„Ab Anfang der 30er Jahre hören wir Online statt UKW“

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Michael Radomski ist Inhaber und Geschäftsführer von Deutschlands größtem Sendernetz-Betreiber. Sein Unternehmen UPLINK Network ist Marktführer bei den UKW-Sendern. Außerdem betreibt er Sendernetze für DAB+ und bietet Radiosendern die Verbreitung ihrer Programme als Internet-Stream an. RADIOSZENE hat ihn gefragt, wie die technische Radio-Verbreitung aussieht und wie sie sich entwickelt. Das Interview führte Christoph Lemmer.


RADIOSZENE-Podcast-Episode Nr. 34: Interview mit UPLINK CEO Michael Radomski


Christoph Lemmer: Ich würde gerne erst einmal damit anfangen zu beschreiben, was sie eigentlich machen und warum Sie für Radio und die ganze Branche wichtig sind. Sie sind ja gewissermaßen die Infrastrukturbasis auf der Radio überhaupt gemacht werden kann – oder wie würden Sie das beschreiben?

Michael Radomski (Bild: ©UPLINK Network GmbH)
Michael Radomski (Bild: ©UPLINK Network GmbH)

Michael Radomski: Wir sind im Kern-Geschäftsfeld UKW-Sendernetzbetreiber und betreiben in Deutschland die meisten UKW-Sender mit der ganzen Infrastruktur, die dahinter steht. Nicht die Programme, die machen die Radioveranstalter in den Funkhäusern.

Christoph Lemmer: D.h., Sie besitzen die Antennen und Sie schicken die Signale, die die Funkhäuser produzieren, in die Luft, damit jeder sie empfangen kann.

Michael Radomski: Genau, wir holen das Signal bei den Funkhäusern ab, distribuieren das zu heute etwa 600 Standorten in ganz Deutschland – das ist das Spannende an dem Geschäft, dass es so stark verteilt ist. Wir haben da überall  unsere Technik, die Sender, haben eigene Antennen, mieten aber auch Antennen Dritter an, um das Programm auf der Frequenz auszustrahlen, das dann zu dort empfangen ist.

Christoph Lemmer: Für welche Sender senden Sie?

Michael Radomski: Sowohl für Private als auch Öffentlich-Rechtliche Sender. Bei den öffentlich-rechtlichen sind z.B. dabei: Deutschlandradio, RBB, NDR, WDR, da sind es also wirklich viele. Bei den Privaten sind es auch viele große landesweite Ketten: Radio NRW, die REGIOCAST-Gruppe mit mit ihren Programmen – also da sind wir in Deutschland wirklich weit verbreitet.

Christoph Lemmer: Jetzt wird in der Branche immer wieder darüber diskutiert, wie die Zukunft der Radioübertragung aussehen soll, weil sich über die Digitalisierung ja tatsächlich vieles verändert. Es gibt inzwischen Radio, das online vertrieben wird, Apple Music zum Beispiel hat eigene Radiosender. Es gibt Streaming-Angebote. Es gibt Audio-on-Demand, es gibt DAB+, es gibt alle möglichen Techniken, die neu dazukommen und die UKW ablösen könnten. Was ist davon relevant? Und was könnte es werden?

Die Frage zur Zukunft der Radioübertragung ist: was wollen Sie Nutzer und was werden die Nutzer nutzen?

Michael Radomski: Sie haben gerade eben gefragt, welche Wege genutzt werden sollen. Die Frage ist ja eher, was wollen Sie Nutzer und was werden die Nutzer nutzen? Klar ist das die terrestrische Verbreitung, also das, was wir heute über UKW oder auch mit DAB+ machen. Das hat den Vorteil, dass ich es einmal raus sende und beliebig viele Nutzer können es hören…

Christoph Lemmer: …das sogenannte Point-to-Multipoint…

Michael Radomski: …genau. Das fassen wir unter Terrestrik zusammen. Es hat einen großen Nachteil: Es hat keinen Rückkanal. Das habe ich bei der Zeitung auch nicht, und genau darum hat die Zeitung ein Problem mit Online-Wegen, weil die viel schneller sind aber eben insbesondere auch einen Rückkanal haben. Das heißt, der Nutzer kann interagieren. Das haben wir bei terrestrischem Radio nicht. Darum sind Online-Wege langfristig natürlich superspannend, weil ich da direkt mit dem Nutzer interagieren kann, Dessen Wünsche aufnehmen kann, dessen Verhalten antizipieren kann.

