Öffentliche Fördermittel für private Medieninhalte: ein möglicher, aber schwerer Weg
Die Relevanz klassischer Werbung sinkt, deshalb nutzen Marken zunehmend neue Werbekanäle. Diesen Trend sieht Ronald Focken, Geschäftsführer der Serviceplan Gruppe für innovative Kommunikation, als wichtigen Schrittmacher für die künftige Entwicklung der Werbewirtschaft. Ob das Szenario „Werbung ade – Neue Erlösmodelle passé?“ tatsächlich die künftige Finanzierung des privaten Rundfunks bestimmen wird, diskutierten gestern beim BLM-Forum in München Experten aus Werbewirtschaft, Sendern, Medienpolitik und Medienforschung.
Vor diesem Hintergrund ging es auch um die Frage, inwiefern die finanzielle Zukunft privater Medien durch eine öffentliche Förderung gesichert werden kann. Bayerns Rundfunkreferent Dr. Klaus-Peter Potthast zeigte sich in der Abschlussdiskussion mit Blick auf das private Lokalfernsehen zuversichtlich. Wenn programmliche Vielfalt, zum Beispiel im lokalen Bereich, anders nicht zu generieren sei, müsste über Hilfe durch strukturelle Förderung nachgedacht werden.
VPRT-Präsident Jürgen Doetz appellierte indes an die Medienpolitik, alle diejenigen zu unterstützen, die privaten Sendern Anreizsysteme bieten. Außerdem, so war er sich mit BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring einig, müssten die Überprüfung des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Durchsetzung des Werbeverbots für die Öffentlich-Rechtlichen Priorität haben. Nur auf diesem Weg, hatte Ring zum Auftakt der Veranstaltung betont, könne die Ordnungspolitik die dringend notwendige Chancengleichheit im dualen System schaffen. „Die Berg- und Talfahrt der vergangenen zehn Jahre bedeutet eine enorme Belastung für die Unternehmen, da Planungssicherheit weitgehend fehlt“, begründete Ring seine Forderungen.
Was diese Talfahrt verursacht hat und wie sich die Finanzierungsgrundlagen für klassische Medien entwickeln, erläuterte Klaus Böhm, Director Media Practice von Deloitte. Sinkende Werbeerlöse sowie die Fragmentierung der Zielgruppen und der Senderlandschaft bedrohten das Refinanzierungspotenzial. Die zunehmende Entlinearisierung bei der Mediennutzung und die weiterhin begrenzte Zahlungsbereitschaft der Medienkonsumenten erschwere die Finanzierung erheblich. Doch selbst bei der Online-Werbung fehlten noch die Reichweiten. Außerhalb des Suchmaschinenmarketings, das 50 Prozent der Einnahmen generiere, gebe es noch keine großen „Leuchttürme“ mit nennenswerter Reichweite.
Doch trotzdem verschieben sich die Media-Budgets eindeutig in Richtung digitales Marketing, wie Ronald Focken von der Mediaagentur Serviceplan berichtete. Während bei Serviceplan vor zehn Jahren noch etwa zwei Drittel des Budgets auf die klassischen Medien entfallen sei, wäre diese Zahl 2010 auf weit unter 50 Prozent gesunken, während die digitalen Kommunikationskanäle zulegen. Der Grund: Das Internet werde zum Leitmedium und die „Digitalisierung ist ein zentraler Keydriver zur individualisierten Ansprache von Zielgruppen“. Außerdem steige aufgrund der zunehmenden Macht der Controller und Einkäufer in den Markenunternehmen der Effizienzdruck. Die Mediaagenturen seien genauso wie die klassischen Medien eher die Getriebenen, bekannte Focken auf Nachfrage von Moderator Werner Lauff. Als Shooting-Stars der Zukunft bezeichnete er Mobile und digitales Fernsehen.
Wie sie dies bereits realisieren, präsentierte Hans Fink, Managing Director Music und Commerce Diversifikation von MM Merchandising Media. Als neue Wachstumsquellen für die ProSiebenSat.1-Gruppe nannte er vor allem das Lizenz- und Musikgeschäft. Die großen Medienhäuser nehmen Crossmedialität sehr ernst und sehen das Internet auch weniger als Konkurrenten denn als Chance, wie sie beispielsweise die Parallelität von Fernsehen und Web im Hybrid-TV bietet. Wenn das klassische lineare Fernsehen nur noch eine von vielen Kernanwendungen sein wird, so Videoweb-Geschäftsführer Matthias Greve, werde der Flachbildschirm vom Fernseher zum multimedialen Terminal.
Wie wird in dieser von technologischer Innovation getriebenen Welt die Zukunft des lokalen Fernsehens aussehen? Immerhin sind rund 60 Prozent aller Fernsehsender in Deutschland lokale Stationen, berichtete Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Goldmedia. Diese Lokalsender finanzierten sich jedoch nur zu knapp 50 Prozent aus Werbeerlösen und wären zu etwa 20 Prozent auf Fördermittel angewiesen. Denn ihr Kostendeckungsgrad betrage nach aktuellen Zahlen nur 91 Prozent. Die Zuschauerakzeptanz des Lokal-TV sei dagegen sehr hoch. Damit sei die Förderung des lokalen Fernsehens nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Frage. Es gebe Fördermodelle in Österreich und in der Schweiz, die private Medieninhalte mit öffentlichen Geldern förderten, erläuterte Goldhammer gegenüber Lauff. In der Vergrößerung der Berichterstattungsgebiete sehe er dagegen, so seine Antwort auf Lauffs Nachfrage, keine Lösung des Problems.
Das Modell einer öffentlichen Förderung privater Rundfunkangebote wie Lokal-TV durch einen Gebührenanteil in Deutschland durchzusetzen, wird von den Rechtsexperten als schwierig angesehen. Privat finanzierte Medieninhalte öffentlich zu fördern sei zwar grundsätzlich zulässig, resümierte der Leiter der Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln, Prof. Dr. Rolf Schwartmann. Dafür müssten aber „verfassungs- und europarechtliche Grenzen“ eingehalten werden, die Förderung müsse sich „staatsfrei vollziehen, einen besonderen Wert für die Meinungsvielfalt aufweisen und sich dem Beihilferegime unterwerfen“. Allerdings, so Schwartmann weiter, sei eine Förderung der technischen Infrastrukturkosten für private Spartenprogramme aus Rundfunkgebühren rechtlich möglich.
Auf die rechtlichen Grenzen einer öffentlichen Förderung nahm auch Dr. Klaus-Peter Potthast noch einmal Bezug. Er betonte, dass es im Bayerischen Landtag klare Beschlüsse zum Erhalt des Lokal-TV gegeben hätte, das Signal aber auch sehr deutlich gewesen sei, die Staatsmittel „abzuschmelzen und auslaufen zu lassen“. Seine Aussage in der Abschlussdiskussion, über aktive Hilfsprogramme zur strukturellen Förderung nachzudenken, ließ dann aber einen optimistischeren Blick in die Zukunft des lokalen Rundfunks in Bayern erkennen.