Mein erstes Praktikum im Studium war in einer Metallwerkstatt. Also laut. Doch das unangenehmste Geräusch war gar nicht mal so laut: Ein Radio lief den ganzen Tag – Bayern 3. Musikalisch und mit den dauernden Verkehrsmeldungen bereits zutiefst lästig. Aber vor allem die Werbung…kein Werbeblock ohne nervige Duplo-Werbung. Die damals „längste Praline der Welt“ ist mir bis heute verhasst, würde ich nicht mal geschenkt essen wollen, die Werbung war ähnlich penetrant wie einige knapp an der Genfer Konvention vorbeischrammende aktuelle Werbespots.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist auf Werbung eigentlich nicht angewiesen, steckte sie jedoch ausgerechnet auf die neuen Autofahrer-Kanäle, um sich Radio Luxemburg auch hier anzupassen, das den Verkehrsservice im Radio ursprünglich eingeführt hatte.
Werbung muss sein
Als endlich private Anbieter zugelassen wurden, war man glücklich, dem Jazz-Latino-Gedudel von Bayern 3 zu entkommen. Der Werbung entkam man natürlich nicht, die war für die neuen Sender ja nun mal die einzige Option, sich zu finanzieren und man freute sich sogar, dort Werbung zu hören. („Flotte Musik mit flotter Werbung“, so ein Werbekunden lockender Slogan jener Tage von Radio M1). Nur der dieser Tage schließende Kultladen Jeans Kaltenbach mit ebenso kultiger Print-Werbung war im Radio mit seiner Werbung plötzlich nicht mehr kultig, sondern nervig. Und irgendeine Versicherung, die in ihrem Spot einen Wagen von rechts nach links durch die Stereobasis schleudern und crashen ließ, was bei mir eine erschrockene Vollbremsung und infolgedessen fast einen echten Crash auslöste.
Alles andere ertrug man, die Musik entschädigte ja dafür. Und selbst beim AFN, einem echten „Staatsfunk“, gab es ja Werbespots, wenn auch natürlich nur für die Army und – schon damals – gegen Energieverschwendung. Die man auch da gerne ertrug für das gute Programm.
Das gute Programm ist heute vielerorts Geschichte, die Werbung als ungeliebtes, aber für die Sender überlebensnotwendiges Übel ist geblieben. Selbst ehemalige Piratensender nerven mittlerweile mit so manchem sich halbstündig wiederholenden Werbespot, was jedoch auch hier immer schon dazugehörte; zumindest die dubiosen religiösen Ausstrahlungen sind auf diesen Sendern nun Vergangenheit.
Aber muss Werbung so sein?
Die Werbung wird inzwischen meist einheitlich zur halben und vollen Stunde als Block ausgestrahlt, damit man ihr nicht einfach durch Zappen auf einen anderen Sender entkommen kann. Das führt dann allerdings zu teils recht langen Blöcken. Besonders unangenehm wird es empfunden, wenn dann auch noch auf einen regulären Wortbeitrag erst Eigenwerbung für eigene Sendungen und Veranstaltungen des Senders folgt und anschließend die „echte“ Werbung und man so auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause lediglich erfährt, welche Musik der Sender spielen würde, wenn denn nicht gerade die Werbung liefe, sie aber nicht mehr rechtzeitig zu hören bekommt.
Pre Roll-Erpressung: Erst Werbung, dann Programm
Noch schlimmer ist es allerdings beim Hören über Internet Streams oder gar Smart Speaker: Hier wird ebenfalls Werbung eingeblendet, als Unterbrecherwerbung oder Pre Roll. Lästig sind beide, die Unterbrecherwerbung fährt rücksichtslos mitten in die Musik oder die Nachrichten, wenn keine speziellen „Sollbruchstellen“ im Programm definiert sind und die Pre Roll-Werbung nervt alleine schon dadurch, dass das Programm gleich mit dem unangenehmsten Programmbestandteil beginnt – und dies wirklich jedes Mal, und meist auch noch immer mit demselben Werbespot. Da hilft es auch nicht, den Sender zu wechseln, wenn man die ständige Ikea- oder Opti-Megastore-Werbung an diesem Tag nicht zum 10. Mal hören will: Bei einem anderen Programm geht es sofort wieder mit derselben Werbung von vorne los. Und wer „zappt“, hört nur noch Werbung und gar kein Programm mehr.