Christoph Lemmer: Wie Kommentare, Chats, etc..

Michael Radomski: Wir haben natürlich immer ein Datenschutzthema, wenn wir darüber sprechen, das ist eine speziell deutsche Fragestellung. Aber ich kann den Nutzer sehr individuell bestimmen und automatisiert darauf reagieren. Bei Broadcast schicke ich es einmal raus und hoffe, dass die Masse der Nutzer es gut findet.

Christoph Lemmer: Jetzt hat Online aber einen Nachteil, den UKW nicht hat: es ist kein Point to Multipoint, sondern ein Point-to-Point-System. Das bedeutet, man muss für jeden einzelnen Hörer einen Extrakanal öffnen. Das bedeutet wiederum: je mehr Hörer ein Sender hat, desto höher wären die Übertragungskosten. Richtig verstanden?

Heutzutage ist Bandbreite nicht mehr so teuer oder so rar, wie sie es vor zehn oder 20 Jahren war.

Michael Radomski: Das ist in der Theorie richtig, das war auch mal ein Thema. Heutzutage ist Bandbreite nicht mehr so teuer oder so rar, wie sie es vor zehn oder 20 Jahren war. Und insbesondere Audio nutzt auch nur eine ganz geringe Bandbreite. Also bei Video, bei Fernsehen, da haben Sie vollkommen recht, da ist das noch ein Thema. Bei Audio praktisch nicht mehr. Und auch bei Video wird das in fünf oder zehn Jahren kein Thema mehr sein, weil so viel Bandbreite so günstig zur Verfügung steht – auch mobil auf den Handys – , dass das überhaupt nicht mehr ins Gewicht fällt.

Christoph Lemmer: Welche Rolle spielt dann DAB+? Wenn ich DAB+ richtig verstehe, dann ist es ja auch ein Point-to-Multipoint, also ein Broadcast Medium ohne Rückkanal, aber trotzdem digital, was letztlich aber von der Wirkung her mir als Hörer keinen Unterschied gibt zu UKW. Oder verstehe ich da was falsch?

Michael Radomski: Das ist genau das Entscheidende. Wenn immer gesagt wird, DAB+ sei die Zukunft, weil digital, dann ist das insofern falsch, als dass ich diesen Rückkanal nicht habe – der, und wir sehen, welchen Stellenwert das Internet für uns hat, in Zukunft auch im Radiobereich entscheidend sein wird. Was kann DAB+, was UKW nicht kann? Eigentlich sehr wenig. Alle Vorteile, die da immer herausgestellt werden, sind nicht entscheidend für den Nutzer. Das ist auch das Problem, warum die Nutzer bei DAB+ nicht von selber sagen, dass das viel besser sei als UKW, das nutzen wir jetzt alle und vergessen UKW, sondern bei UKW verharren. DAB+ ist eigentlich UKW 2.0, aber ohne echte Vorteile für den Nutzer.

Christoph Lemmer: Übertragen Sie Radio auch über DAB+? Also haben Sie auch die DAB+ Infrastruktur, die Sie an Radiosender geben?

DAB+ Infrastrukturaufbau (Bild: ©UPLINK)
DAB+ Infrastrukturaufbau (Bild: ©UPLINK)

Michael Radomski: Machen wir, betreiben wir in mittlerweile drei Bundesländern. Wir haben da auch eine entsprechende Expertise und deshalb kann ich als auch gegen oft geäußerte andere Aussagen, DAB+ habe nur so unfassbare Vorteile gegenüber UKW, immer nur sagen: das stimmt nicht. Es ist an einigen Stellen anders. Es hat auch Vorteile, aber wenn man sich die spezifische Mediennutzung und Infrastruktur in Deutschland anschaut, dann ist dort kein echter Vorteil gegeben.

Christoph Lemmer: Welche Vorteile? Sie sagen, es hätte Vorteile, aber keine echten Vorteile – welche Vorteile hat es denn?

