Sind Nullsummenspiele mit Daten gut für’s Radio?

James Cridland

In Großbritannien hat das originell „Drei“ genannte Mobilfunknetzwerk gerade etwas namens „Go Binge„angekündigt. Es ist ein neuer Service, mit dem Netflix angeschaut und der Musikdienst Deezer (und Soundcloud) angehört werden kann. Diese Dienste werden nicht mit dem monatlichen zugestandenen Datenvolumen verrechnet.

In Australien bietet Optus freien Zugang zu mehr Musikdiensten – wie Spotify, Google Play Music und iHeart Radio sowie TV wie Netflix, ABC iView und Stan. Und in den USA bietet T-Mobile noch mehr unbegrenztes Streaming bei YouTube und Netflix, Spotify und iHeart Radio, Pandora und viele weitere Dienste an. In Deutschland nimmt die Deutsche Telekom immer mehr Radiosender für den neuen StreamOn-Service auf.

Nun könnten Sie das als eine gute Nachricht für unsere Branche werten. Wenn die Kosten der Datenmenge die Leute von der Nutzung der Streaming-Medien abhalten, verhilft solch ein Vorgehen sicherlich zu mehr Akzeptanz – vor allem, wenn Dienste wie iHeart Radio enthalten sind. Eine gute Nachricht, stimmts?

Hier nun die Gründe, vielleicht besser zweimal darüber nachzudenken:

Wettbewerb ist eine gute Sache. Er führt normalerweise zu Verbesserungen und niedrigeren Preisen für alle. Wo es keine Konkurrenz gibt, werden Produkte nicht verbessert und die Preise steigen. Schauen Sie sich mal eine typische amerikanische Kabel-Internetverbindung an.

Mit anderen Worten: Konsumenten brauchen Konkurrenz. Dies erklärt die Entscheidung der Europäischen Union vor einigen Wochen, Google zu einer erstaunliche Summe von 2,4 Milliarden USD wegen der Manipulation ihrer Suchergebnisse zugunsten der eigenen Shopping-Vergleichs-Engine.

Als Kommentator schrieb Benedict Evans in seinem wöchentlichen Newsletter: „Das US-Wettbewerbsrecht konzentriert sich zu sehr auf den Preis: niedrigere Preise für den Verbraucher sind gut, egal wie sie erreicht werden – alles Andere ist unwichtig. Aber das EU-Recht betrachtet auch den breiteren Markt: Es ist der Ansicht, dass Behinderung von Konkurrenz für Verbraucher schlecht ist, auch wenn niedrigere Preise dabei herauskommen (da Innovation und Wahlmöglichkeiten auch leiden). “

Das World Wide Web findet seit seiner Erfindung quasi auf einem ebenen Spielfeld statt – übrigens von einem Briten erfunden. Amazon startete mit Familienmitgliedern und Freunden in einer Garage – dort wurden die Pakete für Postboten gepackt. Doch der Zugriff auf die Website von Amazon funktionierte genauso wie der Zugang zu anderen.

(Bild: ©James Cridland)
(Bild: © Jens F. Hofstadt)

Zero-Rating bedeutet, dass sich demnächst der Zugang zu Amazon, Pandora oder Netflix ändern könnte. In der Tat wird es die Verbraucher mehr kosten, auf die Webseiten kleiner, innovativer Start-ups zuzugreifen – solange sie nicht am Nullsummenspiel teilnehmen.

Der Erfolg oder Misserfolg eines neuen Internetdienstes könnte also von der Entscheidung einer Mobilfunk-Firma abhängen, ob er Begünstigter eines Nullsummenspiels ist.

Im Radio sind wir natürlich wettbewerbswidrige Praktiken unserer Regulierungsbehörden gewohnt. Ofcom, ACMA, das CRTC oder die FCC halten die Sendelizenzen knapp, und in vielen Ländern regeln sie sogar Inhalt, Format und Wettbewerb. Diese Regeln können manchmal für Radio-Unternehmen hilfreich sein, aber die meisten sind immer wieder Anlass, für entspanntere Regulierung zu streiten – denn das erfolgreiche Geschäft wird dadurch leichter.

Bevor wir diese Nullsummenspiele bei mobilen Tarifen feiern, sollten wir eher darüber nachdenken, dass unser Online-Radio Kontrollen unterliegt. Die würden dann diktiert von kommerziellen Begrifflichkeiten und nicht mehr durch staatliche Gesetzgebung.

 

James CridlandDer “Radio-Futurologe” James Cridland beschäftigt sich mit neuen Plattformen und Technologien und ihre Wirkung auf die weltweite Radiobranche. Er spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.cridland.net.