Journalistin Ewa Wanat (61) ist verstorben

Ewa Wanat (61), die langjährige Chefredakteurin des ersten polnischen Informationsradio TOK FM, sowie Feuilletonistin für WDR Cosmo und Autorin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, verstarb am Mittwoch (13.12.) in Berlin-Henningsdorf in Folge ihre Krebserkrankung.

Ewa Wanat (Bild: © Tok FM)
Ewa Wanat (Bild: © Tok FM)

Deutschland war ihre Wahlheimat, in ihrem Buch „Deutsche nasz Reportaze berlinskie“ erklärt Wanat, polnischen Migranten und ihren Landsleuten, wie Deutschland tickt. Sie entwarf in ihrem Buch ein realistisches Bild Deutschlands, ein ganz anderes als viele polnische staatliche Medien und rechte Presse unter dem Einfluss der Recht und Gerechtigkeit Partei (PiS) vermitteln vermochten.

In Deutschland war Ewa Wanat beim RBB Fernsehen mit Themen die Deutschland und Polen betrafen in der Sendung „Kowalski & Schmidt“ zu sehen. Wanat studierte Philologie an der Adam Mickiewicz Universität in Posen und Deutsch als Fremdsprache und Theaterwissenschaft an der Ludwig-Maximilians Universität München. Nach dem Fall der Mauer kehrte sie zurück nach Polen, schrieb zuerst Theaterrezensionen für Gazeta Wyborcza und arbeitete als Journalistin bei Radio „S“. Im Jahr 1994 begann ihre Karriere beim polnischen Fernsehen TVP. Parallel dazu arbeitete sie beim privaten Regionalsender WTK in Posen und später als freie Autorin.

Ewa Wanat – Chefredakteurin bei Radio TOK FM

Radio TOK FM

Berühmt wurde Ewa Wanat als Chefredakteurin von Radio TOK FM. Das erste polnische Nachrichtenradio gehört zur Tageszeitung Gazeta Wyborcza und der Zeitschrift Polityka. Sie baute den Sender vom Talk-Radio mit hoher Hörerbeteiligung zum meinungsstarken überregionalen Radio mit Experten, Publizisten und Politikern als Interviewpartnern um. Nach fast 10 Jahren verließ sie den Sender nicht ganz freiwillig, doch ihre Reformen prägen das Programm bis heute.

„Sie verstarb viel zu früh,“ schrieb ihre Nachfolgerin Kamila Ceran auf X. Adam Bodnar, frischvereidigter Justizminister, erinnerte heute als Gast der Morgensendung an seine Begegnungen mit Wanat bei TOK FM und sprach Beileid aus.

„Sie war diejenige, die dieses Radio aufgebaut hat. Ewa wollte keine schnulzigen Abschiede, sie hatte eine starke Persönlichkeit, sie gab nicht auf und war eine anspruchsvolle Chefin, aber sie war auch ein Schutzschild und stützte uns. Ich schulde ihr viel“, schrieb Dominika Wielowieyska, die montags die Morgensendung und samstags eine politische Talkshow bei TOK FM moderiert.

„Ewa Wanat, eine herausragende und wundervolle Journalistin. Eine Verfechterin der Menschenrechte, eine Verbündete von LGBT+-Menschen, ist tot. Vielen Dank für alles!“ (Krzysztf Śmiszek, stellvertretender Justizminister)

Während ihrer Arbeit bei Radio TOK FM moderierte Wanat gemeinsam mit dem Sexualwissenschafter Andrzej Depko die Sendung „Liebe lange und gesund.“ Sie veröffentlichten gemeinsam Bücher zur Sendung u.a. „Begierde – normale Gespräche über perversen Sex“. Ihre Meinung erfuhren Hörer in der Sendereihe „Subiektyw“.
Zur ihre Wirkzeit wurde TOK FM vom Fachmagazin Media&Marketing als Sender des Jahres ausgezeichent. Sie wurde dreimal für den prestigeträchtigen Dariusz Fikus Preis für gesellschaftlich bedeutsamen Publikationen nominiert.

Im Jahr 2010 erhielt sie den Hyacinth Award 2010 der Stiftung für Gleichstellung „für einen offenen, mutigen Journalismus, voller Offenheit für gesellschaftliche Probleme.“ Die Wochenzeitung Wprost listet sie im November 2011 unter den 100 einflussreichsten Polen auf. Präsident Bronisław Komorowski zeichnete Wanat 2013 mit dem Goldenen Verdienstkreuz für ihren Beitrag zur Entwicklung freier Medien in Polen aus. Zu damaligen Zeitpunkt war Wanat Programmdirektorin und Chefredakteurin des öffentlich-rechtlichen polnischen Radios RDC.

Im September 2015 wurde sie bei RDC rechtswidrig entlassen, urteilte das Arbeitsgericht im Februar 2016. Ihre Berichte über die katholische Kirche fand die Institution zu kritisch und übte Einfluss aus.

Ewa Wanat – Kommentatorin bei WDR Cosmo

In Deutschland wurde sie ausgezeichnet mit dem MANEO & Tolerantia-Award für Engagement für demokratische Prinzipien wie Gleichberechtigung, Solidarität, gesellschaftliche Vielfalt und Toleranz. Für Ihr Buch über Deutschland wurde sie mit dem Beata Pawlak Preis ausgezeichnet, für Texte in polnischer Sprache die sich mit anderen Religionen, Kulturen und Zivilisationen befassen. Von Berlin aus schrieb sie Texte für polnische Tageszeitungen und Wochenmagazine, beim WDR Cosmo kommentierte sie Ereignisse in Polen und Deutschland für die polnische Redaktion. Beim Deutsch-Polnisches Literaturforum UNRAST arbeitet sie in Berlin als Programmkoordinatorin.

Wanat hoffte vergebens zu ihren Lebzeiten Gleichberechtigung in Polen erleben zu können. In ihrem neusten Buch „Fickt die Scham. Die Geschichte der sexuellen Revolution“ zeigt sie wie die sexuellen Revolution 1968 die westlichen Gesellschaften veränderte und Polen hinter dem Eisernen Vorhang moralisch rückständig blieb. Daraus resultiert die mangelnde Akzeptanz für LGBT+-Personen, die Zurückhaltung bei der Anerkennung der reproduktiven Rechte von Frauen, die Stigmatisierung von Menschen ohne Nachkommen und Kindern aus künstlicher Befruchtung. In Polen, wo die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe noch in weiter Ferne liegt und ein fast vollständiges Abtreibungsverbot herrscht, ist der Slogan: „Mein Körper – meine Wahl“ nur ein Postulat.

Sie glaubte nicht ganz an den Tod. Sie kämpfte – wie ihr ganzes Leben lang. Sie war rebellisch und stur, schlug ihren Kopf gegen die Wand und zerschmetterte sie manchmal. Diesmal war die Mauer unüberwundbar, schreibt Ewa Siedlecka in ihrem Blog bei Polityka. Wanat führte ein intensives Leben, im Sommer wurde bei Ihr Krebs attestiert, an ihren Tod glaubte sie trotzdem nicht.

„Ich glaube, sie ist gerade in eine Parallelwelt eingedrungen – und sorgt dort für Aufsehen,“ schrieb Siedlecka.

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