Medientreff NRW 2016: Muss Radio skipbar werden?

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Von Sascha Fobbe

Radio hat eine Zukunft – fragt sich nur welche. Da waren sich alle etwa 80 Teilnehmer des Medientreffs NRW einig, der vom 22. bis zum 23. September zum 8. Mal in Bad Honnef stattfand. Unter dem Motto „Überraschend journalistisch – das Lokalradio von morgen“ ging es um die Herausforderungen und Zukunftschancen der Lokalradios. Dabei wollten die Veranstalter, das katholisch-soziale institut und die MQ Gesellschaft für MehrQualität, Impulse geben, wie die 44 Lokalfunksender z.B. auf die wachsende Konkurrenz durch die Radio-Angebote von Spotify, Google und Amazon reagieren können.

Ist Radio in einer Nachwuchskrise?

Als große Themen zogen sich denn auch – wie schon die Jahre zuvor – die Herausforderungen durch die Digitalisierung und die begrenzten (personellen) Möglichkeiten der Sender durch die beiden Tage. Ein weiterer aktueller Schwerpunkt war die Vertrauenskrise, denen sich die Medien seit der Flüchtlingskrise ausgesetzt sehen, und eine sich abzeichnende Nachwuchskrise.

Die Teilnehmer des Medientreff NRW 2016 (Bild: Sascha Fobbe)
Die Teilnehmer des Medientreff NRW 2016 (Bild: Sascha Fobbe)

Werden Lokalradios und DAB+ jemals Freunde?

Wie immer begann die Tagung aber mit einem Blick auf die Medienpolitik. Staatssekretär Dr. Marc Jan Eumann und LfM-Direktor Dr. Jürgen Brautmeier hoben beide die unverzichtbare Bedeutung des Lokalfunks für die Menschen vor Ort hervor. Was die Digitalisierung anbelangt, sei für beide DAB+ keine Option für die lokalen und regionalen Radiosender in Deutschland. Zur Transformation beim WDR, der sich programmlich dem Privatfunk hörbar annähert, wollte sich Eumann nicht äußern. Brautmeier hingegen bezog Stellung: Der WDR tue so, als sei er Lokalradio, was er gar nicht sollte.

Wie behält Radio Glaubwürdigkeit?

In den beiden folgenden Diskussionsrunden wurden teils schon bekannte Positionen ausgetauscht: Die Journalisten müssten ihr Handwerk beherrschen, um glaubwürdig zu sein, aber auch ihre Nachrichtenauswahl erklären und Kritik an Fehlern ernst nehmen. Heimatgefühl und die Lebenswelt der Hörer darzustellen – das ist Kernkompetenz der Lokalfunksender in NRW, zeigten die vier Lokalradiovertreter (3 Chefredakteure und eine Frühmoderatorin) im zweiten Panel auf.

Medientreff-NRW 2016 (Bild: Sascha Fobbe)
Medientreff-NRW 2016 (Bild: Sascha Fobbe)

Wie viel ist Social Media den NRW-Lokalradios wert?

Klar wurde auch: Social Media werde immer wichtiger, aber nicht alles, was wünschenswert sei, sei auch machbar. Häufig sei die Betreuung der Social-Media-Plattformen Chefsache, oder die Mitarbeiter machten das nebenbei. Und ob ein Mitarbeiter Videos drehen könne, hänge vom Zufall ab. Die anwesenden Hochschulradio-Mitarbeiter wunderten sich, warum die Lokalradios dann nicht auf sie zukämen. Das könnte daran liegen, dass für neue Mitarbeiter und eben besonders für Social Media kein Budget da ist – 50 Euro im Monat bekommt eine Social-Media-Beauftragte von einem Sender, hieß es.

Werden Streamingdienste nun doch noch echte Radios?

