Die Hits der 1980er-Jahre sind, um es verkürzt auszudrücken, beim Musikkonsum für einen Großteil der deutschen Bevölkerung unverzichtbar. Die Nutzung bleibt via Radio, Fernsehen, Tonträgern, Streaming oder Livekonsum generationsübergreifend ungebrochen hoch. Die Gründe für den anhaltenden Boom sind vielfältig. Vielleicht war es auch die letzte Dekade in der es die Musikwirtschaft verstanden hat, KünstlerInnen mit dauerhafter und kreativer Strahlkraft zu etablieren. MusikerInnen, ausgestattet mit einem feinen Gespür für Zeitgeist und neue Trends, die (beispielsweise) einfach mal so – über Nacht – eine „neue Welle“ in deutscher Sprache lostraten. Oder mit dem Synthesizer die Popmusik aufmischten.
Mediale Treiber für den damaligen Erfolg waren – neben kultigen TV-Musikshows wie „Bananas“, „Formel Eins“ oder „Ronnys Popshow“ – auch die Radiosender, die in diesen Jahren (noch ganz ohne Musik- oder Trendforschung) die neuen Künstler und Trends mit ausgiebiger Luftunterstützung begleiteten.
Ohne Zweifel sind die 80er-Hits bei den masse-attraktiven Hörfunkprogrammen auch heute noch ein gewichtiges musikalisches Rückgrat. Namentlich bei zahlreichen ARD-Landeswellen bilden die großen Hits dieser Dekade die wichtigste Musiksäule. Im privaten Radiomarkt stehen diese Songs ebenfalls weiter hoch im Kurs: das digitale Programm 80s80s aus dem Hause Regiocast widmet sich sogar ausschließlich den Songs und Geschichten aus den 1980er-Jahren. Weiter bedienen Sender wie NRJ Nostalgíe, Hamburg Zwei sowie eine ganze Armada an einschlägigen 80er-Musikspartenkanälen im Internet die latent hohe Nachfrage seitens interessierter Hörer.
In Hessen wurde gerade das vormalige radio harmony.fm von der FFH MEDIENGRUPPE in 80er-Radio harmony umbenannt. Seit 2020 spielt der Sender bereits ausschließlich Songs der 80er-Jahre (RADIOSZENE berichtete).
RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich sprach mit Marko Eichmann, Programmchef von planet radio und 80er-Radio harmony, über Neufirmierung, Programminhalte und die generelle Bedeutung der Hits dieser Dekade.
RADIOSZENE: Im vergangenen Jahr haben Sie das FFH MEDIENGRUPPE-Angebot „harmony.fm“ in 80er-Radio harmony überführt. Der Sender reiht sich damit auch sichtbar ein in ein wachsendes Portfolio von 80er-Radios. Geraten Sie damit nicht in einen noch stärkeren Wettbewerb mit Sendern wie 80s80s Radio oder Nostalgie?
Marko Eichmann: Einen starken Wettbewerb sind wir gewohnt und scheuen ihn in keinster Weise. Wir sind überzeugt von unserem Produkt: Ein live produziertes 80er-Radio, das zuverlässig die starken Songs dieser musikalisch so hochwertigen Dekade präsentiert.
„Die 80er begeistern auch heute noch viele Generationen, weil diese Ära geprägt ist von tanzbaren Rhythmen, eingängigen Melodien und starken Basslinien“
RADIOSZENE: Was macht die Strahlkraft der Hits dieser Zeit für die Menschen so einzigartig?
Marko Eichmann: Die 80er begeistern auch heute noch viele Generationen, weil diese Ära geprägt ist von tanzbaren Rhythmen, eingängigen Melodien und starken Basslinien. Wir alle haben außerdem sofort Bilder im Kopf und das ist ja gerade beim Radio besonders wichtig. Zu gerne erinnern wir uns an extravagante Modetrends und das Aufkommen von Musikvideos, die die visuelle Ästhetik und die Performance der Künstler hervorhob. Auch wer die 80er nicht live erlebt hat – und das sehen wir insbesondere in der jungen Zielgruppe – den begeistert gerade diese einmalige Kombination aus „Sound, Fashion und Style“.
