„Es besteht kein Anlass, dem NDR drei neue Radioprogramme für Norddeutschland zu genehmigen“, fasst der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) Felix Kovac die Stellungnahme seiner Organisation zum „NDR-Digitalradio-Staatsvertrag“ der norddeutschen Länder zusammen. Danach sollen dem NDR drei neue Programme – NDR Musik Plus, NDR Info Spezial und NDR Traffic – genehmigt werden.
Die APR hält dieses Vorhaben bereits formal jenseits der Ermächtigungsgrundlage des Rundfunkstaatsvertrages. Danach dürfen die Länder ihrer Rundfunkanstalt ein neues ausschließlich digital terrestrisch verbreitetes Radioprogramm je Bundesland genehmigen. „Im Norden sollen es drei Programme je Bundesland sein“, kritisiert Kovac.
Die Ausnahmevorschrift des Rundfunkstaatsvertrages für die Programmzahlbegrenzung der öffentlich-rechtlichen Radios sieht außerdem vor, dass neue Angebote das Digitalradio durch einen „eigenständigen Mehrwert“ beflügeln sollen. „Aber schon die Begründung des NDR-DigiR-StV spricht davon, dass es sich ausschließlich um Inhalte handeln wird, die reichlich in den bekannten Radioprogrammen des NDR enthalten sind“, kritisiert Kovac. Die APR hält daher das Vorhaben der norddeutschen Länder vom Sinn und Zweck des Rundfunkstaatsvertrages für nicht gedeckt.
Schließlich vermisst die APR jede Aussage zum zukünftigen Finanzbedarf für die neuen Programme. Die in der Staatsvertragsbegründung enthaltene Aussage, drei neue Programme kosteten nichts, sei erkennbar unzutreffend.
In allen Bundesländern sei ein in sich geschlossenes Konzept für die Digitalisierung des Hörfunks erforderlich. „Es kann nicht sein, dass auf Vorrat die Schieflage im dualen Hörfunk zu Lasten der privaten zementiert wird, ein Gesamtkonzept aber fehlt“, so Kovac abschließend.
Die APR vertritt rund 280 Unternehmen des privaten Hörfunks, im Schwerpunkt lokale und regionale Anbieter. Sie vertritt unter anderem Radioanbieter in Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
Stellungnahme zum Entwurf des NDR-DigiR-StV.
Die Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR) dankt für die Möglichkeit der Stellungnahme zum NDR-Digitalradio-Staatsvertrag. Die APR vertritt bundesweit rund 280 vorwiegend lokale und regionale Anbieter von Hörfunk- und Fernsehprogrammen. Im Sendegebiet des NDR vertritt die APR Radioanbieter in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
Die APR tritt dem beabsichtigten Gesetzgebungsverfahren entgegen. Das Vorhaben überschreitet die Ermächtigungsnorm des Rundfunkstaatsvertrages. Die beabsichtigten zusätzlichen Programme werden dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage nicht gerecht, selbst wenn sie sich ansonsten darauf berufen könnten. Die finanziellen Auswirkungen sind nicht berücksichtigt. Die Auswirkungen auf den privaten Sektor sind nicht in den Blick genommen, obwohl dies in der dualen Rundfunkordnung unerlässlich ist.
- Der durch den 13. RÄndStV geänderte § 11c Abs. 2 RStV ermöglicht es dem Landesgesetzgeber, eine Rundfunkanstalt mit einem zusätzlichen Digitalradio-Programm für jedes Bundesland, für das sie tätig ist, zu beauftragen. Die Bezugnahme auf die Anzahl der Bundesländer belegt, dass es sich jeweils um ein landesbezogenes Programm handelt. Das ergibt sich auch aus der Historie der Norm, die der Begrenzung der Anzahl der Hörfunkprogramme dient, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk insgesamt anbieten darf. Neue Angebote sind demnach zulässig, wenn sie alte Angebote ersetzen. Insofern ist die vom Entwurf angezogene Grundlage des § 11c Abs. 2 S. 2 RStV eng als Begrenzung auszulegen.Dies ergibt sich auch aus der Begründung des 13. RÄndStV. Auch dort ist der Zusammenhang zwischen dem neuen Hörfunkprogramm, das digital terrestrisch verbreitet wird, und dem Verbreitungsgebiet des jeweiligen Bundeslandes angesprochen.Demgegenüber sollen durch den vorgeschlagenen NDR-DigiR-StV drei neue flächendeckende Hörfunkprogramme angeboten werden. In jedem NDR-Bundesland wären also drei und nicht lediglich ein neues Programm durch die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zusätzlich am Markt verfügbar. Das widerspricht der Ermächtigungsgrundlage. Warum beispielsweise in Hessen nur ein neues Digitalradioprogramm zulässig sein soll, im benachbarten Niedersachsen aber drei zusätzliche neue Programme, erschließt sich aus dem Wortlaut der Norm nicht. Gemeint ist in der Ermächtigungsnorm: Pro Land jeweils ein neues Digitalradioprogramm durch die dafür zuständige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt.
Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, der NDR habe vor dem 1. April 2004 – dem vom Staatsvertraggeber für maßgeblich erachteten Stichtag – sozusagen zu wenig neue Hörfunkprogramme auf Vorrat gestartet, er sei im Vergleich zu anderen Anstalten ins Hintertreffen geraten. Ob dies aus Sicht des NDR zutreffend ist, soll hier nicht kommentiert werden. Ein solches Motiv rechtfertigt es aber nicht, die Ermächtigungsgrundlage des Rundfunkstaatsvertrages extensiv auszulegen und für den NDR einen Sondervorteil zu verlangen. Wäre das die Absicht der Änderung im 13. RÄndStV gewesen, hätte sich dies sowohl im Wortlaut als auch in der Begründung transparent niederschlagen müssen. Dies ist nicht geschehen.
