Bayern sucht Termin für UKW-Abschaltung

 

DAB+ mehr Radio für Bayern (Bild: © RADIOSZENE/Bayern Digitalradio)
DAB+ mehr Radio für Bayern, Nürnberg 2016 (Bild: © RADIOSZENE/Bayern Digitalradio)

Die Lokalrundfunktage in Nürnberg bieten neben Radio-, TV- und Marketing-Themen auch immer viel Raum, um über neue Technologien zu diskutieren. Dieses Jahr war zwar „Künstliche Intelligenz“ in fast allen Panels DAS dominante Themengebiet, doch auf dem großen AUDIO SUMMIT im Saal München 1 kehrte die Frage nach den Ausspielwegen für den Hörfunk auf die Tagesordnung zurück.

Audio Summit zum Thema UKW-Abschaltung in Bayern (Bild: © BLM)
Audio Summit zum Thema UKW-Abschaltung in Bayern (Bild: © BLM)

Wann löst das 25 Jahre alte DAB(+) das fast 75 Jahre alte UKW-Band endlich ab? Wann wird UKW in Bayern abgeschaltet? Diese Frage stellt sich gerade deswegen wieder, weil 2025 in Bayern die Verlängerung der Zuweisungen für viele UKW-Frequenzen ansteht. Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, würde diese für einen kürzeren Zeitraum zuweisen als Dr. Nina Gerhardt, CEO von RTL Radio Deutschland.

Nach der Podiumsdiskussion am 4. Juli 2023 stellte Marek Schirmer Ihnen noch ein paar Fragen:


Podcast-Episode Nr. 35: Interview zum Thema UKW-Abschaltung mit Dr. Thorsten Schmiege und Dr. Nina Gerhardt


RADIOSZENE: Wie akut ist das Thema UKW-Abschaltung gerade?

Dr. Thorsten Schmiege beim LRT23-Audio-Summit (Bild: BLM)
Dr. Thorsten Schmiege beim LRT23-Audio-Summit (Bild: BLM)

Dr. Thorsten Schmiege: Wir reden vornehmlich über die Verlängerung von UKW, weil in Bayern die Situation so ist, dass bei uns alle UKW-Zuweisungen 2025 enden. Das heißt, der Medienrat muss sich mit der Frage beschäftigen, wie es weiter geht? Da sind wir in Diskussion, wir versuchen Termine zu finden, die nicht zu früh aber nicht zu spät sind. Wir suchen sozusagen ein Zeitfenster für die Parallelnutzung von UKW und DAB+. Danach muss man schauen, ob dann tatsächlich DAB+ als terrestrischer Standard UKW abgelöst hat. 

RADIOSZENE: Haben Sie eine Wahl zwischen Verlängerung von zehn Jahren oder kürzer? Oder wird dem Gesetz nach immer zehn Jahre verlängert? 

Dr. Thorsten Schmiege: Das Gesetz sagt zur Verlegung erst mal gar nichts. Im Prinzip muss der Medienrat entscheiden, wie lange eine Verlängerung sinnvoll ist, oder vielleicht neu ausgeschrieben werden muss. Ich glaube, dass sich der Medienrat verantwortungsvoll darüber Gedanken macht, wie man einen Weg findet, der auch Planungssicherheit bietet, die ja vielleicht dann auch mit einer Ausschreibung in Frage gestellt wird.

RADIOSZENE: Frau Dr. Nina Gerhardt, wie würde Ihr Unternehmen eine UKW-Abschaltung betreffen?

Dr. Nina Gerhardt: Also sehr massiv würde uns das betreffen. Das ist der wichtigste Verbreitungsweg, den wir haben. Wir sehen in den letzten Jahren, dass die Radionutzung sehr stabil ist auch über UKW – trotz des Anstiegs von DAB+ und von Webradio über das Internet.

Dr. Nina Gerhardt (Bild: RTL Radio Deutschland)
Dr. Nina Gerhardt (Bild: RTL Radio Deutschland)

Deswegen sind wir der Ansicht, dass wir – so lange wie möglich – auf diesen Verbreitungsweg setzen können müssen und wären natürlich auch sehr daran interessiert, dass uns da erst der Weg frei gemacht wird dafür – also keine Begrenzung zu einem Zeitpunkt, an dem wir noch nichts beurteilen können. 