RADIOSZENE: Verfügen die 80er-Hits unter allen Musikdekaden damit über den größten Mehrwert für das Radio?
Marko Eichmann: Davon bin ich fest überzeugt. In den 80ern entstanden wegweisende und neue MusikStyles, die bis heute inspirieren und nachwirken. Der Einsatz des Synthesizers, der Beginn der elektronischen Musik, die Popularität von Pop- und New-Wave-Sound sowie der Einfluss von Rock- Funk und HipHop. Welch ein fantastisches Feuerwerk an Genres.
RADIOSZENE: Wie viele Titel finden sich in Ihrem Musikpool um keine Langeweile aufkommen zu lassen?
Marko Eichmann: Ohne jetzt zu technisch werden zu wollen. Unsere Musikformel würdigt selbstverständlich die großen Künstler der 80er. Es braucht verlässlich die beliebten Pop-Hits von zum Beispiel Madonna oder Whitney Houston. Wir kombinieren hier gerne mit bekannten Songs, die beim Hören dieses „Ach, wie cool ist das denn! Ewig nicht mehr gehört“-Gefühl auslöst. Zu spitz werden wir da aber nicht: Harte Gitarrenriffs oder monotone Elektro-Beats klammern wir bewusst aus.
RADIOSZENE: Wie grenzt sich 80er-Radio harmony von oben genannten Mitbewerbern – aber auch Angeboten wie hr1 ab, das ebenfalls einen dominanten 80er-Anteil beinhaltet?
Marko Eichmann: Wer in Hessen die 80er liebt, für den ist unser Format die beste Wahl. Ed Sheeran, Adele & Co hört man überall anders schon in Dauerschleife. Wir sind das einzige Programm aus Hessen, das keine aktuellen Songs spielt und punkten schon alleine deshalb mit diesem Alleinstellungsmerkmal.
RADIOSZENE: Über welche Wege binden Sie Persönlichkeiten und Zeitgeist der 1980erJahre redaktionell ins Programm ein? Welchen Stellenwert räumen Sie der Musik und dem Lifestyle der 80er ein?
Marko Eichmann: Prominente Persönlichkeiten der 80er vorgefertigte Texte vorlesen zu lassen und die dann aus der Konserve abzuspielen, werden Hörerinnen und Hörer zu Recht schnell als statisch und wenig authentisch entlarven. Unser on air-Team feiert dieses großartige Jahrzehnt lieber spielerisch mit Leichtigkeit und Emotionen. Zum Muttertag haben wir zum Beispiel unsere Hörerinnen nach Fotos von damals gefragt: Wo sind die coolen „80er-Muttis“? Die Resonanz war enorm und wir konnten gemeinsam mit unseren Usern online und in Social Media in Erinnerungen schwelgen und über äußerst auffällige Outfits und Frisuren lachen. Wie schön auch zu sehen, mit welcher Offenheit und Selbstironie unsere Hörerinnen und Hörer sich hier aktiv als 80er-Community beteiligen.
RADIOSZENE: Welche Zielgruppe erreichen Sie mit Ihrem derzeitigen Konzept? Die ma Reichweiten für Ihr Programm sind über die Jahre ja kontinuierlich gestiegen …
Marko Eichmann: Und das freut uns besonders. Mit harmony feiern wir dieses Jahr 20. Geburtstag. Besonders in den letzten Jahren sehen wir eine äußerst positive Entwicklung der Reichweite. Auch schön zu sehen: Das 80er-Radio harmony wird auch außerhalb des Kernmarktes in Hessen immer öfter eingeschaltet. Unsere Hörerinnen und Hörer bundesweit nutzen unsere App oder streamen uns über ihre Smartspeaker.
„Es lohnt sich immer in die Vergangenheit zu blicken, wenn man innovativ die Zukunft beschreiten will“
RADIOSZENE: Bei der Suche auf der Webseite nach einem Sendeplan findet sich keine Übersicht im herkömmlichen Sinne … verzichten Sie hier bewusst auf die branchenüblichen Programmabläufe?
