einen Flow (besonders emotionales Erleben bei einer Tätigkeit) in sich wie früher beim Radiomachen.

Interview bei Markus Langemann auf 95,5 Charivari

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Nachtrag: Ab dem 1. Juni Patrick Lynen wöchentlich als Radiocoach auf BRF1 und BRF2 zu hören.

 

Hendrik Leuker ist Redakteur des RADIO KURIER. Dieser Artikel erscheint voraussichtlich in der August-Ausgabe des RADIO KURIER und vorab auf RADIOSZENE.

Kontakt

Lynen Media GmbH
Schumannstr.27
60325 Frankfurt/Main
Email: patricklynen@aol.com