Coronabedingt werden die Medientage München 2020 erstmals komplett digital abgehalten. Mit mehreren parallelen Livestreams können die Teilnehmer noch bis morgen (30.10.2020) online virtuelle Konferenzräume mitverfolgen oder auch im Networkingbereich live per Zoom mitdiskutieren. Während der Panels, die man so natürlich auch schneller mal wechseln kann als früher in der analogen Welt, haben die Teilnehmer auch die Möglichkeit, mit per Chat Fragen zu stellen oder auch untereinander persönliche Nachrichten auszutauschen. Der Vorteil: man erfährt, Welche Teilnehmer gerade zuschauen, wenn sie es im Profil zugelassen haben. Ergo: die Kommunikation funktioniert anders, aber nicht unbedingt schlechter als auf den früheren, analogen Medientagen.
Beim gestrigen AUDIO-GIPFEL war nur der Moderator Andreas Horchler (Geschäftsführer von podcon.de) im Münchner MTM-Studio live vor Ort.
Die Keynote kam vorher von Edison Research-Vice President of Strategy Tom Webster. Er stellte den aktuellen Podcast Consumer Tracking Report vor, der die gestiegene Podcast-Nutzung in den USA während der Corona-Pandemie dokumentiert. Da viele Podcast-Hörer durch die Krise weniger Arbeit hatten und/oder im Home Office waren, stieg ihre Podcastnutzung deutlich an. Im Vergleich zu 2014 ist der sog. „Share of Ear“ für Podcasts von 2% auf 6% gestiegen während die Nutzung von klassischem UKW-Radio von 51% auf 42% sank. Auch veränderte sich die Uhrzeit der Podcastnutzung: vor Corona haben 50% der Amerikander um 7:15 Uhr zu hören begonnen, nach Corona erst ab 8:30 Uhr.
Nicht erst durch Corona ist die Audiowelt in Bewegung geraten. Neue Player treten auf den Markt, technische Innovationen verändern die Art und Weise, wie wir Inhalte konsumieren, neue Geschäftsmodelle entstehen. Aber natürlich hat die Pandemie großen Einfluss auf die Branche. Wegen der Einschränkungen des Alltags haben deutlich mehr Menschen auf Audioangebote zugegriffen als zuvor. Auf der anderen Seite leiden viele Anbieter unter den wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns. Beim Audio-Gipfel diskutieren namhafte Vertreter der deutschen Audiolandschaft unter anderem darüber, welche Schlüsse daraus für die Zukunft gezogen werden müssen. Aber auch grundsätzlichere Fragen werden besprochen: Was bedeutet das Auftreten neuer Player für die Konkurrenzsituation auf dem Markt, vor allem für traditionelle Rundfunkanbieter? Welche Rolle spielen Innovationen in Bereichen wie Sprachsteuerung, individualisierbare Inhalte und Datenanalyse? Und nicht zuletzt: Was bedeutet der große Podcast-Boom für die Branche?
So war Podcasting auch das dominante Thema beim diesjährigen Audio-Gipfel. Per Video zugeschaltet waren: Benjamin Risom (FYEO), Marianne Bullwinkel (RMS ), Felix Kovac (Antenne Bayern ), Katja Marx (NDR) und Joe Pawlas (Antenne Deutschland) zugeschaltet.
ANTENNE BAYERN-Geschäftsführer Felix Kovac sagte, dass man die Digitalisierung nicht nebenher machen könne. Deswegen habe er eine eigene Unit mit drei Mitarbeitern dafür gegründet. Die sog. „SOUNDGARAGE“ kümmert sich u.a. um Webstreams mit neuen technische Features, Podcasts und Sprachsteuerung. Damit soll die Digitalreichweite in den nächsten Jahren massiv ausgebaut werden, um damit auch zusätzliche Werbeerlöse zu erzielen.
Beim NDR heißt die Garage „Think Radio“, wie NDR-Hörfunkdirektorin Katja Marx erklärt. Dieses Audio-Lab soll ab 1. November in den neuen Bereich „Audio-Strategie“ integriert werden, um die Keimzelle der weiteren Podcastentwicklung zu werden. Marx verweist vor allem auf den enormen Erfolg des Podcasts Coronavirus-Update mit Christian Drosten, der auch darauf fusst, dass er auf allen möglichen, Distributionskanälen verfügbar ist (die meisten Abrufe werden bei YouTube verzeichnet). Wichtig dabei sei für den NDR immer der deutlich erkennbare Absender wie in diesem Fall „NDR Info”. So sind die öffentlich-rechtlichen Inhalten z.B. auch auf der neuen Entertainment-Plattform FYEO | For Your Ears Only von ProSiebenSat1.
Vice President Benjamin Risom setzt bei FYEO vor allem auf exklusive Original-Podcasts, die nur per Abo für 4.99 € im Monat abrufbar sind. Darüberhinaus werden aber auch über 1 Million Podcasts und Hörspiele kostenlos angeboten – seit kurzem auch mit den Inhalten der öffentlich-rechtlichen Radiosender, die laut Marx die Strategie haben, vor allem auf Verbreitung der Podcasts zu setzen und nicht auf die Monetarisierung, denn die Inhalte gehörten ja den Hörern, weil sie sie über Rundfunkbeitrag ja bereits bezahlt hätten. Es werde bei den Kooperationen mit AUDIO NOW oder FYEO nur auf „faire Regeln geachtet.
Bei der Audio-Vermarktung sehen alle Diskussionsteilnehmer die Branche weiter im Aufwand. RMS-Geschäftsführerin Marianne Bullwinkel hält es für realistisch, dass sich der Werbemarktanteil von analogem und digitalem Audio deutlich über 10% steigern ließe. Der Schwerpunkt liege jetzt auf einer besseren Monetarisierung von Podcasts und Anwendungen für Smart Speaker. Eine große Rolle spiele dabei insbeondere Programmatic Advertising, um auch kleine Zielgruppen effizient zu erreichen.
Antenne Deutschland-Geschäftsführer Joe Pawlas will es den Kunden vor allem einfach machen und hält daher mehr Investitionen in Technik für die gesamte Audiobranche für notwendig. Das könnten die Amerikaner hervorragend. Er will neben nationalen Digitalradio-Programme und auch On demand-Services bieten: „Wir sehen uns als Audiocompany 360 Grad und haben mit unseren Partner Ströer Media eine Plattform gegründet, wo wir Podcasts gemeinsam vermarkten, und mit originellen Formaten in den Markt einsteigen.“
Der komplette MTM20-Audiogipfel als Replay-Video