Michael Radomski: Es hat einen ganz wichtigen Vorteil: Sie können mit DAB+ sehr günstig Flächen abdecken. Das können Sie mit UKW eigentlich auch, aber da ist DAB+ wirklich effizienter. Wenn Sie sagen, ich möchte in ganz Deutschland ein Programm flächenendeckend verbreiten, dann ist DAB+ günstiger als UKW, das ist richtig. Wenn Sie aber sagen, wie es etwa Radio NRW macht, mit vielen Lokalsendern unterschiedliche Programme auseinanderzuschalten, da verliert DAB+ komplett seinen Vorteil.

Christoph Lemmer: Es gibt einzelne Länder, die werden von den DAB+ Befürwortern – da gibt es eine regelrechte Lobby, da müssen wir nichts vormachen – immer herangezogen als zukunftsweisende Beispiele, die uns zeigen, wie es bei uns weitergehen werde. Großbritannien wird gelegentlich genannt oder Norwegen. Wie sehen Sie diese Vergleiche? Also was ist anders in diesen Ländern? Warum ist dort DAB+ erfolgreicher oder ist es das überhaupt?

Michael Radomski: Also das ist wirklich sehr landesspezifisch. Das hängt meiner Meinung nach sehr stark von der Historie und der Regulierung ab. Wir haben ja in Deutschland ein föderales Mediensystem. Jedes Bundesland ist eigenverantwortlich, wie die Struktur aufgebaut wird. Wenn Sie dann das Ausland nehmen – da können sie die Länder schon untereinander nicht miteinander vergleichen. Beispielsweise Schweiz, England und Norwegen: Die sind schon allein von der Topographie völlig unterschiedlich. Und da hat sich die Radiolandschaft sehr individuell entwickelt in den 20, 30, 40 Jahren, auch völlig anders als in Deutschland. Das kann man also nicht vergleichen, aber man kann interessante Lehren ziehen aus diesen Ländern, auch für Deutschland.

Christoph Lemmer: Zum Beispiel?

Michael Radomski: Zum Beispiel England: England hat schon sehr früh auf DAB+ bzw. DAB gesetzt. Zugleich ist die UKW-Nutzung dort auch sehr stark, parallel zu DAB+. Wir sehen da einen sehr liberalen Radiomarkt. Da hat man beide Techniken gestärkt und sieht, dass sie nebeneinander komplementär genutzt werden. In Norwegen ist UKW angeschaltet worden – behaupten jedenfalls immer alle. UKW wird auch da weiter gehört und genutzt. Es hat nur eine relativ starke Verlagerung gegeben. Die hat dazu geführt, dass die Hörer gar nicht von UKW zu DAB+ gegangen sind, sondern zu einem großen Teil gleich in den Online-Bereich abgewandert sind. Und in der Schweiz sollte UKW abgeschaltet werden und DAB+ dafür als Ersatz dienen. Diese Abschaltung ist dort politisch und vor allem in der Gesellschaft massiv umstritten und wird derzeit nicht umgesetzt, weil das politisch nur sehr schwer umzusetzen ist.

Christoph Lemmer: Wenn wir uns mal England anschauen und die Erfahrung dort: Hat eigentlich die technische Akzeptanz von DAB+ auch damit zu tun, welche Programme dort zu hören sind? Anders gesagt: Ist DAB+ in England nicht eher ein Synonym für zusätzliche Programmangebote, die es auf UKW einfach nicht gibt? Oder was ist der Grund dafür, dass es in England vergleichsweise gut angenommen wird?

Michael Radomski: Ja. Ich denke, ohne da der wirkliche Experte für den englischen Markt zu sein, dass man dort sehr früh auf die Nutzer geachtet hat. Man hat gefragt: Was wollen die Hörer eigentlich haben? Und möglicherweise hat man dann gesagt, UKW ist voll – das ist auch ein Nachteil, das UKW-Frequenzband ist begrenzt –, also geben wir ein zusätzliches Angebot. Das war allerdings, bevor Online-Audio stark wurde. Man hat das einfach komplementär genutzt. Und die Nutzer hören es, die entsprechenden Radiosender machen Werbeumsätze, und darum geht es am Ende zur Refinanzierung, und alle sind glücklich. Da hat man einfach einen Markt, der sich aus Sicht der Hörer selbst entwickelt hat, genutzt.

Christoph Lemmer: Das bedeutet: Nicht ein technischer Vorteil oder eine technische Eigenschaft von DAB+ schafft da die Akzeptanz, sondern zusätzliches Angebot an Programmen, die es sonst nicht gäbe?