- Zweck der Ermächtigungsgrundlage ist ausweislich der Begründung des 13. RÄndStV der „Erfolg von Digitalradio“ durch „digitale Programme mit einem eigenständigen Mehrwert“. Wie die Begründung des NDR-DigiR-StV zutreffend anführt, handelt es sich bei den drei dort genannten neuen Programmen um solche, deren Inhalte bereits hinlänglich in den vorhandenen analog beziehungsweise auch digital ausgestrahlten Radioprogrammen enthalten sind. Ein „eigenständiger Mehrwert“ ist demnach schon ausweislich der Begründung des neuen Staatsvertrages nicht gegeben. Der NDR-DigiR-StV verfehlt daher schon vom Ansatz her die Ermächtigungsgrundlage ihrem Sinn und Zweck nach.Es ist vielmehr zu befürchten, dass mit ungenauen Vorgaben drei Hüllen geschaffen werden, aus denen der NDR nach Belieben zielgruppenspezifische Spezialangebote bauen kann. Im Ernst ist beispielsweise ein Radioprogramm zu Verkehrsinformationen nicht vorstellbar – solche Serviceeinheiten sind Bestandteil eines gut gemachten Programms, aber sie tragen es nicht. Es würde sich ein wie auch immer musikalisch auf eine Zielgruppe ausgerichtetes Programm entwickeln, das in üblicher Art und Weise Verkehrsinformationen als Service einstreut. Es wäre nicht unterscheidbar von anderen zielgruppenspezifisch formatierten Radioprogrammen.Dieses Argument lässt sich ebenso auf die anderen neuen Programme wie Live-Übertragungen, Seewetterberichte – als eigener Programmschwerpunkte trotz der Bedeutung für Küstenländer kaum vorstellbar – oder auf ein Musikprogramm für Norddeutschland (gemeint: Volksmusik?) übertragen.
- Zu Unrecht führt die Begründung an, für die drei neuen im gesamten NDR-Sendegebiet ausgestrahlten Programme sei „ein gesonderter Finanzbedarf“ nicht ersichtlich. Diese Angabe ist grob falsch.Schon die Verbreitungskosten für vier neue Programme im gesamten NDR-Sendegebiet verursachen Kosten, die bisher nicht entstanden sind.Die Gestaltung der Programme verursacht Kosten. Die Musik ist bei den Verwertungsgesellschaften abzugelten. Die Inhalte von „eigenständigem Mehrwert“ sind zu generieren und die Programmmacher und Journalisten dafür zu honorieren (§ 32 UrhG – Anspruch auf angemessene Vergütung). Da ganz nebenbei nicht nur Radioprogramme, sondern auch Zusatzinformationen jedenfalls der Begründung nach eingerichtet werden sollen, sind auch die hierfür notwendigen technischen und programmlichen Aufwendungen zu beachten.
Unverständlich ist der Hinweis der Begründung, diese Programme seien bereits „Teil des festgestellten Finanzbedarfes“. Das kann nur so verstanden werden, als habe der NDR bereits einen Finanzbedarf für Hörfunkprogramme angemeldet, die er nach bisheriger Rechtslage gar nicht veranstalten darf. Das wäre unzulässig.
Umgekehrt folgt der verfassungsrechtliche Finanzgewährleistungsanspruch aus der Beauftragung einer Rundfunkanstalt mit neuen Programmen. Durch die Ermächtigung im NDR-DigiR-StV wird dem NDR also ein erweiterter Finanzierungsanspruch eröffnet.
Die Begründung greift also deutlich zu kurz. Es geht darum, was durch die neue Ermächtigung und unter Berücksichtigung der durch die Programmautonomie des NDR eröffneten Möglichkeiten an Weiterungen und neuem Finanzbedarf zukünftig entsteht. Damit setzt sich die Begründung nicht auseinander.
- Der NDR-DigiR-StV ist eine ergänzende Ausgestaltung der dualen Rundfunkordnung in Norddeutschland. Für ein Ausgestaltungsgesetz hat der Gesetzgeber sicherlich ein weites Ermessen. Er muss es aber auch ausüben. Das heißt, der Gesetzgeber hat die Aufgabe, sich mit den Auswirkungen der neuen Programme auf den Hörfunkmarkt insgesamt und auf die privaten Radioprogramme zu beschäftigen. Da es sich um Programme handelt, die ausweislich der Bezugnahme auf die Ermächtigungsgrundlage des § 11c Abs. 2 RStV einer Förderung des digitalen Hörfunkmarktes dienen sollen, hat sich der Gesetzgeber mit diesem Segment auseinanderzusetzen und auch die Situation der privaten Anbieter in der Konkurrenz von analogem und digitalem Radio zu erfassen. Das ist nicht geschehen. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser gesetzgeberische Einzelakt, der ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bevorzugt, Bestandteil einer Gesamtkonzeption der Staatsvertrag schließenden Länder in Bezug auf digitalen Hörfunk darstellen würde.Eine solche Gesamtkonzeption ist notwendig, bevor isoliert der öffentlich-rechtliche Rundfunk in eine bevorzugte Position gerät. Die Schieflage im dualen Rundfunk darf nicht im digitalen Bereich erweitert werden.