Wenn es sich um kein reines Internetradio handelt, sondern eine normale terrestrische Station, wird die Werbung im Stream auf die bereits gesendete Werbung obendrauf gepackt. Bei der Unterbrecherwerbung ist es noch möglich, diese anstelle der regulären Werbung einzublenden, aber die Pre Roll-Variante wird immer zusätzlich vor den Stream gesetzt. Pech, wenn man erst eine Minute vor den Nachrichten eingeschaltet hat: Die sind längst durch, bis alle Werbespots abgelaufen sind.
Die Werbung vor der Werbung vor der Werbung
Besonders schlimm wird es mit Smart Speakern: Der Aggregator Tune in setzt hier noch einmal nach seinem Jingle ein oder zwei eigene Pre Roll-Spots vor die bereits zum Stream gehörenden Pre Roll-Spots, wenn man nicht 10 € im Monat für einen Premium-Account zahlen will. Oft genau dieselben, die gerade „aktuell“ sind und auch schon im regulären Werbeblock und Stream laufen. Schaltet man hier vorbeugend schon eine Handvoll Minuten vor den Nachrichten ein, so kommen erstmal zwei Spots von Tune in, dann einer vom Stream selbst, und dann die reguläre Werbung vor den Nachrichten. Bis dahin hat die Hälfte der Hörer kapituliert, stellt leise und verpasst so die Nachrichten oder schaltet ganz aus.
Wird der Stream unterbrochen, was beispielsweise bei einem Klingeln an der Tür mit WLAN-Klingeln wie Amazon Ring passieren kann, oder hat ein Kind gekräht Ok Google, spiele „Theo mach‘ mir ein Bananenbrot“ , so kann man wieder von vorne anfangen.
Und warum ist es so eine Plage geworden mit der Werbung? Nun, ein Senderchef verriet das Folgende off records, und nein, die Redaktion wird auch unter Drohung von Folter mit über drei Stunden Werbebeschallung am Stück seine Identität nicht verraten:
Das ist schon ein Kreuz mit der Werbung…nervt mich selber…aber damit wird eben Kohle verdient…und diese Pre- und In Stream-Nummer ist immer mehr im Kommen…die Kunden suchen eben nach Möglichkeiten, noch direkter ihre Zielgruppen anzusprechen oder bestimmte Regionen zu pushen…da müssen wir mithalten. Und nachdem wir verschiedene Vermarkter haben, buchen auch alle unterschiedlich ein…dann sind es zwei bis drei Spots, bevor es losgeht…manchmal sogar zwei Mal der gleiche Spot. Aber das haben wir mittlerweile bei allen kommerziellen Sendern.
Man kommt ihr also nicht aus, der Rundfunkwerbung, „unskippable, unblockable“, wie uns ein Werbespot für Werbespots auf Radio Caroline verrät. Weshalb Chefs oft Radiohören am Arbeitsplatz untersagen, auch wenn das frühere Argument der beim Radiohören in Unternehmen unbezahlbaren Rundfunkgebühren inzwischen nicht mehr zählt. Dagegen ist halt schwer zu argume-
<<<MEEEGA!>>>
* Ok Google, Schnauze verdammt nochmal!!! *
<Entschuldigung, das habe ich nicht verstanden!>
* Ok Google, Musik aus! *
Über den Autor:
Wolf-Dieter Roth, Dipl.Ing. Nachrichtentechnik, ist Radiofan seit der Kindheit und war in den Datennetzen über Festnetz und (Amateur-) sowie Mobilfunk schon aktiv, als 1200 und 9600 Bit/s als „schnell“ galten und man gewohnt war, die eingehenden Daten live mitlesen zu können. Beruflich ist er in Elektronik, Internet- und Funktechnik, Fachjournalismus, PR und Marketing zu Hause.