Sebastian Voigt: 80s80s ist aus eigenen Bedürfnissen der Macher entstanden

80s 80s RadioSchön waren sie, die 80er Jahre – zumindest für alle, die aktiv dabei sein durften. Und musikalisch durchaus wertvoll. Ob diese Dekade, wie oft behauptet, für die Musikwelt aber auch das kreativste Jahrzehnt der Musikgeschichte war? Wohl eher nicht … aber wer kann das überhaupt mit Sicherheit belegen? Zumindest waren die 80er unter kommerziellen Gesichtspunkten ein goldenes Zeitalter für die Musikwirtschaft, deren Umsätze mit Superstars wie Madonna, Michael Jackson, Phil Collins oder Herbert Grönemeyer und Bap hierzulande, sowie Trends wie der „Neuen Deutschen Welle“ in bislang ungekannte Größenordnungen vorstießen. Auch die Einführung der CD ließen die Kassen bei den Musikkonzernen und im Tonträgerhandel kräftig klingeln. Die Branche professionalisierte in dieser Zeit ihre Geschäftsmodelle, auch die Mitarbeiterzahlen erreichten in diesen Jahren ihren Höchststand. Zudem wuchs die Bedeutung der Medien als willkommene Promotionlokomotiven – wie etwa des gerade eingeführten Musikfernsehsenders MTV sowie der damaligen Radiosender. Hatte sich der Hörfunk zuvor eher zurückhaltend beim Einsatz von neuen Songs gezeigt, änderte sich die Praxis ab Mitte des Jahrzehnts und dem Aufkommen erster deutscher Privatsender mit ihren zaghaften Ansätzen von formatiertem Programmabläufen grundlegend. Bald schon verfügten (zumindest) die meisten Masse-attraktiven Programme über eine aktuelle Playliste auf der die gerade angesagten Neuerscheinungen und Hits rotieren. Und die Musikbranche profitierte kräftig durch diese zusätzlichen Promotioneffekte, aber auch von den einhergehenden stärker sprudelnden GVL-Einnahmen. Die Plattenfirmen entlohnten ihre Mitarbeiter als Anreiz, so wird berichtet, mit Bonuszahlungen für gezielt platzierte Plays – demnach erhielten Promoter für den Einsatz eines Newcomers bei einem wichtigen Sender gelegentlich bis zu 10 Mark. Schön war’s.

Die Songs der 1980er-Jahre sind bei vielen Radiosendern auch heute noch immer unverzichtbare Programmbausteine. Bei manchen Stationen wie etwa Radio Berlin 88.8, Hamburg ZWEI, Bayern 1 oder Antenne Brandenburg stellen die Hits aus diesem Jahrzehnt sogar die dominierende Musikdekade.

Seit dem 17. Juni 2015 gibt es mit Radio 80s80s sogar ein terrestrisch sendendes einschlägiges Dekadenangebot. Der Sender versteht sich „als Spartenprogramm mit Fokus auf Musik, Stars und Lebensgefühl aus den Jahren 1980 bis 1989.“ Radio 80s80s ist über DAB+ in Hamburg zu empfangen. Zusätzlich ist die digitale Radiomarke aus dem Haus des Radiounternehmens REGIOCAST deutschlandweit auch in digitalen Kabelnetzen sowie online über die Webseite und die App zu hören. 80s80s verbreitet ergänzend zum Hauptprogramm noch eine Reihe weiterer 80er-Webradio-Kanäle mit spezieller musikalischer Ausrichtung.


Im Gespräch mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich zieht Sebastian Voigt, Programmdirektor digital bei der REGIOCAST, eine zufriedene Bilanz zum bisherigen Sendeverlauf von Radio 80s80s. 

RADIOSZENE: Mit dem Programmangebot 80s80s erfüllen Sie die offenbar weiterhin immense Nachfrage nach den großen Hits aus den 1980er-Jahren. Ist die Sehnsucht nach den Songs aus dieser Zeit unstillbar … wie hoch ist der Anteil der Menschen, die sich Musik aus dieser Zeit wünschen?

Sebastian Voigt RegiocastSebastian Voigt: Wir geben zu, wir kennen jetzt nicht jeden. Aber gefühlt gibt es in Deutschland schon ein paar Leute, die die 80er Jahre erlebt haben, sich noch daran erinnern können – was sich ja eigentlich per se ausschließt pastedGraphic.png – und die Lust haben, auch im Hier und Heute die Musik von damals zu hören. Dazu kommt auch eine jüngere Generation, die diese Musik neu für sich entdeckt. Es gibt aber definitiv wesentlich mehr Schlagerfans in Deutschland, von daher ist das, was wir bei 80s80s machen, schon definitiv eine Nische. 

 

„Es gibt definitiv wesentlich mehr Schlagerfans in Deutschland, von daher ist das, was wir bei 80s80s machen, schon definitiv eine Nische“

 

RADIOSZENE: Welche Art von Stücken sind bei 80s80s zu hören? Nur die großen Hits aus den Charts oder auch weniger bekannte Vertreter aus dieser Zeit?

Sebastian Voigt: Es ist in unseren Augen eine ganz gute Mischung, die sich in der Programmierung schon deutlich von einem normalen Oldie-Sender oder einem 80er-Hitkanal eines normalen großen AC-Senders unterscheidet. Unser 80s80s-Portfolio umfasst auch eine große Zahl an Spezialstreams für eigene musikalische Genres oder Fanradios, wie zum Beispiel unser Prince-, Depeche Mode- oder Michael-Jackson-Radio. Da wird es dann natürlich auch musikalisch spezieller.

