Am vergangenen Samstag ist Walter Freiwald im Alter von 65 Jahren gestorben. Wenige Wochen vor seinem Tod hat er über Twitter seine Krebs-Erkrankung bekannt gegeben: „Bevor die @BILD oder @RTLde irgendwelche Unwahrheiten über meine Person verbreitet, will ich selbst mitteilen, dass ich unheilbar krank geworden bin und diese Krankheit nicht überleben werde. Der Krebs ist ein Arschloch und wird mich töten. Ich liebe meine Frau und meine Kinder.“Auf seiner Homepage steht zu lesen: „In einem Beitrag auf seiner Instagram-Seite heißt es: „Am 16.11.2019 hat er den Kampf gegen den Krebs verloren. Sein Lebenswerk als Moderator und Entertainer, wie auch als liebender Ehemann und Familienvater bleibt unvergessen.“
Der folgende Beitrag von Michael Schmich stammt vom 13. März 2019
„Radiomachen“ als solches ist kein klassischer Lehrberuf, in Folge werden die Mitarbeiter aus zahlreichen Berufszweigen rekrutiert. Eine Seiteneinsteigerbranche eben. Mag sein, dass sich die Verantwortlichen heute bei der Einstellung stärker an bestimmten Qualifizierungsvorgaben orientieren, bei meiner ersten Stelle beim SWF3 Pop-Shop jedenfalls fand sich im Kollegenkreis eine eher noch skurrile Spanne vormaliger Tätigkeitsfelder – vom studierten Berufsmusiker und gestandenen Zeitungsjournalisten bis hin zum Aufbauhelfer von Kirmesschiffschaukeln.
Dazwischen: ein ehemaliger Bote, Tankwart, Schreiner, Psychologe, Erzieher, Bademeister, Discothekenbetreiber, Fernmeldetechniker sowie eine Fraktion (zuvor eher) beschäftigungsloser und nachtaktiver Sprösslinge aus der ersten Liga der Baden-Badener Society (die über „Vitamin B“ den Weg zum Sender gefunden hatten). Und alle haben bemerkenswert raschen Zugang zu ihrer neuen Tätigkeit beim Radio gefunden und den Job auf wundersam kreative Weise erledigt.
Ab den frühen 1970er-Jahren suchte man seitens der Sender auch gezielt nach Discjockeys und Mitarbeitern von Plattenfirmen, also Experten mit unmittelbarer Nähe zur Popmusik. Gerade die so genannten „Senderbetreuer“ (heute „Promoter“) hatten von Berufs wegen einschlägige Erfahrungen und hohes Wissen in der Musikszene – sowie geübten im Umgang mit (nicht immer pflegeleichten) Künstlern. Was manchem Moderatoren der damaligen Zeit gerade bei Interviews völlig abging. Zudem waren die „Senderbetreuer“ durch ihre Besuche vor Ort schon weitgehend mit der Arbeit in den Redaktionen vertraut. Eine aufwändige Einarbeitung entfiel.
So warb beispielsweise der damalige Südwestfunk die ehemaligen EMI Electrola-Radiopromoter Frank Laufenberg und Klaus Schürholz als anschließend beim Publikum sehr beliebte Programmgestalter ab. Jürgen Koppelin war über lange Jahre für die Radiopromotion der Hamburger Phonogram verantwortlich, ehe er 1981 nach Kiel als Leiter der Musikredaktion von NDR 1 wechselte – und schließlich für lange Jahre als Abgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender für die FDP im Bundestag saß.
Der gebürtige Ostfriese Walter Freiwald landete nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann in der Promotionabteilung beim damaligen Kölner Musikriesen EMI Electrola. Er muss da seinen Job gut gemacht haben, denn schon bald erreichte ihn der Ruf zum Radio. Es folgte eine spannende Reise mit vielen Stationen innerhalb der deutschen Hörfunklandschaft. So gehörte Freiwald zu den „Radiorebellen“, die von Südtirol aus dem Bayerischen Rundfunk in den 1980er-Jahren schon ein wenig das Fürchten lehrten – und er war als Pionier in vorderer Linie mit am Start als es in Bayern endlich losging mit dem privaten Hörfunk.
Ab Beginn der 1990er-Jahre verlagerten sich seine Medien-Aktivitäten auch in Richtung Fernsehen und die Produktionen von Werbespots und Comedy-Formaten. Ein vielbeachtetes Highlight war später sicher die Teilnahme am RTL Dschungelcamp „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ in 2015. Der Mann war während seiner Laufbahn eben stets sehr vielfältig aufgestellt. Die lange Liste seines Schaffens auf zahlreichen Medien-Ebenen ist über www.walterfreiwald.de oder seine Autobiographie „Frei Schnauze – und mit einem Augenzwinkern“ nachzulesen.
