Thomas Bug im Interview: Die Renaissance der Radio-Personalities (1)

Neue Serie: Die Renaissance der Radio-Personalities

Nach der großen Formatradiowelle, die Deutschland in den letzten 20 Jahren vor allem austauschbare Linercard-Leser als Moderatoren beschert hat, scheinen sich nun immer mehr Radiosender auf die Qualitäten von On Air-Personalities zu besinnen.

Blöd nur, dass sich solche Moderatoren mit Ecken und Kanten nicht so leicht schnitzen lassen. Außer sog. „3-Element-Breaks“ haben die oft zitierten „Sprechpuppen“ nicht viel zu sagen. Im „3-EB“ gibt es außer Stationsnamen, Senderslogan, Uhrzeit, vor allem Teaser auf Gewinnspiele. Selbst klassische Musik-Moderationen sind oft out.

Personality oder Linercard-Leser?

Mit einer halbwegs gut klingenden Stimme und ein paar Formatregeln vom Programmberater im Gepäck bevölkern Linercard-Leser heute immer längere Sendestrecken. Manch ein Sender kommt mit nur 3 Moderatoren aus: von 5.00-10.00, 10.00-15.00 und 15.00-20.00 Uhr. Damit sind die quotenstärksten Zeiten abgedeckt. Während der Fernsehzeit, nachts und am Wochenende reicht für viele Sender auch ein Nonstop- oder „gevoicetracktes“ Programm aus, um es zu vermarkten. Viele Nachwuchs-Moderatoren fühlen sich von zu vielen Regeln eingeschüchert. Sie haben ständig die „Schere im Kopf“ und Angst, formale Fehler zu machen. Wer die Grenzen zu oft überschreitet, wird von der Antenne genommen. Denn on air heißt es in Deutschland wie damals beim alten Adenauer: „Keine Experimente“!

Ein oft genanntes Argument war lange Zeit auch gerade bei Privatsendern die Angst, sich von einer Radio-Personality abhängig zu machen. Eine zu starke Bindung konnte die Gage in die Höhe treiben oder führte zur Abwerbung durch die Konkurrenz. So setzte man vor allem auf den richtigen Musikmix eines Senders statt auf Personality, denn schließlich ist und bleibt Musik Einschaltgrund Nummer 1 im Hörfunk.

Neue Radio-Personalities braucht das Land

Da es inzwischen kaum einen Sender in Deutschland gibt, der keinen Musikresearch für die werberelevante Zielgruppe der 14-49-jährigen macht, hat sich die Musik quer durch die Bundesrepublik ziemlich angeglichen. Anhand der Musikauswahl lassen sich die Sender also kaum noch unterscheiden. Also suchen sie nach anderen Mitteln, ihre Radiomarke zu veredeln und für die Medien-Analyse besser erinnerbar zu werden. Eine alte Radioweisheit aus den USA bringt es auf den Punkt: „Be memorable!“.

Große Namen müssen her, solche mit hohem Bekanntheitsgrad und Wiedererkennungswert, vorzugsweise mit dem Prädikat „bekannt aus Funk und Fernsehen“. Und die müssen natürlich in die Radio-Primetime. In den Morgenshows tummeln sich daher die besten On Air-Personalities mit den höchsten Quoten: von Arno Müller bis Wolfgang Leikermoser, von Wieprecht und Skuppin bis Wirbitzky und Zeus. Die meisten heutigen Radio-Personalities haben vor über 20 Jahren ihre Karriere begonnen und sich über eine dauerhafte Radiopräsenz einen Namen gemacht.

Damit ist natürlich auch mal wieder belegt: Radio funktioniert langfristig. Eine Radio Personality braucht Zeit, sich zu entwickeln und einen Raum mit ausreichend vielen Freiheiten. Ganz ohne Regeln geht es bei keinem Sender, aber es stellt sich trotzdem die Frage: wo sollen neue Radio-Personalities herkommen?