Michael Radomski: Davon ist auszugehen. Definitiv.

Christoph Lemmer: Schauen wir in die Schweiz und nach Norwegen. Sie haben gerade gesagt, dass da viele – insbesondere in Norwegen – schon rübergegangen sind zum Online-Radio. Zunächst: Bieten Sie Online-Radio auch an? Ist das eine Infrastruktur für Radiosender, die Sie in Ihrem Haus auch auch haben?

UPLINK DIGITAL fbMichael Radomski: Das haben wir strategisch sogar relativ stark aufgesetzt, Ende letzten Jahres. Wir haben zwei der großen Anbieter – nacamar und RauteMusik – zusammengefasst zu UPLINK Digital, einer neuen Marke, die nach unserer Ansicht auch Marktführer bei Onlineaudio-Radio ist. Man muss da immer noch mal differenzieren zu Apple und Spotify, die extrem stark sind bei der Auslieferung einzelner Musikstücke. Also: Ja, wir machen das. Wir sehen das als superspannende, strategische Ausrichtung. Aber im Vergleich zur  Terrestrik ist natürlich der Verbreitungsweg überhaupt nicht mehr in der Hand des Betreibers, da sind es maximal noch die Server und die zusätzlichen Dienstleistungen für den Radiobetreiber, dass sein Programm   sicher und in hoher Qualität beim Hörer ankommt.

Christoph Lemmer: Sie können bei UKW und DAB+ ja keine direkten Abrufzahlen der Hörer messen. Bei online können Sie es. Wie entwickeln die sich?

Michael Radomski: Die Online-Nutzungszahlen entwickeln sich langsam nach oben. Das ist wirklich spannend, dass sich das Internet bei Audio nicht so schnell und disruptiv entwickelt wie es sich zum Beispiel bei Nachrichten oder der nichtlinearen Videonutzung entwickelt hat. Das finde ich spannend, dass das einer  der ganz wenigen Bereiche ist, wo das Internet zwar stark ist, aber die Terrestrik bisher nicht verdrängt. Das wird es aber in Zukunft tun, das ist nur noch eine Frage von Zeit, also wie viele Jahre es dauern wird.

Christoph Lemmer: Was lässt Sie glauben, dass sich das in Zukunft ändert?

Michael Radomski: Zum einen gibt es dazu Studien, interessanterweise nur wenige zugängliche, die meisten sind unter Verschluss. Das Problem ist, wer die Studie macht, der bekommt auch die Fragestellung immer ein bisschen so, wie er sie möchte und die sich daraus ergebenden Antworten. Aber für uns ist klar, dass das eigentliche Internetgerät – das wird das Smartphone noch mehr sein als es das heute schon ist – das Gerät sein wird, wo die Menschen nicht nur textlich oder als Video ihre Nachrichten holen, sondern das auch über Audio machen werden.

Wir werden irgendwann den Schnittpunkt haben, wo UKW nicht mehr der unangefochtene Nutzungs-Führer ist, sondern Online-Audio. DAB+ wird dann vom zweiten Platz auf den dritten gehen.

Christoph Lemmer: Gibt es in den Studien, die Sie kennen, irgendwas über das sprichwörtliche Küchenradio, über das viel Reichweite heute jedenfalls noch generiert wird?

Michael Radomski: Alle Studien, die wir sehen und alle Nutzungszahlen zeigen, dass UKW ungebrochen genutzt wird. Es gibt eine wirklich gigantische UKW-Nutzung. Wir sehen eine deutlich geringere DAB+ Nutzung und dann kommt die Online-Audionutzung. Wenn ich mir dann anschaue, wie es sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren entwickeln wird, und zwar nach eigentlich einhelliger Ansicht, dann wird UKW langsam verlieren, DAB+ nicht stark gewinnen interessanterweise, aber das Online-Audio sehr stark nach vorne gehen. Dann werden wir irgendwann mal den Schnittpunkt haben, wo UKW nicht mehr der unangefochtene Nutzungs-Führer ist, sondern Online-Audio. DAB+ wird dann vom zweiten Platz auf den dritten gehen.

Christoph Lemmer: Das würde ja bedeuten, dass die ganze Investition in DAB+ jedenfalls nicht die Investition in die Radioübertragung der Zukunft war. Sondern eigentlich gar nicht notwendig.

