Ist da die Maus drin? Oder: Wie macht man Radio für Kinder attraktiv?

Der Westdeutsche Rundfunk aus Köln bringt jetzt die „Sendung mit der Maus” auch im Radio. Dafür hat Technisat ein spe­zi­el­les „Mausradio” auf den Markt gebracht. Doch wird Radio damit für Kinder interessant?

Das Technisat Digitradio1 im Mausdesign
Das Technisat Digitradio1 im Mausdesign

Viele Jahrzehnte war Radio ein Medium, das auch Kinder begeis­ter­te und das ihnen eher offen­stand als das Fernsehen: Die Glotze hat­te den Platz des Radios im Wohnzimmer ein­ge­nom­men und jenes durf­te des­halb in die Küche, das Schlaf- oder gar das Kinderzimmer wan­dern und war somit für den Nachwuchs ver­füg­bar. Der Pumuckl von Ellis Kaut wur­de so als Hörspielserie im Bayerischen Rundfunk berühmt, lan­ge bevor er auch als Buch, als Fernsehserie und als Film erschien, eben­so spiel­ten Manfred Sexauer oder Thomas Gottschalk im Radio eine grö­ße­re Rolle für Jugendliche als der „Beat-Club” im Fernsehen.

Tablets kön­nen nicht Radio hören

Heute gibt es neben Kinderfernsehprogrammen gemisch­ter Qualität (bei „Toggo” von Super RTL fehlt eigent­lich das Label „Dauerwerbesendung”...) auch von Amazon spe­zi­ell für Kinder aus­ge­leg­te Tablets, auf denen neben Büchern und Internet auch YouTube und der von Amazon gekauf­te Hörbuch-Dienst Audible für eine Flatrate ver­tre­ten sind. Radio über Antenne hören kann man damit aller­dings nicht - die Radio-Chips, die in man­chen Smartphones ver­baut sind, wer­den ohne­hin meist gar nicht erst akti­viert und kön­nen mit Ausnahme eines ein­zi­gen inzwi­schen his­to­ri­schen Geräts von LG auch kein Digitalradio (DAB+) emp­fan­gen, son­dern nur UKW.

In Tablets wer­den die­se Chips jedoch erst gar nicht ver­baut. Es soll schließ­lich Traffic im Internet gene­riert wer­den - das freut die Kraftwerksbetreiber und Freunde der Erderwärmung. Die Sender wer­den dage­gen auf die­se Art arm - jeder Internet-Hörer kos­tet extra. Der Westdeutsche Rundfunk Köln hat­te des­halb zur Jahrtausendwende noch eine Zeitbegrenzung auf sei­nen Audio-Streams - nach 20 Minuten war Schluss mit Lustig, aus die Maus!

E-Mail? Pay-TV? DAB? Das Böse hat für den ÖRR vie­le Gesichter...

Nun ist der Westdeutsche Rundfunk Köln ohne­hin kein Freund des Internets. Er star­te­te zu eben jener Zeit eine „Internet-Offensive” - eine Offensive ist ein Angriffskrieg, und das nahm man wört­lich. Der öffent­lich-recht­li­che Rundfunk sieht das Internet als sei­ne „drit­te Programmsäule”, wes­halb auch er dafür Gebühren kas­sie­ren woll­te und nicht etwa die Provider, und alles ande­re als öffent­lich-recht­li­che Audio- und Video-Streams muss da weg. So ein Lob des Autors auf das deut­sche öffent­lich-recht­li­che Rundfunksystem, das zusam­men mit dem Rest der Website und vor allem allen E-Mail-Adressen ein­kas­siert wur­de: Plötzlich soll­ten die Wünsche des Chefs auf dem Tisch des Intendanten lan­den statt auf mei­nem, eben­so wie die mei­ner Familie und Partnerin, vom Zugriff auf mei­ne Amazon- und Ebay-Accounts und das Gehaltskonto ganz zu schweigen.

Also ist der Sender ein Freund des klas­si­schen Rundfunks? Nein, auch das nicht unbe­dingt: Das Pay-TV über Satellit ist eben­so böse wie Homebanking oder E-Mail im Internet, weil mit Passwort ver­se­hen, also nicht für jeden offen, son­dern nur für den jewei­li­gen Kunden. Öffentlich-recht­li­che Intendanten kön­nen sich selbst­ver­ständ­lich auch den Zugriff auf frem­de Konten und Kreditkarten per einst­wei­li­ger Verfügung holen - bei ande­ren nennt man so etwas dage­gen Hacking, Kartensharing und Phishing und es ist strafbar.

Und DAB(+) - Digitalradio? Auch das war für Fritz Pleitgen des Teufels, par­don, Bayerischen Rundfunks, und ein wei­te­rer Grund, mich als Feind und Gegner zu bekämp­fen, nur weil ich dar­über Berichte schrieb. Erst Monika Piel för­der­te es - und sich selbst wohl auch damit aus dem Intendantenposten.

Öffentlich-recht­li­che Väter und kom­mer­zi­el­le Töchter

Dennoch gab es von Technisat schon ein­mal ein Kiraka-DAB+-Kinderradio, und nun gibt es ein Mausradio, denn das Kinderradioprogramm des Westdeutschen Rundfunks als Pendant zum Kika im Fernsehen wur­de durch eine ganz­tä­gi­ge „Sendung mit der Maus” ersetzt. Immerhin eine bes­se­re Marketingidee der „WDR media­group”, der „kom­mer­zi­el­len Tochter des Westdeutschen Rundfunks Köln”, die einst nur die Rundfunkwerbung orga­ni­sier­te, heu­te aber all das rund ums Geldverdienen macht, das ein öffent­lich-recht­li­cher Sender eigent­lich nicht machen darf, als das Mausbrot, bei dem es doch als Maus- und Brot-Liebhaber viel ein­fa­cher gewe­sen wäre, wei­ter bei Müller-Brot einzukaufen.

