Der niedersächsische Landtag hat in seiner Sitzung am 19. Juni 2019 den von der FDP eingebrachten Antrag zur Radioverbreitung einstimmig angenommen, ohne Enthaltungen oder Gegenstimmen. Darin wird die Landesregierung unter anderem dazu aufgefordert, sich für eine Beendigung von DAB+ einzusetzen.
In den Redebeiträgen, die der Abstimmung vorausgingen, wurde unter anderem argumentiert, DAB+ habe sich nicht durchgesetzt, sei „Geldverschwendung“ und lediglich eine „Übergangslösung“.
Mit Blick auf die Mittel aus dem Rundfunkbeitrag, die den öffentlich-rechtlichen Sendern für die Finanzierung von DAB+ zur Verfügung stehen, hieß es, dass DAB+ die Schieflage im dualen Rundfunksystem zulasten der Privatsender weiter verschlimmern würde.
Es sei letzten Endes zu akzeptieren, dass die Hörer an UKW festhalten wollten. 5G sei der „zukunftsträchtige Übertragungsweg“ fürs Radio. Mit der Entscheidung setze Niedersachsen zudem bundesweit einen „wichtigen medienpolitischen Impuls“.
Als nächster Schritt soll nun die Landesregierung dazu aufgefordert werden, die im Antrag enthaltenen Schritte umzusetzen, darunter die Beendigung von DAB+.
Der Wortlaut des Antrags:
„In Deutschland bedeutet Radio noch immer zu 92% UKW. Nur etwa 10 % der Rundfunkhörer nutzen DAB+. Ohne dass sich das digital-terrestrische Radio bislang am Markt nachhaltig etablieren konnte, wird die Entwicklung und Verbreitung von digitalen Übertragungsstandards für terrestrischen Radioempfang seit mehr als 20 Jahren aufseiten des öffentlich-rechtlichen Hörfunks mit hohen Beträgen aus dem Rundfunkbeitrag gefördert.
Wer in Deutschland die Vorteile des digitalen Radios nutzen will, kauft sich meist keinen neuen Rundfunkempfänger, sondern wechselt stattdessen auf Radio via Internet über das bereits vorhandene Gerät wie Smartphone, Smart Speaker, Tablet PC, Laptop oder PC. Radio via Internet wird von rund 38% der Bevölkerung gehört, bei den 14- bis 29-Jährigen sind es fast 60 %. Das meistgenutzte Gerät für den Online-Audiokonsum ist das Smartphone mit 70 %. Bereits 6 % der Online-Audionutzung erfolgt über sogenannte Smart Speaker.
Dennoch sind durch das Festhalten an DAB+ alle Hörfunk-Anbieter gezwungen, in eine Technologie zu investieren, die nur für den Übergang dient. Für private Hörfunksender ist die gleichzeitige Ausstrahlung über UKW und DAB+ (sogenanntes Simulcast) kostenintensiv und somit wirtschaftlich nicht vertretbar.
Die Zukunft des Radios ist nicht auf einen Radioübertragungsweg beschränkt. Radio ist technologieneutral zu betrachten und muss dort empfangbar sein, wo die Hörer sind.
Der Landtag bittet daher die Landesregierung,
- sich konsequent zusammen mit dem Bund, anderen Ländern sowie den privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern für einen marktgerechten Übergang in eine digitale Radiozukunft einzusetzen und ein klares, abgestimmtes Konzept zu erarbeiten,
- sich gegen ein UKW-Abschaltdatum auszusprechen und
- sich innerhalb des Systems von Rundfunkauftrag und -finanzierung für eine Beendigung von DAB+ zugunsten des Aufbaus zukunftsoffener Technologien, wie z B. des 5-G-Standards, einzusetzen.“
Dieser Bericht von Jörn Krieger ist zuerst erschienen auf Infosat.de
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Antrag „Für eine digitale Radiozukunft“ der FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag (PDF)
Der VAUNET – Verband Privater Medien e.V. hat den einstimmigen Beschluss des Niedersächsischen Landtags, statt auf eine DAB+ Verbreitung für das Radio zukünftig auf eine breitbandige Internetverbreitung, wie sie der neue 5G-Standard zukünftig bieten wird, zu setzten, ausdrücklich begrüßt. Der Antrag hierzu war von der FDP-Landtagsfraktion eingebracht worden und war bereits vor der Abstimmung auf fraktionsübergreifende Zustimmung gestoßen.
Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste im VAUNET und Geschäftsführer von Radio Regenbogen, sagte: „Der Niedersächsische Landtag hat einen richtungsweisenden Beschluss gefasst, der über die Landesgrenzen hinaus Wirkung haben wird. Er hat die richtigen Schlüsse aus dem Festhalten an einer Technologie gezogen, die sich im Markt trotz langjähriger Werbekampagnen nicht durchsetzt und weit hinter den Möglichkeiten von digitalen Verbreitungswegen zurückliegt. Gerade die Investitionen, die die privaten Radioveranstalter für DAB+ aufbringen müssen, sind enorm. Anders als die ARD-Anstalten, die für ihren Umstieg auf DAB+ 2017 bis 2025 rund 600 Millionen Euro aus dem Rundfunkbeitrag erhalten, müssen die Privaten ihre Investitionen hier komplett aus ihren Werbeerlösen aus der UKW-Verbreitung finanzieren. Das ist de facto nicht zu stemmen. Zu den Anforderungen an ein digitales Radio gehört heutzutage die Möglichkeit der Individualisierbarkeit, der Adressierbarkeit, der unmittelbaren Interaktivität, das Einbinden von Videos und noch mehr. All das bietet DAB+ schlicht und einfach nicht. Sollte die Politik hier weiter auf die falsche Karte setzen, würde sie die Zukunft des Hörfunks verspielen. Insofern ist der Beschluss aus Hannover klug, zukunftsweisend und orientiert sich an der tatsächlichen Nutzung und den Wünschen der Radiohörer, aber auch der privaten Medienunternehmen.“ (Quelle: VAUNET)
Weiterführende Informationen: So könnte der Migrations-Prozess von UKW zu DAB+ aussehen
Stefan Birkner: Vielfalt und Regionalität erhalten
FDP-Vorschläge zur Gestaltung der Radiozukunft setzen sich durch
Der Fraktionsvorsitzende und medienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stefan Birkner (Bild rechts), begrüßt ausdrücklich den heute im Unterausschuss „Medien“ gefassten Beschluss zur digitalen Radiozukunft, greift er doch die zentralen Forderungen der FDP in dieser Frage auf. „Ich freue mich sehr, dass die Regierungsfraktionen nach der Anhörung zu unserem Antrag ins Nachdenken gekommen sind und schließlich alle wesentlichen Kernforderungen übernommen haben“, so Birkner. Der heute von allen Fraktionen einstimmig beschlossene Änderungsantrag der Regierungsfraktionen spreche sich nicht nur gegen ein UKW-Abschaltdatum aus und forciere eine übergreifende, von Bund, Ländern, privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern getragene Konzeption für einen marktgerechten Übergang in eine digitale Radiozukunft, er positioniere sich darüber hinaus klar für eine Beendigung von DAB+ zugunsten des Aufbaus anderer, zukunftsoffener Technologien. „Damit setzen wir einen wichtigen Impuls in der medienpolitischen Debatte. Endlich nimmt die Diskussion darüber Fahrt auf, die Förderung von DAB+ mit Rundfunkbeiträgen zu beenden. Das ist ein wichtiger Schritt, um die Vielfalt und Regionalität unserer Medienlandschaft auch zukünftig zu ermöglichen“, so Birkner weiter. (Quelle: FDP)
„Für eine digitale Radiozukunft“
Die Zukunft des Hörfunks liegt darin, dass er für das Publikum attraktive Angebote auf allen technischen Wegen anbietet, mit denen er seine Zielgruppe erreicht. Mit dieser Feststellung reagiert der Geschäftsführer der APR, Stephan Ory, auf die Diskussion im Anschluss an den Beschluss des niedersächsischen Landtages vom 20. Juni 2019. Darin wird die Landesregierung in Hannover unter anderem aufgefordert, sich innerhalb des Systems von Rundfunkauftrag und -finanzierung für eine Beendigung von DAB+ zugunsten des Aufbaus zukunftsoffener Technologien, wie z. B. des 5-G-Standards, einzusetzen.
Soweit damit die Verwendung des Rundfunkbeitrags angesprochen wird, ist das das eine. Soweit damit eine Stellungnahme zu einer Medientechnologie für eine digitale Radiozukunft beider Teile des dualen Hörfunks bezweckt ist, weist die APR darauf hin, dass Mitglieder des Verbandes in den zurückliegenden Jahren in DAB+ investiert haben und neue Programme auf diesem Vertriebsweg anbieten.
