Wenn ich über das Thema Radio rede, tue ich das nicht gerne unter negativen Vorzeichen. Und ich mag es schon gar nicht, wenn Leute das Radio – ein Medium, das ich liebe – mit einer Kakerlake vergleichen, einem Insekt, das ich hasse.
Manche Kakerlaken können einen ganzen Monat ohne Nahrung auskommen oder sie überleben, indem sie sich ausschließlich vom Klebstoff einer Briefmarke ernähren. Und wenn jemand meinen sollte, nach einem Atomkrieg wäre alles zu Ende, der dürfte sich schwer wundern: Diese Biester sind 15 Mal so resistent gegen radioaktive Strahlung wie wir. Kurzum: Wenn Kakerlaken einmal da sind, wird man sie nur schwer wieder los.
Und das Radio? Nun…
In Großbritannien erschien gerade die neueste Radioumfrage. Bemerkenswert gründliche Daten, die (im Gegensatz zu vergleichbaren Daten, etwa in Australien oder Malaysia) wirklich landesweit erhoben wurden. Keine Radiostation wird bei der Messung ausgelassen, egal ob sie es letztendlich in die veröffentlichten Zahlen schafft. Und man ist schonungslos offen über die Verweildauer der Hörer und (im Gegensatz zu den USA oder Kanada) über die Reichweite in der Bevölkerung. Umfragen wie diese werden seit 1999 durchgeführt, und seitdem so ziemlich immer auf gleiche Weise. Es stecken also 20 Jahre Daten dahinter, obwohl sich die Methodik im Laufe der Jahre natürlich schon geändert hat.
Ich habe mir mal all die 20 Jahre an Umfragedaten vorgenommen und habe zwei Graphiken daraus zusammengestellt.
Eine Graphik zeigt die Anzahl der Leute, die in Großbritannien Radiohören. 1999 hörte 89% der Bevölkerung mindestens einmal pro Woche Radio. 2019, ganze 20 Jahre später, ist diese Zahl nach wie vor bei 89%.
1999 war der beste Internet-Anschluss, den man in Großbritannien bekommen konnte, gerade einmal 512 kbps schnell. Napster kam 1999 auf, iTunes 2003, Spotify 2008. Damals, 1999, hatten die Handys noch kein eingebautes WLAN, und UMTS kam erst 2003. YouTube wurde 2005 lanciert, das erste iPhone erblickte erst 2007 das Licht der Welt. Wir haben in den vergangenen 20 Jahren erhebliche Veränderungen erlebt. Veränderungen, die eigentlich – so sollte man meinen – dem Radio den Garaus hätten machen sollen.
Aber die zweite Grafik, die ich hier gezeichnet habe, zeigt die Zeit, die Radiohörer wöchentlich auf das Radiohören verwenden. Laut den neuesten Zahlen liegt diese bei 20,8 Stunden pro Woche. Und ja, die Zahlen sind rückläufig, und wir können erwarten, dass dies so weitergehen wird. Aber dass der Verlust nach 20 Jahren immer noch geringer als 10% ausfallen wird – wer hätte das gedacht?
Klar, manche werden es jetzt auf die Umfragemethoden schieben (anscheinend reicht es nicht aus, jedes Jahr 100.000 Leute zu befragen – unterschiedliche Leute wohlgemerkt). Manche verweisen darauf, dass die Bevölkerung vergreist, andere werden auf einen starken Abfall unter jüngeren Zielgruppen verweisen. Aber all das ändert nichts an der Tatsache, dass das Radio – insgesamt betrachtet –resistent ist gegen so ziemlich jeden Angriff.
Eigentlich sollten wir stolz darauf sein, dass wir die Kakerlake unter den Medien sind. Aber umso stolzer darauf, dass wir uns – im Gegensatz zur Kakerlake – eben doch immer noch weiterentwickeln.
Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine, berät eine Vielzahl von Radiosendern und veröffentlicht den täglichen Podcast-Newsletter podnews.net. James hat über 30 Jahre bei Radiosendern in Großbritannien, Australien und Kanada gearbeitet; bei Virgin Radio UK entwickelte er die weltweit erste Radio-Streaming-App. Er lebt in Brisbane, Australien. https://james.cridland.net