Kratz kratz, schnüf­fel schnüf­fel, klap­per klapper...

Ein Digitalradio mit Maus-Bezug ist also schon ein muti­ger und posi­ti­ver Schritt eines Senders, der sich mit allem Digitalen lan­ge so schwer tat. Die Basis des Technisat Mausradios ist das Technisat Digitradio1. Kann denn das „Mausradio” die Kinder tat­säch­lich wie­der vom Tablet zum Radio locken?

Nein, lei­der nicht, aus meh­re­ren Gründen:

  • Das Radio ist nicht wirk­lich kind­ge­recht. Nur das Gehäuse ist im „Mausdesign” bedruckt, das Radio aber ein ganz nor­ma­les Erwachsenenmodell. Tatsächlich warnt die Anleitung sogar davor, es Kindern zu über­las­sen. Und klar, die Teleskopantenne kann ins Auge gehen und abbre­chen. Auch die Bedienung ist nicht auf Kinder ausgerichtet.

  • Das Radio bie­tet nur Radio und sonst nichts. Kinder wol­len auch ger­ne CDs/MP3s hören. Im Zweifelsfall zie­hen sie eine „Toniebox” dem Radio vor.
  • Das neue Programm des Westdeutschen Rundfunks ist zwar wer­be­wirk­sam, weil „die Maus” jeder kennt. Doch kann sie ja nicht spre­chen, was im Radio ohne Bild etwas ungüns­tig ist, mehr als das Klappern der Augenlieder, das Kratzen und das Schnuppern sind hier nicht zu hören. Es ist auch kein tages­fül­len­des Programm, es wird viel wie­der­holt und ein Podcast täte es eigent­lich auch.
  • Das neue Programm ist gar nicht deutsch­land­weit zu hören.

Ok, das sind ande­re Kinderprogramme wie Radio Teddy auch nicht - und die­ser Sender ver­är­ger­te sei­ne Hörer, die zur lan­des­wei­ten DAB+-Verbreitung in Hessen extra ein DAB+-Radio ange­schafft hat­ten: Als er als Alternative zur lan­des­wei­ten rausch­frei­en Versorgung eine ein­zel­ne, schwa­che UKW-Frequenz im Großraum Frankfurt bekom­men konn­te, gab er DAB+ sofort wie­der auf. Zwar star­te­te er in ande­ren Bundesländern wie Bayern neu auf DAB+ - aber ein DAB+-Kinderradio für Radio-Teddy-Hörer wäre auch dort kei­ne siche­re Investition - man weiß ja nie, ob die Betreiber dann das lan­des­wei­te DAB+ wie­der gegen einem klei­nen 100-W-Sender in einem Münchner Vorort tau­schen und den Rest Bayerns mit einem „äll­a­b­ätsch” im Rauschen ver­sin­ken las­sen. Zudem: Werbung und Kinderprogramm sind wirk­lich kei­ne gute Kombination, sie­he „Toggo” - man hat dann quen­geln­de Kinder am Hals, die alles Mögliche gekauft haben wollen.

Von daher wäre das Kölner Kinderprogramm durch­aus bes­ser - wenn es halt nicht gera­de von die­sem Sender käme...

Das rich­ti­ge Technisat-Kinderradio kommt erst noch!

Doch Technisat weiß dies und sieht das Mausradio ganz rea­lis­tisch ledig­lich als eine Designvariante, die auch man­chen Erwachsenen locken könn­te, der sich die­ses Modell als Erinnerung an sei­ne Kindheit auf den Büro-Schreibtisch stellt. Eine „Mausradio”-Taste wie bei ande­ren für einen Sender spe­zi­ell her­ge­rich­te­ten Varianten des Digitradio1 gibt es des­halb gar nicht erst, um Käufer außer­halb des Sendegebiets nicht zu frustrieren.

Wie ein rich­ti­ges, kind­ge­rech­tes Radio aus­se­hen soll­te, dar­über macht man sich bei Technisat dage­gen ganz ohne den Westdeutschen Rundfunk und sei­ne Maus schon län­ger Gedanken - der gro­ße Erfolg der Tonieboxen mit ihren noch über dem Preis von CDs lie­gen­den Figuren zeigt hier den Weg. Es wird ein Radio sein, das auch Tonträger - wel­cher Art auch immer - abspie­len kann und wirk­lich für die Benutzung durch Kinder ent­wi­ckelt wurde.

In eini­gen Monaten soll das neue Gerät auf den Markt kom­men - man darf gespannt sein. Und im Gegensatz zu Toniebox, Amazon-Kindertablet & Co. wird es Radio empfangen!

Update vom 8. Juni 2020: Das Maus-Radio ist ab sofort im Handel verfügbar


Wolf-Dieter RothÜber den Autor:
Wolf-Dieter Roth, Dipl.Ing. Nachrichtentechnik, ist Radiofan seit der Kindheit und war in den Datennetzen über Festnetz und (Amateur-) sowie Mobilfunk schon aktiv, als 1200 und 9600 Bit/s als „schnell” gal­ten und man gewohnt war, die ein­ge­hen­den Daten live mit­le­sen zu kön­nen. Beruflich ist er in Elektronik, Internet- und Funktechnik, Fachjournalismus, PR und Marketing zu Hause.