Nicht nur die fehlenden finanziellen Mittel machen den Lokalfunkern Sorge, offenbar sind auch immer weniger junge Leute an einer Ausbildung im Lokalradio interessiert. Unter diesen Rahmenbedingungen müssen sich die Lokalfunksender auf eine Zukunft einstellen, in der Radio immer noch wichtig ist und gehört wird, aber die Konkurrenz sich immer mehr dem klassischen Radio annähert: Amazon, Google und Apple spielen nicht mehr nur personalisierte Playlisten ab, sondern setzen auch auf journalistische Inhalte und Radio-Personalitys. Medienberater Christian Schalt verdeutlichte das mit einer Untersuchung des amerikanischen Radiomarkts: Die Radionutzung steigt, aber die Steigerung bringen ausschließlich Internetradios wie Pandora (in Europa nicht zu empfangen) oder eben Spotify. Die klassischen Radiosender in Deutschland müssten sich darauf einstellen, dass Amazon und Co. egal sei, ob sich ihre Investitionen auszahle, sie verfolgten laut Schalt andere Ziele, z.B. eine Verbesserung des Images.

Muss Radio in Zukunft „skipbar“ sein?

christoian-schalt-medientreff-nrw2016-fobbeEine weitere Herausforderung: Immer mehr jüngere Nutzer haben gar kein „normales“ Empfangsgerät mehr, sondern hören Radio über ihre Smartphones. Wenn das klassische Radio mit den neuen Anbietern mithalten wolle, müssten seine Inhalte skipbar und personalisierbar sein, und zwar auch über Apps und andere Player. KRONEHIT aus Österreich hat sich darauf schon eingestellt und will im Dezember eine solche App herausbringen, bei der Nutzer im Livebetrieb z.B. Titel überspringen und sich eigene Playlisten anlegen können. Mit den neuen Webchannels, die u.a. auf radioplayer.de zu hören sind, seien die Lokalradios in NRW zwar auf einem sehr guten Weg, in einem zweiten Schritt müssten aber „richtig gebrandete Wellen“ aufgebaut werden, sagte Schalt.

In seinem Workshop vertiefte Schalt die Herausforderungen durch die Digitalisierung und ließ die Teilnehmer eigene Special-Interest-Radios entwickeln, in den beiden anderen ging es um Recherchetipps und um die wichtigsten Tools, um z.B. Audio im Netz attraktiv zu machen, so dass Files gerne geteilt werden.

Stefan von der Bank von der ksi war mit den beiden Tagen rundum zufrieden, es habe wichtige Impulse gegeben, die am Grillabend weiter diskutiert worden seien. Das bestätigten auch die Teilnehmer.

Moritz Lapp und Malte Albrecht von der Welle Niederrhein waren zum ersten Mal dabei und würden vor allem wegen der Austauschmöglichkeiten mit Kollegen wieder kommen: „Man sieht, dass alle das gleiche Problem haben, z.B. mit der Nachwuchsentwicklung.“

Jan Bioly vom Campusradio Hertz 87.9 in Bielefeld würde gerne nächstes Jahr überprüfen, was sich bei den Lokalradios getan hat.

Es müsse jedenfalls etwas passieren, zog Frank Haberstroh, Chefredakteur von Radio WAF, sein Fazit: „Wir müssen unsere Hausaufgaben jetzt machen, um im Digitalzeitalter zu bestehen, und um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Ehrenamtlichkeit im Bedienen der Sozialen Netze geht nicht mehr.“ Da wären dann aber wieder die Verleger gefragt, die als Haupteigentümer das Geld für mehr Personal zur Verfügung stellen müssten. Auch das ist ein Thema, das den Medientreff schon länger begleitet. Vermutlich auch im nächsten Jahr, dann am neuen Tagungsstandort des KSI in Siegburg.

 

Sascha-Fobbe

Über die Autorin:

Sascha Fobbe ist freiberufliche Journalistin, u.a. schreibt sie für Fachpublikationen über den Privatfunk in NRW.