Walter Freiwald hatte zuletzt noch Comedy-Formate produziert – unter anderem für Radio PSR und das junge ARD/ZDF Online-Medien-Angebot FUNK.
RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich hatte noch im Frühjahr 2019 mit Walter Freiwald über seine lange und facettenreiche Zeit beim Radio gesprochen. Es ist damit eines der letzten Interviews mit ihm.
„Die Radioleute waren schon ein spezielles Völkchen. Die akzeptieren nicht jeden“
RADIOSZENE: Herr Freiwald, Sie kamen nach ihrer Berufsausbildung als Quereinsteiger zur damaligen Plattenfirma EMI Electrola. Haben dort unter anderem in der Promotionabteilung gearbeitet. Eine gute Schule für die spätere Tätigkeit beim Radio?
Walter Freiwald: Unbedingt. Als Künstlerbetreuer lernte ich so gut wie alle Radiostationen in Deutschland und Österreich sowie Luxemburg kennen. In dem Zusammenhang natürlich auch eine Menge Künstler, Redakteure und Radiomoderatoren – unter anderen Thomas Gottschalk. Die Radioleute waren schon ein spezielles Völkchen. Die akzeptieren nicht jeden.
RADIOSZENE: Welche Musik und Radiosender haben Sie damals gehört und geprägt?
Walter Freiwald: Radiosender habe ich in der Jugend grundsätzlich nicht gehört. Ich war viel in Clubs und auf Konzerten. Geprägt hat mich die Musik aus der Szene: Frank Zappa, Captain Beefheart, Roland Kirk, John McLaughlin, Spike Jones und die frühen Pink Floyd. Später dann während meiner EMI-Zeit hauptsächlich SWF 3.
RADIOSZENE: Anschließend dann der Sprung zum Hörfunk. Wer hat Sie entdeckt, welche Aufgaben haben Sie während Ihrer ersten Station in Luxemburg übernommen?
Walter Freiwald: Danach wechselte ich direkt zu Radio Luxemburg. Frank Elstner wollte mich als Musikredakteur einstellen. Dort habe ich alles über das Radio gelernt. Nach kurzer Zeit hat er mich ans Mikrofon gesetzt. Also bekam ich meine ersten Sendungen. Zu meinen Aufgaben gehörte bei Radio Luxemburg auch die Betreuung des Musikverlags RMI.
RADIOSZENE: Sie waren bei Radio Luxemburg so etwas wie der erste Musikchef beim Sender. Vorher hatten die Moderatoren großen Einfluss bei der Musikzusammenstellung ihrer Sendungen. Nun wurden die Sendungen aus einer Hand geplant. Ein großer Einschnitt für die Kollegen?
Walter Freiwald: Das war sehr wohl ein großer Einschnitt. Die damaligen Moderatoren waren stinksauer. Einige ignorierten das vorgeschriebene Musikprogramm. Später lief es aber wie am Schnürchen. Der Schritt war unbedingt richtig.
RADIOSZENE: Wie viele Freiheiten hatten Sie damals durch die Programmleitung?
Walter Freiwald: Eigentlich alle. Mir hat keiner reingeredet. Frank Elstner vertraute mir voll. Der Sender lief gut.
RADIOSZENE: Welche Sendungen haben Sie bei RTL moderiert?
Walter Freiwald: „Starkstrom“ eine Rock – und Heavy Metal – Sendung. „Take five“ Magazin Sendung, „Hits aus aller Welt“, „Nachtrock“ sowie Redaktion für „Hier Frank – wer da?“.
RADIOSZENE: Anschließend der Wechsel zu Radio M1, einem Sender der von Südtirol aus weite Teile Bayerns erreichte. Was hat Sie gereizt das schöne Luxemburg gegen die südlichen Radiogefilde zu tauschen?
Walter Freiwald: Die Pionierarbeit. Das war genau meine Musik. Wir haben dem Bayerischen Rundfunk innerhalb kürzester Zeit richtig viele Hörer weggenommen. Seltsamerweise sägte uns irgendjemand irgendwann die Sendemasten ab.
„Wir haben dem Bayerischen Rundfunk innerhalb kürzester Zeit richtig viele Hörer weggenommen. Seltsamerweise sägte uns irgendjemand irgendwann die Sendemasten ab“
RADIOSZENE: Wie man heute hört, müssen die Südtiroler Sender sehr erfolgreich gewesen sein – und die Zeiten spannend und wild …
Walter Freiwald: Es war spannend und wild, wurde aber noch viel spannender beim nächsten Sender …
RADIOSZENE: 1985 waren Sie bei der Premiere des ersten bayerischen Privatsenders Radio Gong in München mit am Start, waren auch Moderator der Morningshow. Wie überzeugt waren Sie und Ihre Mitstreiter damals vom Erfolg des neuen Senders?