„Es steht dem Gesetzgeber nicht zu, für diese Programme den Vertriebsweg abzuschalten“, so Ory. Damit knüpft er an ein Argument an, dass die APR bislang und auch in Zukunft in gleicher Weise für UKW verwendet. „Ein Verband hat die Aufgabe, technologieneutral alle Vertriebswege offenzuhalten, auf denen einzelne seiner Mitglieder im inhaltlichen und wirtschaftlichen Wettbewerb zueinander eine Weiterentwicklung ihrer Angebote für richtig halten. Auf welche Technologie ein einzelnes Unternehmen für sich setzt, wird weder vom Verband vorgegeben, noch ist das Aufgabe der Politik“, resümiert der APR-Geschäftsführer.
„Die Verantwortlichen in den Stationen denken ausgehend von inhaltlichen Angeboten und dem Rezepti- onsverhalten ihrer Hörer über die Zukunft des Radios und den Mix von zur Verfügung stehenden Ver- triebswegen sehr viel differenzierter nach, als das von der Politik wahrgenommen wird“, so der APR-Ge- schäftsführer abschließend.
Die APR vertritt die Interessen von Anbietern elektronischer Medien aus dem Bereich Radio, Telemedien und Lokal-TV. Sie wurde 1990 gegründet und vertritt 290 Unternehmen. Rechtsanwalt Prof. Dr. Stephan Ory ist für Rückfragen zu erreichen unter 0151/24005500. (Quelle: APR)
UKW wird beibehalten
Radio 21 begrüßt den Beschluss des Landtags, beim Radio der Zukunft auf eine Verbreitung per Internet und nicht weiter auf das Digitalradio DAB+ zu setzen.
Radio21-Chef Steffen Müller sprach die enormen Kosten von DAB+ an. Allein aus Werbeerlösen könne man die Technik nicht finanzieren, so Müller. Der Landtag hatte auf FDP-Initiative beschlossen, die Förderung von DAB+ durch die Rundfunkbeiträge zu beenden. Denn neben dem UKW-Empfang wird das Internet beim Radio hören immer wichtiger. FDP-Landes- und Fraktionschef Stefan Birkner sprach von einem Meilenstein. Das Parlament hatte sich zudem dafür ausgesprochen, die klassische UKW-Übertragung beizubehalten. (Quelle: Radio21)
Petition zur Erhaltung von DAB+
Inzwischen wurde eine Petition zur Erhaltung von DAB+ gestartet. Initiator Nico Kutzner (22) aus Hamburg: „Wir wollen weiterhin Radio über DAB+ hören und sprechen uns klar für digitales Radio aus. Wir fordern die Bundesländer auf sich für DAB+ einzusetzen, damit der Landtag in Niedersachsen mit der Idee scheitert.“
Link zu Petition (inkl. 7 Argumente für DAB+)
Update vom 11. Juli 2019: DIE LINKE. spricht sich für DAB+ in Niedersachsen aus
Am 19.06.2019 hat der niedersächsische Landtag einstimmig dem Antrag der FDP-Fraktion „Für eine regionale Radiozukunft“ zugestimmt (RADIOSZENE berichtete). Dieser bewirkt vor allem, dass das Digitalradio DAB+ in Zukunft nicht mehr mit öffentlichen Geldern aus dem Rundfunkbeitrag finanziell gefördert wird. Auch wenn dies nicht das Ende von DAB+ bedeutet, sieht DIE LINKE. in dieser Entscheidung einen herben Rückschritt. mehr…
Update vom 20.08.2019
NDR setzt trotz Landtagsbeschluss weiter auf den Ausbau von DAB+
Der NDR will den Betrieb und Ausbau des terrestrischen Digitalradiosystems DAB+ in Niedersachsen unverändert fortführen. Das bekräftigte die norddeutsche ARD-Landesrundfunkanstalt gegenüber InfoDigital in ihrer ersten ausführlichen Stellungnahme auf den umstrittenen Beschluss des niedersächsischen Landtags, die Landesregierung dazu aufzufordern, keine weiteren Mittel aus dem Rundfunkbeitrag mehr in den Ausbau von DAB+ fließen zu lassen. „Der NDR ist per Staatsvertrag verpflichtet, drei digital-terrestrisch zu verbreitende Programme auszustrahlen. Dies sind NDR Plus, NDR Blue sowie NDR Info Spezial. Damit erfüllt der NDR seinen Versorgungsauftrag! erklärte der NDR gegenüber InfoDigital. mehr…