RADIOSZENE: Jetzt bietet DAB+ Ihnen aber auch die Chance, RTL Radio deutschlandweit zu verbreiten und mit Regionalprogramme wie 89.0 RTL ganz Niedersachsen zu versorgen…

Dr. Nina Gerhardt: Absolut, also wir haben in DAB+ investiert. Wir senden ja in der Gruppe auch das Programm „RTL Deutschlands Hitradio“ über die nationale DAB+ Frequenz. Wir sind in allen Bundesländern, wo wir auf der UKW-Antenne sind, auch auf DAB+, also ab Mitte Juli – als letztes Bundesland – auch in Niedersachsen und dort bieten sich auch Chancen: wir haben auch neue Programme gestartet über DAB+, wir sind auch in neue Bundesländer, in neue Märkte reingegangen, in denen wir vorher nicht waren. Also es bietet auf jeden Fall eine Chance. Ich rede deswegen immer vom Dreiklang der Verbreitungswege UKW, DAB+ und Online. 

RADIOSZENE: Führt der Einstieg in DAB+ denn zu einer entsprechenden Monetarisierung, um die Kosten nach einer möglichen UKW-Abschaltung aufzufangen?

Dr. Nina Gerhardt: Nein, also wir müssen davon ausgehen, dass Hörer verloren gehen, denn es gibt ja immer noch Personen, die nur UKW nutzen. Nach der UKW-Abschaltung haben sie kein Empfangsgerät mehr für Radio. Es gibt natürlich Personen, die eine Mischform machen, die hören morgens UKW-Küchenradio, im Auto DAB+ und abends über ihr Handy Webradio. Da muss man auch sagen, wenn die einen Teil nicht mehr machen könnten, dann hören sie weniger und kürzer Radio, auch das hat Auswirkung auf unsere Reichweiten. Sie müssen davon ausgehen, dass wir Hörer verlieren auf dem Weg einer Migration. Das ist ein großes Thema. Die Auswirkungen können wir jetzt nicht benennen, es weiß keiner, wie viele Leute übrig bleiben am Ende und es ist ein Risiko. Wir wollen vielfältigen und starken Hörfunk in Deutschland und deswegen müssen wir – finde ich – die Risiken minimieren und uns die besten Rahmenbedingungen schaffen, also Verbreitungswege auch offen halten für privates Radio. 

RADIOSZENE: Wann wäre der Zeitpunkt, wo man sich über UKW-Abschaltung unterhalten sollte? In wie viel Jahren?

Dr. Nina Gerhardt: Also wenn’s nach mir ginge, sollten uns jetzt gar nicht über eine UKW-Abschaltung unterhalten. Keiner kann in die Zukunft blicken. Wenn die Reichweiten irgendwann sehr stark rückläufig sind über UKW, könnte das Thema Relevanz bekommen. Ich wäre dem Herrn Dr. Schmiege sehr verbunden, wenn er sozusagen den UKW-Verbreitungsweg so lange wie möglich offenhält und uns Entwicklungschancen gibt. Wir setzen weiter auf DAB+ und Online. Im Onlinebereich sehen wir ja auch ganz viele Chancen oder Risiken. Da hat die BLM uns sehr unterstützt beim Thema Auffindbarkeit: wenn Sie im Auto sitzen und über so ein Car-Entertainmentsystem Radio hören oder über die Alexa-Box, ist es nicht so ganz einfach, dort aufgefunden zu werden. Die BLM unterstützt uns da sehr beim Thema Auffindbarkeit.

RADIOSZENE: Dr. Schmiege sagt, wir müssen darüber mal diskutieren, weil es in den Bundesländern unterschiedlich zugeht wie z.B.  in Schleswig-Holstein…?

Dr. Thorsten Schmiege: Die Situation unterscheidet sich insofern, als in Schleswig-Holstein – soweit ich informiert bin – dass Mediengesetz dazu führt, dass zwei von drei landesweiten Senderketten 2025 abgeschaltet werden. Die letzte [Senderkette] soll 2031 folgen. Insofern sind die wesentlich härter und weniger geschmeidig unterwegs, als wir jetzt sind. Ich versuche nur eine Diskussion darüber zu führen, dass man sich vielleicht auch von harten Abschaltdaten löst, sondern wirklich sagt, ab wann ist sozusagen die Nutzung von UKW so, dass man sich auch diese Doppelverteilung nicht mehr leisten möchte. Da gab es schon von Jahren von VAU.NET schon mal die Position 10%. Das erscheint vielleicht etwas niedrig, vielleicht ist es auch vorher schon ein besserer Zeitpunkt, aber darüber muss man halt reden. Wir haben das Problem, dass wir darüber reden müssen, weil wir Entscheidungen treffen. Wenn wir jetzt das bis 2035 in Stein meißeln, dann hätten wir die Situation, dass Bayern bis 2035 UKW verbreitet, obwohl wir tatsächlich weiter sind, als Schleswig-Holstein, die schon 2031 abgeschaltet haben. 

