Die Zeit, die tagsüber mit Mediennutzung verbracht wird, ist im Vorjahresvergleich leicht rückläufig, kehrt aber mit knapp sieben Stunden nicht ganz auf das Vor-Corona-Niveau zurück. Die meiste Zeit wird mit Bewegtbild verbracht, dahinter folgen Audio und Text. Die Reichweiten von linearem Fernsehen und Radio liegen stabil an der Spitze. Digitale VideoAusspielwege gewinnen insgesamt erstmals keine neuen Nutzerinnen und Nutzer hinzu: Für Streaming-Anbieter, Mediatheken und YouTube wird ein erster Sättigungs-Effekt sichtbar – das sind nur einige Erkenntnisse der ARD/ZDF Massenkommunikation Trends 2023.
Ein weiteres Ergebnis der Studie : Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird generationenübergreifend als wichtig für die politische Meinungsbildung eingestuft.
In Deutschland nutzen so gut wie alle Menschen ab 14 Jahren (98 Prozent) täglich Medien. Die Tagesreichweite von Bewegtbild legt im Vorjahresvergleich mit 89 Prozent um ein Prozent zu. Das lineare Fernsehen gehört weiterhin für knapp zwei Drittel der Bevölkerung zum Alltag: 64 Prozent werden pro Tag darüber erreicht. Audio-Angebote bleiben für vier von fünf Personen ein fester Bestandteil der täglichen Mediennutzung. 68 Prozent nutzen wie bereits im Vorjahr täglich lineare Radioprogramme. Redaktionelle Texte werden pro Tag von 58 Prozent der Menschen gelesen – ein Rückgang von 5 Prozentpunkten. Insbesondere das digitale Lesen von Print-Artikeln ist rückläufig. Insgesamt ist die Mediennutzungsdauer im ersten Erhebungs-Jahr nach Abschaffung sämtlicher Corona-Maßnahmen mit 412 Minuten (2022: 420 Minuten) weiter leicht rückläufig. Auf Videos entfällt mit 203 Minuten (minus 11 Minuten) trotz leicht rückläufigen Trends weiterhin der Löwenanteil der Mediennutzung, gefolgt von Audios mit 175 Minuten, die leicht an Nutzung gewinnen (plus 5 Minuten). Die Zeit, die pro Tag mit Lesen von Texten verbracht wird, fällt mit 60 Minuten auffallend geringer aus (minus 10 Minuten). Dazu passt, dass die Menschen nun wieder mehr Zeit außer Haus verbringen, insbesondere was Berufsarbeit und Schule/Studium angeht.
ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends 2023: Das „neue Normal“ nach Ende der Corona-Pandemie
Die deutlichen Nutzungs-Zuwächse, die sich in der Corona-Pandemie über fast alle Altersgruppen gezeigt hatten, gehören 2023 weitestgehend der Vergangenheit an. Das Nutzer-Potenzial bei nonlinearen Video-Angeboten wächst vorerst nicht weiter: Die Zahl der regelmäßigen Nutzer von Streamingdiensten und YouTube geht insgesamt sogar leicht zurück. Der in der Pandemie vorübergehend ausgesetzte Trend der schrumpfenden Nutzung des linearen Fernsehens setzt sich 2023 wieder fort, aber mit 64 Prozent täglicher Nutzung bleibt es insgesamt der wichtigste Ausspielweg für Bewegtbild. Videos in sozialen Medien gewinnen insbesondere in den Altersgruppen bis 49 Jahren weiter an Bedeutung. Wie sehr sich die Sehgewohnheiten in einzelnen Zielgruppen verändert haben, zeigt jedoch der Fünf-Jahresvergleich: Bei den unter 30-Jährigen halbiert sich die Zahl derjenigen, die tägliche lineares Fernsehens nutzen, auf 19 Prozent. Bei den 30- bis 49-Jährigen sinkt dieser Wert auf 45 Prozent (minus 28 Prozentpunkte).