Michael Radomski: Das ist eine EU-weite Entscheidung gewesen, einen terrestrischen Standard zu haben, auch für die Vorsorge im Krisenfall. Ich glaube, dass ist unter infrastrukturpolitischen Gesichtspunkten auch eine gute Entscheidung. Ob man nicht besser hätte sagen können, wir nutzen UKW, so lange es irgend geht und gehen dann von UKW sofort zu Online Audio, das ist eine andere Frage. Aber ich glaube, diese Entscheidungen sind auch gefällt worden, als Online-Audio noch gar nicht so richtig verstanden worden ist. Man hat gedacht, wir brauchen einfach einen Nachfolger für UKW. Rückwärts betrachtet könnte man tatsächlich die Frage stellen, ob es nicht schlauer gewesen wäre, UKW bis zur letzten Sekunde – was immer das bedeutet – zu nutzen, um dann Online-Audio draufzuswitchen.

Christoph Lemmer: Was glauben Sie, was ist der Grund dafür, dass sich Online-Audio im Augenblick nur langsam entwickelt?

Michael Radomski: Das ist eine spannende Frage. Ich glaube, es ist die Stärke der terrestrischen Verbreitung. Sie haben das Küchenradio angesprochen. Es gibt ja nach wie vor eine hohe zweistellige Millionenanzahl an UKW-Radios in Deutschland. In jedem Auto ist ein UKW-Radio drin. Die Gewöhnung der Hörer an diese Geräte, das Küchenradio, das Duschradio, Transistorradios, die noch in irgendwelchen Gartenlauben stehen, das ist ja die Masse der Bevölkerung. Die Leute fahren einen alten Golf, da ist noch ein 15 Jahres altes Radio drin, das seit 15 Jahren in der gleichen, guten Qualität das Programm mit den Moderatoren bringt, das die Leute hören wollen.

Christoph Lemmer: Das heißt, die technische Basis ist das, was den Radiosendern und auch Ihnen auf die nächste Dauer noch das Geschäft sichert, weil es einfach zu aufwendig ist, die komplette Infrastruktur auf der Hörerseite auszuwechseln?

Michael Radomski: Der Konsument hat bei Audio nicht die Notwendigkeit, zu wechseln. Der Konsument wechselt gerade und seit etlichen Jahren von seinem dummen Fernseher zu Smart-TV, weil er damit non-lineare Inhalte wie Netflix schauen will. Aber bei Audio – warum soll ich mich bewegen, wenn ich meinen Lieblingssender sowohl über UKW – da habe ich fünf laufende Radios – als auch über DAB+ als auch über Online-Audio hören kann? Da bleibe ich einfach bei meinem UKW-Radio, bis das kaputt geht – oder, wie es zuletzt passiert ist, mich jemand zwingt, im Auto mein UKW-Radio mit einem DAB+ Gerät zu koppeln. Also Regulatorik ist da die spannende Frage. Die Nutzer bleiben ganz offensichtlich auf Ihrer technischen Basis stehen.

Christoph Lemmer: Wenn wir von der Hardware-Ausstattung der Hörer ausgehen und das weiterdenken – welche Rolle spielt die Verbreitung von Handys?

Michael Radomski: Langfristig wahrscheinlich eine relativ große. Schauen Sie nur, wofür wir unsere Handys heute schon nutzen. Da wird Audio automatisch drüber laufen. Aber wie gesagt: Interessanterweise ist das der einzige Weg, der sich von den Zahlen her noch sehr defensiv digitalisiert.

Christoph Lemmer: Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Ich hatte da schon einmal gefragt, bin mit Ihrer Antwort noch nicht ganz zufrieden. Wenn ich von der Konsumentenseite ausgehe und überlege, wie ich mich da verhalte: Es wäre ja simpel, das Handy wie ein Radiogerät zu benutzen. Trotzdem tun es viele nicht, ich auch nur selten. Mein Grund ist, dass meistens das Netz nicht funktioniert.