RADIOSZENE: Es ist heute auch thematisiert worden, dass es vielleicht zu so einem Flickenteppich kommt, dass man von Bundesland zu Bundesland fährt und plötzlich in ein Bundesland UKW gibt und in einem anderen nicht. Ist das tatsächlich die Lösung für Deutschland?

 Dr. Thorsten Schmiege: Was wäre die Alternative? Dass man wirklich sagt, der letzte entscheidet über die UKW-Abschaltung in allen Ländern? Also wir sehen jetzt: Schleswig-Holstein hat 2031 als allerspätesten Termin. Baden-Württemberg ist bei 2032, wir hatten auch schon mal andere Länder, die bei 2025 waren. Das haben sie wieder geändert. Ich kann mich auch entsinnen, dass man auf der Bundesebene das Jahr 2028 festlegt. Das hat alles Vor- und Nachteile. Die Entwicklungen in Länder sind unterschiedlich, die sind unterschiedlich weit, deswegen wird es auch unterschiedliche Verwerfungen geben, je nachdem ob der Termin zu früh oder zu spät ist.

RADIOSZENE: Wie sind die nächsten Schritte? Was passiert jetzt? Mit wem diskutieren Sie jetzt weiter?

Dr. Thorsten Schmiege: Wir reden natürlich mit den Anbietern. Zuletzt muss der Medienrat entscheiden und wir brauchen eigentlich Ende des Jahres schon Gewissheit darüber, wie die Bescheide aussehen, die nächste Jahr an die Anbieter rausgehen müssen. 

RADIOSZENE: Jetzt sagt Dr. Tobias Schmidt, ihr Kollege aus Nordrhein-Westfalen, DAB+ ist eine Brückentechnologie und wie lang die Brücke reicht für den tatsächlichen Wechsel ins digitale, das wissen wir nicht. Ist das tatsächlich eine Brückentechnologie, die wir den Hörern aufzwingen?

Dr. Thorsten Schmiege: Also aufzwingen würde ich nicht sagen. Im Moment bieten wir etwas an und wir sehen jetzt auch die aktuellen Zahlen. In Bayern sind die so, dass DAB+ stark gewinnt. Es ist also nicht so, dass aus UKW direkt ins Internet gewandert wird, im Gegenteil: Internet stagniert bei der Radionutzung, DAB+ gewinnt, UKW verliert stark. Insofern kann man sagen, es ist eine Brückentechnologie. Ich kann mich allerdings entsinnen, dass man das schon mal Ende der 1990er über UKW gesagt hat und dafür hält sich UKW noch relativ gut. Insofern glaube ich, dass ein digitaler terrestrischer Verbreitungsweg für die Branche unheimlich wichtig ist, weil er sich anders monetarisieren lässt als Reichweiten im Internet. Wenn die Brücke lang genug ist, wäre das vielleicht auch eine gute Nachricht. 

RADIOSZENE: Wie lang ist die Brücke DAB+? Oder kann RTL als Marke z.B. mit Fernsehen und mit Hörfunk die Hörer überzeugen, Internet zu nutzen?

Dr. Nina Gerhardt: Also ich weiß gar nicht, ob wir alle überzeugen wollen, ausschließlich Internet zu nutzen? Weil ich glaube, wir fahren ziemlich gut mit der Terrestrik. Das ist unser Hauptökosystem und wir wollen die gar nicht alle rausscheuchen. Also wir wollen sie schon über den klassischen Empfangsweg auch halten. Aber natürlich ist Online die Zukunft und die Zukunft ist digital. Wir brauchen alles und wir werden alles dafür tun, dass wir weiterhin die Relevanz haben in der Gattung, dass wir so viele Menschen wie möglich erreichen – und hören. Wir erreichen – glaube ich über 90 % der Bevölkerung mit Radio – mit Radioinhalten. Das ist enorm und das müssen wir uns bewahren, das ist ein großer Schatz und ich habe wirklich ein großes Problem damit, dass wir sozusagen aus freien Stücken irgendwas aufgeben sollen, oder irgendwas zurückgeben sollen. Wir brauchen jede Hörerin, wir brauchen jeden Hörer, wir wollen stark in die Zukunft gehen.


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