Radio bleibt stabil die wichtigste Quelle für Audio-Inhalte: Mehr als 80 Prozent der Menschen schalten regelmäßig ein – doppelt so viele wie bei Streamingdiensten. Pro Tag werden zwei von drei Menschen erreicht. Die vermehrte Rückkehr an den Arbeits- und Ausbildungsplatz außer Haus schlägt sich dabei auch in einer leicht steigenden Radionutzung nieder.
Bei Musik-Streaming-Diensten und Podcasts scheint das Potenzial vorerst ausgeschöpft zu sein: Gegenüber dem Vorjahr sind insgesamt keine Zuwächse bei der Nutzerschaft zu beobachten. Beide Audio-Nutzungsformen haben sich aber vor allem bei unter 30-Jährigen als fester Bestandteil der täglichen Audionutzung etabliert. Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit geht die Audio-Hördauer insgesamt (um 11 Minuten) zurück, bei den Jüngeren ist es eine Viertelstunde. Der Anteil des Radios am Audio-Zeitbudget bleibt in allen Altersgruppen stabil und liegt wieder fast auf Vor-Corona-Niveau (78 Prozent). Streamingdienste haben Tonträger weitgehend ersetzt. Bei den unter 30-Jährigen entfallen zwei Drittel der AudioNutzungszeit auf nicht-lineare Angebote, dennoch hören dreiviertel weiterhin regelmäßig Radio.
ZDF-Intendant Dr. Norbert Himmler und Vorsitzender der ARD/ZDF-Forschungskommission: „Die Zahlen zeigen: Mit dem Ausbau des gemeinsamen Streaming-Netzwerks von ARD und ZDF sind wir auf dem richtigen Weg. Damit können wir das jüngere Publikum, das immer weniger linear schaut, mit unseren hochwertigen Inhalten noch besser erreichen. Die bestmögliche Vernetzung aller Ausspielwege ist elementar für unser Ziel: Den Menschen in Deutschland ‚ein ZDF für alle‘ zu bieten.“
Der Intendant des Hessischen Rundfunks und stellvertretender Vorsitzende der ARD/ZDF-Forschungskommission Florian Hager: „Dass sich nach der Corona-Pandemie mit all ihren Einschränkungen der Medienkonsum wieder etwas verringern wird, war zu erwarten. Mittelfristig wird die Rolle von Streamingangeboten aber weiter zunehmen. Dabei dürfen wir natürlich auch die lineare Verbreitung nicht aus den Augen verlieren. Unser Ziel ist es, allen Menschen ein Angebot zu machen, egal wie sie Medien nutzen.“
Generationsübergreifende Relevanz öffentlich-rechtlicher Angebote für die politische Meinungsbildung
Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden die Nutzerinnen und Nutzer von sechs Angebotskategorien gebeten, diese in Bezug auf verschiedene Leistungsmerkmale zu bewerten: Öffentlich-rechtliche und private Rundfunkanbieter, Video- und Musik-Streamingdienste sowie Videoportale und Soziale Medien.
Eines der zentralen Ergebnisse ist eine generationenübergreifend hohe Relevanz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebote für die politische Meinungsbildung. Diese bescheinigen ihnen zwei Drittel der Befragten (67 Prozent). Bei Video- und Audio-Streamingdienste schätzen mehr als 80 Prozent der Befragten vor allem die passgenauen Inhalte. Social-Media-Angebote werden als besonders vielfältig wahrgenommen, gelten jedoch im Medienvergleich als abhängiger von politischen und wirtschaftlichen Interessen.
Insgesamt wurden 2.000 deutschsprachige Personen ab 14 Jahren in Deutschland befragt: 70 Prozent davon per Telefon auf Basis einer repräsentativen Dual-Frame-Stichprobe, weitere 30 Prozent über ein repräsentatives Onlinepanel. Die Erhebung des Tagesablaufs als Kernelement der Studie erfolgte sowohl bei den Telefon-Interviews als auch bei den Befragten im Onlinepanel über eine einheitliche Eingabe-Oberfläche. Die Studie wurde vom Institut GIM in der Zeit von Ende Januar bis Anfang April 2023 durchgeführt.