RADIOSZENE: Benötigt man bei der Gestaltung eines Dekaden-Formats zur Vermeidung aufkommender Eintönigkeit beziehungsweise zu häufiger Wiederholungen nicht eine sehr umfangreiche Titel-Rotation?

80s80s Logo Depeche Mode negSebastian Voigt: Man braucht einen ausreichend großen Pool, um die entsprechenden Zielstellungen zu erreichen. Wer sich mal tiefer mit Musikrotationen beschäftig hat, der weiß: Mehr Titel bedeutet nicht zwangsläufig eine abwechslungsreichere Musikmischung. Im Zweifel zählt für uns immer der Sound-Fit eines Songs. Passt er zur Aussage und Wirkung, die wir mit 80s80s beabsichtigen, dann wird er gespielt.

RADIOSZENE: Berücksichtigt die Musikauswahl auch deutsche Titel, wie etwa die Songs der Neuen Deutschen Welle?

Sebastian Voigt: Ja und dafür haben wir zusätzlich einen speziellen Kanal, nämlich 80s80s NDW.

RADIOSZENE: Welche redaktionellen und moderierten Elemente sind zudem im Programm zu hören?

Sebastian Voigt: Wir haben ein komplett moderiertes Tagesprogramm inkl. Nachrichten – in Hamburg bieten wir auch regionale Infos wie Veranstaltungen, Wetter und Service an -, sowie sonstige redaktionelle Rubriken. Dazu produzieren wir Spezialsendungen wie die wöchentlich von den Hörern gevoteten 80er Jahre-Charts am Sonntag. Im Vergleich zu normalen Chartsendungen ist diese sehr überraschend und dynamisch und daher ändert sich die Top 40 von Woche zu Woche ziemlich drastisch.

RADIOSZENE: Sicher kommt Ihnen entgegen, dass viele landesweite AC-Wellen den Umfang der 80er Songs immer weiter reduzieren. Dennoch gibt es Programme – wie mit Hamburg Zwei im Sendegebiet Hamburg, die ebenfalls noch einen guten Anteil an Hits der 1980er-Jahre im Programm haben. Wie grenzen Sie sich von diesen Angeboten ab?

Sebastian Voigt: 80s80s ist als Markenkonzept aus eigenen Bedürfnissen der Macher entstanden. Wir wollten ein Radioformat für die 1. Generation MTV schaffen, die vom Alter eben jetzt zwischen 40 und 50 sind, aber niemals einen Sender mit einem Oldie-Appeal einschalten würden. Also haben wir einen Sender geschaffen, der eine zeitgemäße Anmutung und Ansprache hat und dazu eben Musik aus den 80ern spielt. Wir produzieren ein national ausgerichtetes Programm für eine bestimmte Bedürfniszielgruppe, nicht ein regionales Produkt, das wir gegen einen regionalen Oldiesender programmieren.

RADIOSZENE: Gibt es bereits Zahlen über die Akzeptanz und Hörerzusammensetzung von 80s80s?

Sebastian Voigt: Ja, die Reichweite von 80s80s wächst kontinuierlich und das Feedback der Hörerinnen und Hörer über die sozialen Kanäle oder in der App überwiegend sehr positiv.

 

„Wir wollten ein Radioformat für die 1. Generation MTV schaffen, die vom Alter eben jetzt zwischen 40 und 50 sind, aber niemals einen Sender mit einem Oldie-Appeal einschalten würden“

 

RADIOSZENE: 80s80s verfügt zusätzlich über ein kompaktes Paket an Spartenkanälen, die im Internet verbreitet werden. Neben Streams wie „Love“ oder „Party“ verfügen Sie auch über reine Artist-Kanäle, auf denen ausschließlich Musik eines Interpreten – wie von Prince oder David Bowie zu hören ist. Wie werden diese Angebote genutzt?

Sebastian Voigt: Wir sprechen hier vor allem über Memoriam-Kanäle, in denen man kuratiert in das Werk eines Künstlers eintauchen kann. Übrigens spielen wir hier auch besondere Versionen oder auch Songs, die der Künstler für andere geschrieben hat etc. Das ist wichtig, insbesondere als Markenstatement, in dem Moment, in dem der Künstler die Welt verlässt – das wird aber, so nehmen wir es wahr, immer unwesentlicher je länger der Künstler tot ist. Grundsätzlich betrachten wir 80s80s als eine Markenwelt mit unterschiedlichen Angeboten, also spielt das Portfolio der Kanäle für uns eine große Rolle.

RADIOSZENE: Der Sender wird neben der Verbreitung als Webradio und im deutschlandweiten Kabel zudem via DAB+ in Hamburg ausgestrahlt. Gibt es Pläne für weitere digital-terrestrische Sendeplätze?

Sebastian Voigt: Wir sind grundsätzlich offen für zusätzliche Verbreitungschancen. Wir wollen aber vor allem mit allen Marken des digitalen Portfolios der REGIOCAST digital terrestrische Erfahrungen sammeln. Daher ist zum Beispiel in Sachsen statt 80s80s die Schwestermarke 90s90s über DAB+ zu empfangen. Sofern es Sinn ergibt, können wir uns aber für 80s80s auch DAB+ in anderen Gebieten Deutschlands vorstellen.

RADIOSZENE: Welche Zwischenbilanz ziehen Sie für 80s80s und wie sind Ihre Erfahrungen der DAB+ Ausstrahlung?

Sebastian Voigt: Wir setzen bei den digitalen Marken der REGIOCAST auf ein organisches Wachstum. Insofern sind wir mit der Entwicklung der Marke wirklich zufrieden. Auch die Verbreitung via DAB+ halten wir für eine sehr sinnvolle Ergänzung unserer Web-Aktivitäten. Wir werden die Marke auch in Zukunft weiter ausbauen und optimieren.