Radio – Hauptsache digital!

James Cridland's Radio Futrure

Im September schickte Michael Mason, der den Radiobereich der Australian Broadcasting Corporation leitet, allen Mitarbeitern eine Email, in der er die Zukunft von ABC im Jahr 2020 detailliert beschreibt. Hier können Sie den Text lesen – und das sollten Sie auch!

Es ist ein gutes und eindeutiges Beispiel zukunftsorientierter und strategischer Planung und vielleicht etwas, das Sie sich für Ihr eigenes Unternehmen wünschen würden. In meinem Newsletter habe ich damals behauptet, noch nie so etwas für eine andere Radio-Organisation gesehen zu haben. Vermutlich sind Sie nicht mit Allem einverstanden – das ist nicht der Punkt – aber sehen Sie es als einen großartigen Leitfaden für die künftige Ausrichtung der Organisation.

ABC-RN – das RN steht für Radio National – ist eine Station wie NPR oder BBC Radio 4. Sie bietet Nachrichtenprogramme und Dokumentationen: sorgfältig verfasste Sendungen, die ein bestimmtes Thema beleuchten.

ABC RNEin Teil der ABC-Strategie sagt:

Eine unserer Prioritäten ist es, besser zu werden beim Auswählen und Teilen [RNs] qualitativer Genre-spezialisierter Inhalte und diese mehr von linearen zu digitalen Plattformen zu verlagern und neue Nutzer zu erreichen. 

Dies wurde in der Presse und den Chatrooms einfach nur als ABC-Plan gedeutet, RN-Sender abzuschalten und die gesamte Station nur noch als Podcast weiterzuführen. So ist es nicht. Stattdessen ist dies ein grundlegendes Umdenken, Radio-Inhalte zu präsentieren – und eine Idee, die ich im Laufe der Jahre bereits leise gefordert habe.

Eine Station wie RN, BBC Radio 4 oder NPR könnte, sagen wir mal, eine Stunde Programm zum Thema psychische Gesundheit planen. Im Programmraster – was durchaus noch Sinn macht – ist jede Woche das Füllen von 57 Minuten jeder Ausgabe rund um dieses Thema vorgesehen: und nun macht mal bitte, liebes Team, los gehts! Und im Radio funktioniert es auch halbwegs: jede Woche können Sie wahrscheinlich neben Ihrem Radio sitzen und dieses Programm genießen, wahrscheinlich mit einer Wiederholung später im Laufe der Woche.

Die Schwierigkeit ist, dass stundenlange Sendungen in der digitalen Welt nicht ideal sind. Sehr wenige Leute haben Zeit, eine Stunde Wertvolles auf Abruf zu hören. (Erste Statistiken zeigen, dass nur 44% der Menschen bis zum Ende meinen Podcasts lauschen. Das bedeutet entweder, dass meine Podcasts wirklich schrecklich sind, oder sie haben das Wesentliche von dem, was ich mitteilen wollte, bereits kapiert und machen mit etwas anderem weiter. Dabei ist mein Podcast nur drei Minuten lang!)

ABC Radio National (Foto: ©James Cridland)
ABC Radio National (Foto: ©James Cridland)

Wir wissen bereits, dass kürzere Inhalte besser funktionieren und besser zugänglich sind. Wenn also ein einstündiges Programm drei verschiedene Geschichten umfasst, könnte es besser sein, diese individuellen Geschichten einzeln verfügbar zu machen. Wenn Sie beispielsweise passend zur Jahreszeit nur das Thema Depressionen interessiert und nicht die Schizophrenie, können Sie genau den Inhalt auswählen, das Sie auch hören wollen.

Das ändert nicht viel am Klang des Radioprogramms. Aber es ändert sich die Art und Weise, wie das Programm und dessen Elemente zusammengestellt werden. Es bedeutet, dass die Sender darüber nachdenken müssen, ob einzelne Geschichten genauso gut isoliert wie auch innerhalb einer einstündig ausgestrahlten Sendung wirken.

Durch das Denken „Hauptsache digital“ – oder zumindest dem Digitalen gleichgestellt – könnten viel, viel mehr Menschen großartiges Radio hören. Und ist das nicht genau das Ziel unserer Arbeit?

 

james-cridlandDer „Radio-Futurologe“ James Cridland beschäftigt sich mit neuen Plattformen und Technologien und ihre Wirkung auf die weltweite Radiobranche. Er spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.cridland.net.

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Kommentare

Vielleicht wäre die Frage „was hat der Hörer vom Programm?“ ein guter Maßstab?

Es gibt Sendungen, an die erinnere ich mich noch nach Jahren. Wenn ich die rekapituliere, da ist keine unter einer Stunde dabei! Viele waren sogar 2 oder mehr Stunden. Zugegeben es waren nicht viele Sendungen und in der Währung „Einschaltquote“ vermutlich kaum meßbar. Aber als Anregung ein Buch zu kaufen und zu lesen, oder als Ausgangspunkt für eine Diskussion, zum Arzt zu gehen, zum Teil grundlegend. Was mir wichtiger geworden ist, derartige Sendungen per Link teilen zu können.

Mit freundlichen Grüßen

radneuerfinder

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