Walter Freiwald: Helmut Markwort, damals Chefredakteur der Zeitschriften „Gong“, „die aktuelle“, “die 2“, und „Ein Herz für Tiere“ rief mich 1984 an und fragte mich, ob ich ihm ein Privatradio aufbauen wolle. Frank Elstner hatte mich ihm empfohlen. Ich nahm den Job gerne an. Die Aufbauphase von Radio Gong war mit einigen Monaten sehr kurz. 1985 gingen wir on air. Es war recht schwierig gute Moderatoren zu finden. Schließlich gelang mir das. Ich wurde Musikchef und Chefmoderator und wusste, dass wir Erfolg haben würden. Nach einem Jahr waren wir Nummer 1 in München.
RADIOSZENE: Mit welchen Erinnerungen denken Sie an die Münchener Zeit zurück?
Walter Freiwald: Meine Erinnerung an die Münchner Zeit basieren auf harte Arbeit, Spaß, und Erfolg. Es war die schönste Radiozeit die ich hatte.
RADIOSZENE: Anschließend gab es noch eine ganze Reihe weiterer Radio-Engagements …
Walter Freiwald: Ich war und werde niemals Radio-müde … Neben meiner Tätigkeit bei Radio Gong war ich am Wochenende zeitweise bei SDR 3 in Mittags- und Abendsendungen (wie dem Wunschkonzert) und dem ARD-Nachtprogramm zu hören.
Neben der RTL-Fernsehtätigkeit und nach meiner Zeit bei Radio Gong kamen dann: 1991 bis 1992 Radio Xanadu in München – Moderation und Redaktion der Frühsendung im Wechsel mit Thomas Gottschalk.
Anschließend 1992 bis 1993 Antenne Bayern für Helmut Markwort und Karl-Heinz Hörhammer – Moderation und Redaktion diverser täglicher Sendungen sowie Sport- und Nachrichtensendungen.
Von 1994 bis 1995 Radio RPR1. – Moderation und Redaktion diverser Sendungen aus dem Studio Köln, sowie eine wöchentliche Talkshow.
Und 1995 bis 1997 Hitradio Antenne Niedersachsen in Hannover – die Morningshow „Muntermacher“ „Einer gegen Niedersachen“, „Die Familienshow“ Moderation und Redaktion verschiedener Sendungen, wie auch Sport und Nachrichten.
RADIOSZENE: Wie intensiv und mit welchen Gefühlen nutzen Sie heute Radio? Welche Sender hören Sie?
Walter Freiwald: Ich höre von morgens bis abends Radio, vorwiegend 1LIVE. Mittlerweile aber auch gerne NPO 3FM, bigFM oder N-JOY. Also äußerst intensiv. Ich habe aber das Gefühl, dass die Radiowelt immer mehr abbaut. Die Musikrotation wird immer enger und bietet keine Breite. Die Moderatoren werden immer schlechter. Es geht also nur noch um Geld. Schade.
RADIOSZENE: Was machen die Kollegen heute besser als zu Ihren Zeiten, was vermissen Sie?
Walter Freiwald: Das Einzige, was sich verbessert hat, ist die lockere Sprache. Zum Beispiel das Wort „Scheiße“ durften wir früher nicht sagen, dann wären wir geflogen. Ich vermisse ein gut gemachtes Radio.
„Ich höre von morgens bis abends Radio, vorwiegend 1LIVE. Ich habe aber das Gefühl, dass die Radiowelt immer mehr abbaut“
RADIOSZENE: Juckt es Sie heute nicht gelegentlich einmal wieder eine Radioshow zu gestalten? Angenommen Sie haben freie Hand, wie würde sich eine solche Show anhören?
Walter Freiwald: Seit 2012 suche ich intensiv einen Moderationsjob im Radio. Scheinbar bin ich den Machern zu alt, so dass man mir eine junge Sendung vielleicht nicht mehr zutraut …
Wenn ich freie Hand hätte, wäre es eine humorvolle, hörernahe, schnelle, intelligente und musikalisch durchdachte Show. Also eine Show für den Hörer und nicht für den Sender.
RADIOSZENE: Was bedeutet Radio generell für Sie?
Walter Freiwald: Radio ist und bleibt für mich das schnellste, gefühlvollste und beste Medium ever – trotz Internet.