Kooperationen und Experimente standen im Vordergrund der Diskussion beim Audiogipfel im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN. Vor allem die modernen Sprachassistenten bieten Chancen, neue Zielgruppen zu erreichen. Zugleich wurde klar, dass der traditionelle UKW-Empfang vorerst die Grundlage für den Hörfunk in Deutschland bleiben wird.
Mit einer Bestandsaufnahme der Situation im Hörfunk leitete Franz Josef Pschierer den Audiogipfel ein. „Selbst Skeptiker sehen bei DAB+ den Point of no Return überschritten“, sagte der Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie. Mit einer Tagesreichweite von 22 Prozent sei DAB+ nach dem UKW-Empfang der stärkste Verbreitungsweg, noch vor Web-Radio. In Bayern verfügten etwa zwanzig Prozent der Haushalte über DAB+. Sollte der Bayerische Rundfunk komplett auf die neue Technologie umsteigen, plädierte der Staatssekretär dafür, die frei werdenden analogen Frequenzen abzuschalten. Zugleich erteilte Pschierer den Vorschlägen eine Absage, die Digitalisierung der privaten Anbieter durch Subventionen zu unterstützen.
„Der Medienwandel ist heute so schnell wie nie zuvor“, stellte Walter Schmich, Leiter Programmbereich bei Bayern 1, Bayern 3 & Puls, fest. Um dabei die relativ große Stärke des Hörfunks zu erhalten, nutze der Bayerische Rundfunk alle Ausspielwege und Multiplattformen. BR 1 beispielsweise mache mit Facebook sehr gute Erfahrungen. „Wer uns Social Media verbieten will, kann gleich den Stecker ziehen“, betonte Schmich. Um junge Zielgruppen anzusprechen, werde bei Puls experimentiert oder mit Spotify kooperiert.
„Kooperationen sind das Beste“, stimmte Sven Bieber, Director Audio Sales des Musik-Streamingdienstes Spotify, zu. Sein Mehrwert für die Partner: Täglich fallen hundert Millionen Datenpunkte bei Spotify an. Bei der Vermarktung setzt Bieber auf den klassischen Werbezeitenverkauf, bietet jedoch „Nutzungsmomente“ statt Kontakte an. Die Monetarisierung von Podcasts gehen die Manager des schwedischen Unternehmens nach eigener Aussage langsam an und haben zunächst nur ein Presenting im Programm. Trotzdem soll der sechs- bis siebenprozentige Werbemarktanteil der Audio-Branche insgesamt gesteigert werden. „Da muss mehr gehen“, spornte Bieber die Branche an.
Einige Experten sehen das Medium im Kern bedroht: „Die Abschaltung von UKW wäre der nackte Wahnsinn“, warnte Ina Tenz. „Dann gehen bei uns allen die Lichter aus.“ Technikfeindlich ist die Programmdirektorin von Antenne Bayern jedoch nicht: „Wir umarmen die neuen Möglichkeiten“, sagte Tenz. Bei der sprachgesteuerten Assistentin Alexa etwa sei der Sender mit 10.000 Unique Customern unter den Top 10 der Skills in Deutschland. Entsprechend selbstbewusst sollten die Hörfunker sein, erklärte Tenz: „Radio muss mehr an sich selbst glauben.“
Um die bedeutende Position des Mediums zu untermauern, forderte Mona Rübsamen neue Instrumente für die Marktforschung. Die Geschäftsführerin der Flux Music GmbH vermutet eine Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Reichweitenmessung. Zudem mahnte sie, die Branche dürfe nicht nur die jungen Zielgruppen im Fokus haben, sondern auch die Zielgruppe Ü30. Skeptisch bewertete Rübsamen die Personalisierung von Radioprogrammen: „Fünfzig Prozent der Hörer sind zu müde für eine Entscheidung.“ Dennoch arbeite Flux an der Individualisierung der Angebote.
Auch die Marketing-Expertin Alisa Türck sieht in der Medienforschung weiteres Potential, den Werbekunden die Scheu vor dem Medium Hörfunk zu nehmen. „Wir benötigen auch neue, mobile Werbeformate“, betonte die Gründerin und Geschäftsführerin von Türck. Die Programmanbieter wiederum sollten die Digitalisierung nicht als Schreckgespenst fürchten, auch wenn sich das traditionelle Geschäftsmodell verändere. Wichtig, so urteilte Türck, seien vielmehr und weiterhin gut produzierte Inhalte, denn so könnten auch junge Zielgruppen erreicht werden. Als Partner bot sich dabei Robert Richter von Google an. „Wir arbeiten gemeinsam mit den Anbietern an neuen Unterhaltungsformaten“, berichtete der zuständige Manager für Partnerships Solutions im Bereich Broadcast, Media & Entertainment. Der US-Suchmaschinenkonzern beschäftige sich zwar schon lange mit der Gattung Audio – mehr als zwanzig Prozent der Anfragen über die Google-App erfolgten bereits mündlich – sei im Kern aber ein reines Technologieunternehmen und nicht eine Konkurrenz für Medienanbieter. „Die digitale Entwicklung bietet die Chance, neue Zielgruppen zu erreichen“, lautete die Devise des Google-Managers.
Der Audiogipfel im YouTube-Video:
Teaserbild oben: ©MEDIENTAGE MÜNCHEN 2017