Absolute Radio in Großbritannien ist eines der drei „Independent National Radio“-Programme, die Anfang der 90er Jahre ins Leben gerufen wurden. Es ist eine landesweite Radiostation, wie der Name schon vermuten lässt: aber es wird landesweit auf der Mittelwelle ausgestrahlt.
Radio auf Mittelwelle stellt sich in Europa anders dar als in den USA – nicht zuletzt, weil die Radiosender 9 kHz voneinander entfernt sind und nicht wie in den USA 10 kHz. Das bedeutet, dass man zwar zwölf weitere Sender auf dem AM-Band unterbringen kann, aber auch, dass die Audioqualität schlechter ist. Diese Wellenlängen sind nicht gerade brillant für Musik mit Gitarren und Percussion.
Schlimmer noch, Absolute Radio erhielt die Frequenz 1215 kHz. Wenn mehrere Sender auf der gleichen Frequenz senden, stören sie sich gegenseitig. Andere landesweite Sender auf Mittelwelle verfügen über ein paar Frequenzen, die die Vorteile der annähernd länglichen Form Großbritanniens nutzen, so kann eine Station effektiv auf zwei Frequenzen betrieben werden, ohne dass sie sich überlappen oder sich gegenseitig zu sehr stören. Allerdings bekam Absolute 1215 kHz plus ein Bündel benachbarter Frequenzen für Füllsender (alle zwischen 1197 kHz und 1260 kHz).
Wie dem auch sei – auf den heutigen Tag bezogen hört die überwiegende Mehrheit der Hörer von Absolute Radio digital (entweder DAB+ oder online) oder auf einer UKW-Frequenz zu, die die Station in London erfolgreich eingeheimst hat.
Absolute Radio fragte jetzt die britische Regulierungsbehörde Ofcom, ob sie einige der stromfressenden Mittelwellensender ausschalten darf. Durch das Abschalten von zwölf Senderstandorten und Herunterdrehen der Senderleistungen an fünf weiteren Standorten würde die Reichweite von 90,5% der britischen Bevölkerung auf 85,4% abnehmen. Die gesamte Bevölkerung kann die Station aber immer noch über DAB, Satellit oder Internet empfangen. Ein Verlust von 5,1% der Reichweite klingt nicht nach einem massiven Verlust. Der Sender schätzt, dass es tatsächlich nur etwa 19.000 Hörer betreffen wird. Die Kosteneinsparungen dagegen sind jedoch alles andere als unbedeutend: Sie machen 50 % des gesamten MW-Betriebs, so Adam Bowie, ein ehemalige Manager von Absolute Radio. Ich habe den Sender vor zehn Jahren verlassen; meine Einschätzung dieser Einsparung liegt bei ungefähr 750.000 USD pro Jahr. Keine Peanuts.
Also sollte Ofcom natürlich Ja sagen.
Es erinnert mich an ein Ergebnis meiner kleinen Forschungsarbeit vom letzten Jahr, durch einen Blick auf die Website von JB Hifi, einem australischen Elektronikgeschäft. Ich schaute mir jedes einzelne dort verfügbare Radiogerät an. 63% von ihnen hatten keinen Mittelwellen-Teil. Fast zwei Drittel.
In Australien ist die Mittelwelle wohl besser in Form als im Vereinigten Königreich: Mittelwellen-Stationen, die als Nr. 1 regelmäßig das Frühstück in den großen Ballungsräumen (oder insgesamt) bereichern (obwohl diese Zahlen auch DAB und Online-Empfang beinhalten). Überraschend also, wie wenig Radiogeräte tatsächlich Mittelwelle empfangen können. Sollen wir die Zukunft dieser Radiosender wirklich von Mittelwellen-Radios in Autos abhängig machen? Wo ist die Exit-Strategie für diese Mittelwellen-Sender?
Die Mittelwelle ist nach wie vor eine gute technische Lösung, weiträumige Sendebereiche abzudecken: Aber wenn man mittelwellentaugliche Radioempfänger nicht mehr kaufen kann, fragt man sich doch, wie lange es dauern wird, bis weitere Rundfunkanbieter ihre Mittelwellen-Lizenzen ganz oder teilweise zurückgeben.
Der Radio-Futurologe James Cridland, spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference in Großbritannien. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land. Kontakt: james@crid.land oder @jamescridland.