Dr. Gitte Katz: „Der Audio-Boom hat durch Corona keinen Schaden genommen“

Die anrollende – oder je nach Sichtweise bereits angekommene – zweite Corona-Welle stellt auch die Verantwortlichen der Radiobranche vor erneute Herausforderungen. Während die Programmmachern wohl schon kurzfristig auf bereits im Frühjahr erprobte Workflows wie Homeoffice, Sonderprogramme, virtuelle Mitarbeiterkommunikation und so weiter umschalten können, dürfte die ungewisse Ertragslage den Geschäftsführern und Vertriebsmitarbeitern die eine oder andere Sorgenfalte bescheren. Dabei hatten sich die Werbeumsätze nach erdrutschartigen Einbrüchen im März und April gerade wieder in die Gewinnzone manövriert. Und nun erschrecken uns in den letzten Tagen immer rasanter ansteigende Infektionszahlen aus dem Robert-Koch-Institut. Wie alle Wirtschaftszweige dürfte sich auch die Hörfunkbranche in höchster Alarmstufe befinden.

Dr. Gitte Katz (Bild: SWR)
Dr. Gitte Katz (Bild: SWR)

RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich sprach mit Dr. Gitte Katz, Geschäftsleiterin Vertrieb & Marketing bei SWR Media Services GmbH über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Werbeeinnahmen.


RADIOSZENE: Die Werbeumsätze im Radio haben sich nach extremen Einbrüchen direkt nach Beginn des Corona-Lockdowns zuletzt wieder rasch erholt. Welches sind die Gründe für diesen erfreulichen Trend?

Dr. Gitte Katz: Die Gründe sind vielfältig. Zum einen ist Radio schnell und einfach einsetzbar: Das Medium bietet ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, Spots sind schnell und kostengünstig produzierbar. Die Mediennutzung ist ungebrochen hoch und stabil, Radio ist der Tagesbegleiter und das Abverkaufsmedium Nr. 1. Diese Tatsachen sprechen gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten für Radio: ein gutes, naheliegendes und vor allem effizientes Werbemedium. 

Als solches ist Radio auch für Neukunden interessant: die einen werben konsequent antizyklisch, um jetzt ihre Markenposition zu verbessern – andere (zum Beispiel Onlinehandel) nutzen die veränderte Situation, um das Nachfrageverhalten möglichst dauerhaft zu bedienen beziehungsweise nachhaltig zu verändern. Zum anderen haben die wirtschaftlichen Impulse durch die Bundesregierung gezündet: Mehrwertsteuersenkung, E-Mobilitäts-Prämie et cetera bieten Kommunikationsanlässe und haben den Wettbewerb belebt. 

Und man darf nicht vergessen, dass die Konsumzurückhaltung – gezwungen oder freiwillig – auch zu einer höheren Sparquote geführt hat: Der Wegfall von Reisen, verminderter Bedarf an neuer Kleidung und so weiter führen dazu, dass die privaten Haushalte Geld „übrig“ haben, das bereits fest verplant war. Und da niemand weiß, wie’s weiter geht, wollen die Konsument*innen dieses sinnvoll und dauerhaft investieren: vom Pool im Garten über die bezuschusste Heizanlage oder die neue Küche bis hin zur Immobilie. Wer solche Angebote hat, ist also gut beraten, sie gerade jetzt zu kommunizieren.

„Vorteilhaft ist sicher, dass wir mit unseren Werbeblöcken im öffentlich-rechtlichen SWR ein sicheres – Stichwort: brandsafety – und glaubwürdiges Umfeld bieten“

RADIOSZENE: Wie bewerten Sie hier den Verlauf für die Ihren Geschäftsbereich betreffenden Programme des Südwestrundfunks?

Dr. Gitte Katz: Wir werden hoffentlich mit einem blauen Auge davonkommen. Wir haben uns quasi analog zur Werbemarkt-Entwicklung bewegt: März bis Mai waren katastrophal, die Erholung setzte ab Juni ein und ist auch bei uns angekommen; die Buchungen im September waren nahezu auf Vorjahresniveau und wir hoffen nun auf ein starkes Weihnachtsgeschäft. Die Verluste aus dem Frühjahr sind nicht aufzuholen, weil Saisongeschäft (Ostern) nicht nachholbar ist und (Stamm-)Kunden nach wie vor – ganz oder teilweise – fehlen. 

Vorteilhaft ist sicher, dass wir mit unseren Werbeblöcken im öffentlich-rechtlichen SWR ein sicheres – Stichwort: brandsafety – und glaubwürdiges Umfeld bieten. Dazu kommen hohe, stabile Reichweiten der werbungtragenden SWR-Programme und daher Verlässlichkeit und Planbarkeit. Gerade im Moment muss man sich sicher sein, das Werbegeld an der richtigen Stelle auszugeben.

Insgesamt hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch seine Informations-Stärke nochmals an Zuspruch gewonnen und entsprechend werden natürlich auch unsere werbungführenden Programme wahrgenommen. Andererseits haben wir eine sehr breite Spanne an Kundengröße und -vielfalt.  Neben den positiven Entwicklungen gibt es auch die Schattenseite: viele, vor allem kleinere Unternehmen mussten die Werbung zurückfahren oder ganz streichen, der gesamte Kultur- und Messebetrieb, der traditionell bei uns stark vertreten ist, ist nahezu zum Stillstand gekommen. Mit Konsolidierungen im Markt ist zu rechnen und das ganze Ausmaß wird erst zu sehen sein, wenn die Deadline für die Insolvenzanmeldung steht. 

RADIOSZENE: Welche Branchen haben zur positiven Entwicklung besonders beitragen? Waren es „nur“ der Handel und die Reduzierung der Umsatzsteuer?

Dr. Gitte Katz: Die Mehrwertsteuer hat einen Schub für die Werbung gebracht und wird vom gesamten Handel – stationär wie online – kommuniziert. Generell profitieren eher hochpreisige Angebote davon, daher haben auch der Möbelhandel (insbesondere Küchenhersteller), aber auch die Automobilindustrie und Anbieter von allem „rund ums Haus“ (Fenster, Türen, Heizanlagen et cetera) das Thema aufgegriffen. Ansonsten kann man das Werbeverhalten weniger an Branchen festmachen, sondern schlichtweg an den jeweiligen Möglichkeiten der Unternehmen: wer kann, macht auf seine Angebote aufmerksam, denn alle müssen verkaufen, damit sie die Verluste aus dem Lockdown und dessen Folgen wirtschaftlich wieder gut machen können beziehungsweise nicht noch mehr Umsatz verlieren.

 

„Abverkauf ist momentan wichtiger denn je“

 

RADIOSZENE: Wird sich dieser Trend auch bis zum Jahresende forstsetzen?

Dr. Gitte Katz: Abverkauf ist momentan wichtiger denn je – daher wird die Konzentration auf Radio, das Abverkaufsmedium Nr. 1, sicher nicht nachlassen. 

RADIOSZENE: Welche Perspektiven erwarten Sie auf längere Sicht grundsätzlich für Werbeeinnahmen im Radio beziehungsweise für Audio?

Dr. Gitte Katz: Grundsätzlich sind Radio und Audio Zukunftsthemen. Der Audio-Boom hat durch Corona keinen Schaden genommen, Podcast, Smartspeaker et cetera sind nach wie vor spannende Themen und die Krise hat die Vorzüge des stabilen, verlässlichen Reichweitenbringers und Abverkaufsmediums Radio noch einmal sehr deutlich gemacht.