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Radio 90vier stellt Insolvenzantrag

Radio 90vierRadio 90vier aus Delmenhorst hat nach Informationen, die RADIOSZENE vorliegen, einen Antrag auf Insolvenz-Eröffnung gestellt. Ob es zur Insolvenz kommt, hängt nun davon ab, ob das Gericht neue Finanzierungsmöglichkeiten findet wie z.B. einen neuen Investor. Der Geschäftsführer des Senders, Jürgen R. Grobbin, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Zur Zeit läuft bei 90vier nur Nonstop-Musik mit Werbung und einigen vorher aufgezeichneten Sendungen. Die Mitarbeiter haben den Sender bereits verlassen, der Morgenshow-Moderator soll zu Nordseewelle gewechselt sein.

Radio 90vier könnte damit der erste Lokalsender in Niedersachsen sein, der wegen Corona-Pandemie, Krieg und Inflation und der daraus resultierenden schlechten Auftragslage zum Aufgeben gezwungen wird. Seit Juli 2021 zeigt der Werbetrend für Radio und viele andere Medien anhaltend nach unten (vgl. auch Werbeerlöse Dezember: Keine Wende zum Guten in Sicht).

Seit dem 4. Januar 2019 sendet Radio 90vier auf der UKW-Frequenz 90,4 MHz. Im März 2021 wurde das UKW-Gebiet vergrößert, seitdem vom Antennenmast in Ganderkesee-Steinkimmen gesendet wird (RADIOSZENE berichtete). Seit Anfang 2023 ist Radio 90vier laut radioforen.de-Informationen nicht mehr digital über DAB+ zu empfangen.UKW Ausleuchtung 2021 via Steinkimmen Radio 90vier

Update vom 26.01.2023

Heute, am 26. Januar 2023, gab Radio 90vier folgende Pressemeldung heraus:

Radio 90vier Opfer von Corona-Folgen, Kriegsverunsicherung, Energiekrise und Kostenexplosion

Trotz aller Bemühungen – Radio 90vier UG (haftungsbeschränkt) hat einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt.

Jurgen R. Grobbin
Jurgen R. Grobbin

„Wir haben alles versucht und monatelang für den Erhalt unseres Heimatradios gekämpft, aber leider geht es nicht mehr“ – so fasst Geschäftsführer Jürgen R. Grobbin die Entscheidung der Gesellschafter des Senders zusammen, beim zuständigen Amtsgericht über einen Fachanwalt einen Insolvenzantrag zu stellen.

Radio 90vier war im Januar 2019 gestartet und hatte sich bis Anfang 2020 bestens entwickelt: das „Radioprogramm aus der Region“ konnte sein Sendegebiet vergrößern, die Hörerzahlen entwickelten sich positiv und immer mehr Werbekunden aus der Gegend nutzten Radio 90vier für ihre lokalen Werbebotschaften. Da sah die Welt – wie für alle privaten Medienunternehmen – noch rosig aus.

Doch dann kam der Corona-Virus. Und mit Beginn des ersten Lockdowns wendete sich das Blatt schlagartig. Die Welt stand still, für lange Zeit. Im Voraus gebuchte Werbungen wurden storniert, da die meisten Betriebe gar nicht mehr öffnen durften. Für Radio 90vier bedeutete dies fast keine Einnahmen mehr. Denn private Sender bekommen keine Rundfunkgebühren (GEZ), sondern finanzieren sich ausschließlich durch Werbeeinnahmen.

Die bis 2020 erarbeiteten Rücklagen wurden von den zwei Corona-Jahren aufgefressen. Und als alle hofften, dass sich die Situation danach langsam wieder normalisieren würde, kam der nächste Tiefschlag: die Ukrainekrise. Verunsicherung allerorten, Kauf- und Werbezurückhaltung plus Energiekrise samt extrem gestiegener Kosten. Am Ende zu viel für die schmalen Schultern des noch jungen Medienunternehmens, das engagierte Radiomacher aus eigenen Mitteln auf die Beine gestellt hatten – ohne Zeitungsverlag oder andere Investoren im Rücken.

Gesellschafter, Mitarbeitende und der Geschäftsführer selbst haben alles versucht, „ihren Sender“ zu retten: Kosten wurden so weit wie möglich runtergefahren, man verzichtete teils auf Löhne und Gehälter, führte Gespräche mit möglichen Investoren und dachte sogar an eine mögliche Fusion mit einem anderen Radiosender, was in Niedersachsen aber aufgrund des Mediengesetzes nicht möglich ist. Doch alle Sender stehen aktuell vor denselben Herausforderungen: massive Preissteigerungen bei den Verbreitungskosten (z.B. Strom für die Antennenanlagen), weniger Werbeeinnahmen seit Corona und immer mehr Ausgaben für die Digitalisierung (DAB+, Internetstreams. etc.). Dies macht insbesondere lokalen und regionalen Sendern – nicht nur in Niedersachsen – das Leben schwer.

Den Machern von Radio 90vier blieb am Ende nur noch, den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen – schweren Herzens, wie Jürgen R. Grobbin im Namen seiner Partner betont: „Ich bedanken mich bei allen Teammitgliedern für den tollen Zusammenhalt, natürlich danken wir unseren treuen Werbepartnern die Radio 90vier begleitet haben, und verabschieden uns mit einem großen letzten Dankeschön von allen Hörerinnen und Hörer, für die wir gut vier Jahre lang unser tägliches Radioprogramm aus der Region zusammengestellt haben“.

Derzeit wird über UKW ein unmoderiertes Programm gesendet.

Die aktuelle Krise trifft nicht nur lokale Radiosender, auch andere traditionelle Firmen bleiben nicht verschont und kündigen Massenentlassungen und Stellenabbau an. Siehe dazu auch: „Jeder vierte Kleinunternehmer denkt ans Aufhören“  (aus Handelsblatt vom 5. Dez. 2022).

Weiterführende Informationen

XPLR: MEDIA Radio-Report