Neue RADIOSZENE-Serie

RADIOSZENE startet deswegen eine neue Serie über die „Renaissance der Radio-Personalities“. Wir fragen bei großen Funkhäusern und auch bei kleinen Lokalsendern nach. Wieso steigt gerade jetzt der Bedarf? Wie und wo wird man eine Radio-Personality? Den Anfang macht Thomas Bug, der am vergangenen Samstag auf WDR 2 mit seiner neuen fünfstündigen Show „Bug am Samstag“ Premiere feierte.

WDR2 Bug am Samstag: „Der Bug, Der Sender“

(Bild: WDR/Sachs)
(Bild: WDR/Sachs)

RADIOSZENE: Herr Bug, nachdem bekannt geworden ist, dass Sie 1LIVE verlassen, wurde viel diskutiert, wo Sie wohl wieder als Moderator auftauchen werden. Am Samstag ist nun Ihre erste Personality-Show auf WDR 2 gestartet. Wie kam es dazu?

Bug: Der Schritt in eine neue Radiozukunft bei WDR2 war geplant und gewollt. Nachdem der Sender sein Wochenende in Bewegung brachte, gab es für mich keinen besseren Einstieg. Es war der richtige Zeitpunkt, der richtige Sendeplatz und der logische Schritt innerhalb des WDR.

RADIOSZENE: Wie klappt denn so der Übergang von der Jugendradio 1 LIVE zur älteren Magazin- und Autofahrer-Welle?

Bug: Mit „Bug am Samstag“ eine eigene Sendung bei so einem Flaggschiff wie WDR2 zu bekommen, ist eine ziemlich coole Sache. Wir werden in den 5 Stunden die Stärken von beiden Seiten bündeln und so dem Samstag mehr Schwung geben. Die Sendung hat immer die Welt im Blick, ist im Zugang aber eben auch schnell, frech und mutig.

RADIOSZENE: Auch an WDR 2 ist das Formatradio-Gedankengut nicht ganz spurlos vorübergegangen, wie viele Freiheiten haben Sie in Ihrer Sendung?

Bug: Es gibt kein Korsett, sondern die größtmögliche Freiheit für Themen und Umsetzung. Alles ist möglich. Und ich freue mich wirklich sehr über die neue Duftnote bei WDR2, die neuen Hörer, aber auch diejenigen aus dem Sektor, die nun den schönsten Tag der Woche gerne mit mir verbringen.

RADIOSZENE: Da am Sonntag zur gleichen Zeit eine weitere On Air-Personality (Matthias Matuschik) auf WDR2 begonnen hat, liegt der Verdacht nahe, dass der WDR damit dem allgemeinen Personality-Trend folgt. Sehen Sie das auch so?

Bug: Das Medium hat sich allgemein in der Ansprache entschleunigt und viele private Rummelbuden bekamen ihre Probleme. So gesehen freue ich mich, dass sich das Medium meinem Radioverständnis wieder angenähert hat und einige Sender wieder auf geistreicheres Wort, Inhalte, ehrliche Haltung und einen bisweilen eigenwilligen Musikmix setzen. Programme wie Radioeins in Berlin bleiben für mich Paradebeispiele für so ein gelungenes Programm.

RADIOSZENE: Wie sehen Sie das Problem der Jugendsender, die u.a. aus demographischen Gründen die jungen HörerInnen der iPod-Generation verlieren? Wird das Radio zum Medium für die ältere Generation?

Bug: Natürlich ist den jungen Formaten die demographische Entwicklung im Weg. Dennoch, das Radio erlebt seit einiger Zeit wieder enormen Zuspruch und die Programme – gerade die jungen – haben nur eine Chance in der iPod-Generation: sich wieder auf die Möglichkeiten des Mediums zu besinnen und in der Ansprache ehrlich bleiben. Welcher 16-jährige geht denn bitteschön gerne zur Schule und läßt sich dort die Welt erklären…?“

RADIOSZENE: Herr Bug, vielen Dank für das Gespräch.

Ulrich Köring

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