Sie ist eine von ganz wenigen World-Pop-Sendungen aus und für Mitteldeutschland – bald aber muss es heißen, „Makossa“ war. Das Weltmusikformat wird zum Ende des Jahres eingestellt. Johannes Pätzold war der Mann am Mikrofon. Ende November haben wir ihm ein paar Interviewfragen geschickt.
Herr Pätzold, es soll Menschen geben, die nicht wissen, was „Makossa“ ist – wie beschreiben Sie die Sendung jenen, die noch nicht wissen, worum es dabei geht?
Pätzold: Die Sendung nimmt alles auf, was in den üblichen Musiksendungen, die sich überwiegend nach Rock und Pop orientieren, entweder zu kurz kommt oder überhaupt nicht auftaucht. Auch in Radiosendungen der Electro- und Dancemusik – und damit den wichtigsten und innovativsten Strömungen der Populärmusik seit den 90ern – findet die „Makossa-Musik“ kaum Beachtung. Dabei sind Stile wie Cumbia Digital keine Marginalerscheinungen, sondern weltweite Massenphänomene. In der einstigen Folkmusic namens Cumbia treffen sich heute alle anderen zeitgenössischen Club-Stile von Drum n Bass, Dubstep, Reggaeton. Das gleiche passiert überall, auch in der Balkan-Musik, die in digitalen Zeiten sich rasch mit Mixen und Remixen verbreitet, wobei Künstler oft längst abgekoppelt von den geographischen Ursprüngen agieren, beim Balkan sind es Künstler wie Beirut aus den USA, Shantel aus Deutschland, Balkan Beat Box aus New York. Früher hätte man einer Sendung wie Makossa vielleicht mit dem Begriff 80er Jahre „Weltmusik“ beikommen wollen, aber in digitalen Zeiten greift das schon lange nicht mehr. Wer aber ein paar namentliche Anhaltspunkte braucht, dem würde ich sagen, dass Makossa vor allem „schwarze“ Genre musikalisch „umschwärmt“ wie Soul, Hip Hop, Funk, Afrobeat, Reggae.
„Makossa“ ist nicht erst seit dem Sputnik-Relaunch von 2006 im Äther unterwegs, sondern hat eine große Geschichte. Was sind die Ursprünge der Sendung? Wie beschreibt sich der Werdegang von „Makossa“ aus Ihrer Sicht von den Anfängen bis zum heutigen Tag?
Pätzold: Makossa ist mit dem Werdegang von DT 64 verbunden. Als die Wende kam und der Jugendsender der ehemaligen DDR nun „aufatmen“ und endlich frei sein Programm gestalten durfte, wurde nach einer Sendung mit internationaler Ausrichtung gesucht. Lutz Schramm von DT 64 begann mit der Sendung, ich übernahm sie Anfang 1992, und mit einer Pause habe ich sie bis heute moderiert und gestaltet, nach DT 64 bei MDR Sputnik. Es ist sicher die „dienstälteste“ Sendung bei MDR Sputnik. Über die Jahre habe ich sie bei allem Exotentum in der Präsentation immer nach den Entwicklungen bei MDR Sputnik angepasst. Vor allem die internationale Clubszene steht im Fokus der Sendung heute mit Entwicklungen wie Kuduro Dance aus Angola und Portugal. Mit Kwaito und Shangaan Elektro aus Südafrika und vielen anderen neuen verrückten Stilen.
Mittlerweile gibt es Informationen, dass „Makossa“ bei MDR Sputnik zum Jahresende eingestellt werden soll. Können Sie bestätigen? Warum kam es aus Ihrer Sicht zur Entscheidung, „Makossa“ aus dem Programm zu nehmen?
Pätzold: Makossa endet am 19.Dezember 2011, stimmt. Das war es dann. Die Trennung erfolgt absolut in freundlicher Stimmung. Ich habe MDR Sputnik und ihrem heutigem Chefredakteur Reinhard Bärenz zu verdanken, dass sie jahrelang dieses Exotentum pflegten und förderten – in diesem Jahr gab es sie – mit kurzer Unterbrechung – 20 Jahre, wenn ich das richtig nachrechne. Über die genaue Motivation und Beweggründe, Makossa einzustellen, sind sicher der Sender und seine Vertreter die passenderen Ansprechpartner, um die Entwicklungen und Anforderungen des Programms zu erläutern.
Trotz der Streichung wird die Idee von „Makossa“ sicher weiterleben – wo werden wir Johannes Paetzold zukünftig hören können?
Pätzold: Ich moderiere ebenfalls seit einigen Jahren bereits die wöchentliche Sendung Planet Fruit bei Radio Eins rbb. Hier bringe ich die Rockmusik von Radio Eins zusammen mit „Teilen von Makossa“. Ich spiele die Musik zum Beispiel von Rock-Bands, die afrikanische Einflüsse in ihrer Musik verarbeiten, angefangen von den Talking Heads über heutige Bands wie Akron/Family, Vampire Weekend, The Raptures und Künstler wie Damon Albarn und Flea von den Red Hot Chilli Peppers. Reggae und alle möglichen Exotika sind hier immer wieder zu hören, Planet Fruit lebt vor allem durch den Mix von Stilistiken, die Musiker selbst über die Jahrzehnte sowieso immer zusammen gedacht und gespielt haben, aber hier kommt das für jedermann in der Samstag Nacht zusammen: African Trip Hop, brasilianischer Dub, südafrikanischer Hip Hop trifft auf die hiesige Rock-, Pop-, aber auch Dancegeneration.
Dennoch bedeutet der Verlust von „Makossa“ einen herben Einschnitt für die mitteldeutsche Radiolandschaft – was wünschen Sie sich für die Zukunft des Genres „Weltmusik“ in den Angeboten des MDR?
Pätzold: Makossa ist ideologiefrei. Ich habe nie exotische Musik gespielt, um ein politisches Statement damit zu erfüllen, sondern weil ich den Mix von afrikanischer und europäischer Musik liebe und ihn nirgendwo selbst im Radio hören konnte. Ich bin ein großer Anhänger von Marshall McLuhans alter Medientheorie „Das Medium ist die Botschaft“. Wer also zu westafrikanischem Blues die Finger schnippst, wird wahrscheinlich auch auf den senegalesischen Migranten in der Nachbarwohnung eine andere Sicht- und Verständnisweise entwickeln. Makossa bringt so auch ein Stück Welt zu uns, so wie es selbstverständlich geworden ist, international zu essen, von Pizza bis Döner. Besonders in diesen Tagen, da die Republik von rechtsradikalen Morden ungeheuren Ausmaßes erfährt, hätten und haben Sendungen wie Makossa natürlich doppelte große Bedeutung, gerade weil sie nichts propagieren, sondern die verschiedenen Kulturen als Bereicherung feiern, nicht als Gefahr darstellen. Aber alles, was außerhalb des Mainstreams passiert, gerade in der Radiolandschaft, ist immer von Abschaltung bedroht. Eine Radiopromoterin erklärte mir bei der Nachricht vom Ende von Makossa, dass – seit sie mit dem Beruf anfing – die Zahl der exotischen Radiosendungen in Deutschland inzwischen an zwei Händen abzuzählen ist. Von daher würde ich den Hörern im Sendegebiet einfach wünschen, dass es vielleicht doch irgendwann wieder einmal Alternativen gibt.
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MDR SPUTNIK Makossa