Michael Radomski: Das ist ein Thema. Natürlich gibt es auch noch viele Nutzer, die nur ein begrenztes Datenvolumen haben und bei jedem Megabyte schauen, ob sie es nutzen oder nicht. Die wollen einfach aktiv noch nicht Audio übers Handy nutzen. Das ist denen aus ihrer Sicht noch zu teuer. Aber ich glaube, entscheidend ist die installierte Basis. Wenn ich weiß, dass ich irgendwo hinkomme – insbesondere das Auto ist ein wichtiger Platz bei Pendlern – und habe dort meine bekannte Marke, der die Hörer sehr treu sind, dann hören die das über UKW und haben überhaupt keine Notwendigkeit, Online-Audio zu hören. Wenn ich denen aber jetzt UKW als Verbreitungsweg wegnehme, dann müssen sie sich für was Neues entscheiden. Und dann ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, das zeigen uns die Zahlen in Norwegen, dass sie sagen: jetzt nutze ich mein Handy oder welchen Onlineweg auch immer. Aber das Smartphone wird für Audio zunehmend wichtiger als der Laptop oder die Datenverbindung zu Hause.

Wir haben in Schleswig-Holstein schon ein Landesgesetz, was eine UKW-Abschaltung beinhaltet.

Christoph Lemmer: Es gab auch in Deutschland Pläne, UKW abzuschalten. Die sind hinterher wieder kassiert worden. Das krasseste Beispiel dafür war Sachsen-Anhalt. Erkennen Sie irgendwelche politischen Signale in Bundesländern, an diesem Weg festzuhalten? Oder wie sehen Sie die Perspektiven, die sich die Politik im Augenblick dabei gibt?

Michael Radomski: Es gibt sehr unterschiedliche Initiativen in den Bundesländern. Da gibt es allerdings zwei, die kann man herausstellen: Das ist einmal Bayern, wo eine sehr starke DAB+ Initiative gefahren wird und gesagt wird, wir wollen eigentlich UKW nicht mehr so unbedingt, auch von der Politik her, wobei weniger von den Parteien, sondern von den Regulierern, den Landesmedienanstalten. Interessant ist Schleswig-Holstein. Die haben ihren Medienstaatsvertrag geändert und haben dort reingeschrieben, dass UKW-Ketten nicht mehr verlängert werden dürfen über die heute bestehenden Frequenzzuweisungen. Das heißt, dort ist schon ein praktischer UKW-Ausstieg gesetzlich geregelt. Wir haben also in Schleswig-Holstein ein Landesgesetz, was eine UKW-Abschaltung beinhaltet.

Christoph Lemmer: Halten Sie das für realistisch, dass Schleswig-Holstein das durchhalten wird?

Michael Radomski: Man muss sich das da sehr genau anschauen. Da bleiben große Teile von UKW bis in die 2030er Jahre geschützt, weil die Frequenzen bis dahin vergeben sind. Das heißt, die Hörer werden, wenn es denn überhaupt so weit kommt, einfach nur den Kanal wechseln, womit noch gar nicht so viel verloren ist. Wissen tut das aber keiner.

Christoph Lemmer: Was glauben Sie, wir wird der Radioempfang in zehn Jahren aussehen?

Michael Radomski: Das ist dann 2033. Ich glaube, da wird möglicherweise immer noch eine Mehrheit der Nutzer Audio über UKW hören, ein bisschen mehr als heute DAB+ und ich glaube, dass 2033 Online-Audio deutlich zugelegt haben wird.

Es gibt irgendwann diesen Tipping-Point, wo das Ganze dann kippt, wo sich die Entwicklung [zu Gunsten von Online Audio] dann deutlich beschleunigt.

Christoph Lemmer: Und wenn Sie die Entwicklung weiter antizipieren – wird der Anstieg von Online beschleunigen oder wird es linear weitergehen?

Michael Radomski: Nein. Es wird irgendwann einen Tipping-Point geben. Das ist jetzt natürlich Glaskugel, aber was mir Menschen sagen, die sich noch intensiver mit dem Thema auseinandersetzen, ist: Es gibt irgendwann diesen Tipping-Point, wo das Ganze dann kippt, wo sich die Entwicklung dann deutlich beschleunigt. Das kann Ende der 20er sein, das kann Anfang der 30er sein, das kann vielleicht aus erst Mitte oder Ende der 30er sein. Spannender ist eigentlich die Frage, wird in der Regulierung vorher irgendetwas getan, was den Markt einfach beschleunigt in seiner Entwicklung. Wenn das nicht passiert, wäre mein Best Guess: Anfang oder Mitte der 30er werden wir da deutliche Verschiebungen sehen.

Christoph Lemmer: Danke für das Gespräch.


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