Drive Time = Radio Time: Wie kann sich Radio im Auto der Zukunft behaupten?
Vor etwa achtzig Jahren wurde erstmals ein Radio in ein Auto eingebaut, und seitdem gehört das Radiohören zum Autofahren wie das Anlegen des Sicherheitsgurts. Mit dem neuen Mobilfunkstandard LTE (Long Term Evolution) sind nun dank der Funktechnologie auch breitbandige Internetanschlüsse für Autos möglich. Dadurch könnte sich die Radionutzung in Fahrzeugen drastisch verändern. Das war das Ergebnis eines Panels über die Zukunft des Autoradios, das die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN anbot.
Im Durchschnitt sitze jeder in Deutschland täglich 44 Minuten lang im Auto und höre dabei 34 Minuten lang Radio, erläuterte Wolfgang Werres, Geschäftsführer von TNS Infratest, Ergebnisse, die auf der Basis der Funkanalyse Bayern 2011 gewonnen wurden. Autofahren ist somit fast immer mit Radiohören verbunden. 15 Prozent der täglichen Radionutzung finden im Auto statt – verstärkt im Berufsverkehr zwischen 6.30 und 8.30 Uhr sowie zwischen 16.00 und 18.00 Uhr. Das Radio werde wegen des hohen Stellenwerts der Musik, aber auch wegen der Relevanz der Verkehrsmeldungen gehört.
Das könnte sich bald ändern: Dann nämlich, wenn in Fahrzeugen, die zum „rollenden Smartphone“ werden, individuell abrufbare Musikangebote und Servicemeldungen die Verkehrsdurchsagen im Radio erübrigen. Nach Einschätzung von Dr. Konrad Weßner, dessen puls Markforschung zu dem Phänomen eine Studie erstellte, würden bei einer optimalen Online-Versorgung im Auto sogar 19 Prozent der Jüngeren kein Radio mehr im Auto einschalten.
Die Autohersteller jedoch setzen weiter auf das Radio, und zwar in Verbindung mit dem Internet. Sowohl Peter Blum, der den Bereich Infotainment bei Audi leitet, als auch Dr. Bertram Hock, der die Entwicklung von Rundfunkgeräten bei BMW verantwortet, betonten die Chancen, die gerade in der Verbindung von Broadcast und Internet liegen. Radio sei der verlässliche Basisdienst mit Information, Unterhaltung und Service, das Internet biete den Kontext mit Hintergrundinformationen oder Downloads. Interessant seien speziell ortsbezogene Such- oder auch Hersteller-Dienste für die Fahrzeughalter. Die Aufforderung zum Reifenwechsel oder zum Servicetermin in der Werkstatt komme künftig per Internet.
LTE soll möglich machen, was bisher kaum denkbar war: sehr leistungsstarke und zuverlässige Online-Verbindungen, die mobil genutzt werden können. Das kündigte Dr. Erich Zielinski an, der LTE-Lösungen für Alcatel-Lucent realisiert. LTE erlaube so schnelle Reaktionszeiten, dass es auch für Spiele-Anwendungen geeignet sei. Damit würden nicht nur Internetradios, Audio-, Video- und Navigationsdienste in die Autos kommen, sondern auch Gaming Services für junge Menschen und Videokonferenztools für Manager. Die Drive Time werde so zur Multimedia Time.
Weil insbesondere der LTE-Ausbau in der Fläche noch auf sich warten lasse und die mobilen Internetkapazitäten bald so knapp würden wie Erdöl, setze die ARD auf die digitale Terrestrik in Verbindung mit dem Internet, berichtete Britta Frielingsdorf, die als Leiterin der Hauptabteilung Zentrale Aufgaben des WDR zurzeit auch Vorsitzende der AG Organisation und Technik der ARD- Hörfunkkommission ist. Radio bleibe für die Hörer im Auto unverzichtbar. Auch Kristian Kropp, Geschäftsführer von Radio RPR, zeigte sich zuversichtlich, dass starke Radiomarken den „Kampf um die Ohren der Autofahrer“ gewinnen könnten. Das Radio sei dank intensiver Forschung hoch spezialisiert auf die besondere Hörsituation im Auto und werde dem Hörer auch zukünftig genau das Programm liefern, das er sich beim Autofahren wünsche.