Marko Eichmann: Es ist völlig illusorisch, dass Hörerinnen und Hörer sagen „Oh – in 5 Minuten beginnt die tolle Vormittagssendung. Da muss ich schnell einschalten“. Unsere User entscheiden, wie sie uns in ihr Leben integrieren. Wir sind deshalb als Tagesbegleiter permanent gefordert, ein unterhaltsames Programm in gleicher Qualität zu gestalten. Genau deshalb haben wir uns schon lange von starren Abläufen und „Sendeplatz-Denken“ verabschiedet. harmony soll als Ganzes und nicht gestückelt in einzelnen Sendungen funktionieren.
RADIOSZENE: Welche weiteren Inhalte, jenseits der Musik, stecken in 80er-radio harmony?
Marko Eichmann: Nachrichten und Service-Informationen gehören für uns zum guten Ton. Inhaltlich überlassen wir es ansonsten gerne anderen den Beginn der Grillsaison oder den Aufstieg der Lieblingsfußballmannschaft zu feiern. Wir fokussieren uns lieber auf die facettenreiche, musikalische Welt der 80er, deren Spirit wir unterhaltsam ins Jahr 2023 integrieren. Das gelingt unseren authentischen Moderatoren mit unterhaltsamen Aktionen auf Augenhöhe oder charmanten „Flashback“-Erinnerungen an die gute Zeit.
RADIOSZENE: Wie nahe sind Liveprogramm und Ihr digitale Angebote inzwischen vernetzt?
Marko Eichmann: Linear und On Demand verschmelzen bei uns immer mehr. Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir als wichtiger Teil der FFH MEDIENGRUPPE auf alle neuen Entwicklungen und Technologien unseres Hauses zugreifen können. So bieten wir in unserer neu gestalteten App mittlerweile zu allen großen 80er-Stars ein eigenes Künstler-Radio an, das sich ausschließlich dem Repertoire des jeweiligen Artists widmet. Die App empfiehlt den Usern auf Basis ihres Musikgeschmacks weitere Channels aus unserem Haus. Beliebte Shows aus unserem linearen Abend-Programm wie „Feelings“ und „Kultnight“ haben wir zu eigenen 24h-Streams ausgebaut. Hier entwickeln wir auch gerne weitere Spin-Offs: So gibt es die „Kultnight“ online wahlweise auch mit mehr 70er oder 90er – Flavour.
RADIOSZENE: Die Sounds und Künstler der 80er sind im Radio omnipräsent wie kaum eine andere Dekade. Hat Ihre Marktforschung noch immer keine Sättigung innerhalb der Hörerschaft ausgemacht?
Marko Eichmann: Keine Sorge, wir sehen noch lange kein Ende der Begeisterung für die 80er. Warum sollten die großen Hits von Phil Collins oder Tina Turner auch plötzlich an Passion verlieren? Falls dieser Tag aber doch einmal kommen sollte, haben wir bereits vorgesorgt. Als Stream bieten wir schon jetzt mit „harmony +70er“ und „harmony +90er“ ein passendes Angebot. Hier tauschen wir im Live-Programm bestimmte Songs aus, um so eine Prise mehr Abba oder Take That in den Mix zu integrieren.
RADIOSZENE: Radio feiert in diesem Jahr 100sten Geburtstag – was gespaltene Meinungen innerhalb der Branche aufkommen lässt. Von manchem Kollegen wird das Jubiläum eher kleingehalten, um dem Hörfunk in der Öffentlichkeit nicht das Image eines „alten“ Mediums aufzudrücken. Teilen Sie diese Meinung?
Marko Eichmann: Es lohnt sich immer in die Vergangenheit zu blicken, wenn man innovativ die Zukunft beschreiten will. Ich erlebe Audio so angesagt, wie lange nicht und Radio so experimentierfreudig, wie selten zuvor. Wenn ich mir zum Beispiel hier im Haus anschaue, wie das Team um meinen Kollegen Roger Hofmann den „Radio Creator“ entwickelt hat, der ganz einfach personalisiertes Radio und Austausch von Songs in Echtzeit möglich macht, dann empfinde ich unser Medium so modern und jung wie nie zuvor.