Das Deutschlandradio trennt sich von einem Stück Rundfunkgeschichte: Nach 65 Jahren Betrieb wird der ehemalige RIAS-Senderstandort in Berlin-Britz komplett aufgegeben. Aktuell einzig in Betrieb ist die Mittelwelle 990 kHz für Deutschlandradio Kultur, nachdem die verbliebende UKW-Frequenz 89,60 MHz für den Deutschlandfunk auf den Fernsehturm am Alexanderplatz verlegt wurde.
Dies berichtet die Nachrichtenagentur epd unter Berufung auf ein Statement des Deutschlandradios. Das Areal am Britzer Damm hat große rundfunkhistorische Bedeutung: Im September 1946 entstand hier der erste Sender des Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS). Mit nur 800 Watt Sendeleistung wurde hier das Programm mit einem kleinen Sender der US-Army ausgestrahlt, der auf einem Jeep-Truck montiert war1. Später kamen zwei Kurzwellenfrequenzen, UKW- und Mittelwellensender hinzu, die nicht nur für die Bewohner West-Berlins, sondern insbesondere auch die DDR-Bevölkerung informierte und mit der beliebten Jugendwelle RIAS 2 unterhielt. Zudem gelangte von hier das Fernsehsignal von RIAS-TV und später MTV-Deutschland auf den Satelliten. Auch Digitalradio DAB wurde von hier ausgestrahlt, aus Britz sendete quasi schon alles, was das europäische Rundfunkrepertoire zu bieten hatte.
Das Ende kommt in Stücken
Im Mai 2012 wurde der traditionelle Kurzwellensender auf 6190 kHz (Deutschlandfunk) nach einem Senderdefekt endgültig abgeschaltet. Die Sendetechnik, Jahrgang 1951 (AEG-Sender und Faltdipolantenne für das 49-Meterband), war die einzige dieser Art weltweit, die noch in Betrieb war. Bereits einige Zeit vorher wurde der Sender 6005 kHz (zuletzt für Deutschlandradio Kultur) durch einen Brand stark beschädigt. Das Deutschlandradio begann bereits vor einigen Wochen mit der Veräußerung einiger Bestandteile der Technik.
Stichtag 4. September
Im Herbst vergangenen Jahres verabschiedete man sich schließlich von der Mittelwelle 855 kHz, die zuletzt im digitalen DRM-System den Deutschlandfunk übertrug. Der entsprechende Sendemast wurde bereits abgerissen, Hoffnungen setzte man in die digitale Mittelwelle damals schon lange nicht mehr.
Am 4. September, also wenige Tage vor der Internationalen Funkaustellung, wird dann auch die Welle 990 kHz gekappt. Vielleicht auch ein Signal, um die Entschlossenheit in Richtung Digitalradio-Entwicklung zu demonstrieren. Durch eine Entscheidung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) wäre das DRadio spätestens Ende 2014 eh zur Abschaltung seiner Mittel- und Langwellensender gezwungen. Die Sendeanlage in Britz ist die einzige, die das Deutschlandradio komplett in Eigenregie betreibt.
Update vom 4. September: Goodbye Mittelwelle
Wie das Deutschlandradio informiert, wurde heute um 11:38 Uhr von Intendant Dr. Willi Steul der Mittelwellensender abgeschaltet.
In der offiziellen Pressemitteilung zum Sendeschluss der Station Britz heißt es u.a., mit der Abschaltung der letzten Mittelwellenfrequenz in Berlin ende eine Ära, die vor 90 Jahren im Vox-Haus begann, als das erste Hörfunkprogramm in Deutschland am 29. Oktober 1923 seinen Dienst aufnahm. Während der Teilung hätte der einstmals leistungsstärkste Mittelwellensender Europas eine herausragende Bedeutung gehabt, als er als Stimme der freien Welt die offene Information für DDR-Bürger sicherstellte.
11:38 MESZ @Dradio Chef Steul drückt den roten Knopf. Der Sender Britz ist tot. 67 Jahre MW vorbei. Es lebe @DigiIFA pic.twitter.com/e7lVWaNgbJ
— medienmagazin (@medienmagazin) September 4, 2013
[1] RIAS – Eine Radio-Station in einer geteilten Stadt, S.48, von Kundler, Herbert, erschienen im Reimer-Verlag 2002