Über die „üblichen Verdächtigen“

Deutscher Podcast Preis (Bild: ©Radiozentrale)Am 19. März wird in Berlin erstmals der Deutsche Podcast Preis verliehen. Die Nominierten und die Sieger wurden ermittelt durch ein zweigleisiges Verfahren bestehend aus Experten- und Crowd-Jury. Ich hatte die Freude daran, mitwirken zu dürfen und wenn du´s dann auch noch erzählst, dann wirst du natürlich gleich „in Haft genommen“ für die letztendlich Nominierten und sicher dann auch für die Preisträger:

„Es sind ja eh nur wieder die üblichen Verdächtigen nominiert!“.

Nachvollziehbare erste Reaktion – aber sie wird durch Wiederholungen nicht berechtigter. Klar, einige „kleine“, die es auch verdient hätten, fallen in einem solchen Verfahren schnell mal durch den Rost und andere aus der „war je eh klar-Fraktion“ stehen am Ende oben auf dem Treppchen. Aber dazu meine Frage, wieso war es denn eh klar, daß sich ein Böhmermann, ein Steingart oder der ZEIT-Podcast „Verbrechen“ Hoffnungen auf den Preis machen darf? Hat es vielleicht mit Qualität zu tun? Stehen Felix Lobrecht und Tommi Schmitt vielleicht nicht zufällig Woche für Woche ganz oben in den Spotify Podcast-Charts? Und warum? Ist Lobrecht ein üblicher Verdächtiger? Noch vor drei Jahren ist er unverdächtig in kleinen Clubs aufgetreten, die zur Hälfte mit Freunden und Verwandten gefüllt waren. Heute darf´s schon mal ein Stadion sein und sein Podcast „Gemischtes Hack“ ist einer der erfolgreichsten im Lande. Seine Fans hören ihn freiwillig.

Und da sind wir beim Thema und der banalen Erkenntnis, daß sich Qualität und der Treffer auf den Nerv eines Publikums nun mal durchsetzt. Qualität! „Gabor Steingarts Morning Briefing“ ist ebenso wenig überraschend unter den Nominierten. Auch er gehörte natürlich zu den Verdächtigen und ist schuldig – schuldig im Sinne der Qualität! Geduldig, kompetent und ja, auch mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten hat er eben nicht von vornherein gesagt: „Ich bin dann jetzt mal Podcaster!“ und sich seine Hörer gekauft. Er hat sich eine kompetente Redaktion aufgebaut, war bereit, Audio wirklich zu lernen, hat lange entwickelt bevor er „on air“ ging und er hat überzeugt. Seine Hörer hören freiwillig , so wie die Lobrecht Fans zum Lachen nicht gezwungen werden und tatsächlich gern saftige Eintrittspreise zahlen ihn zu sehen und zu hören. Ist er dadurch „ein üblicher Verdächtiger“ wenn´s mal wieder einen Comedy-Preis gibt?

Und da sind wir beim Thema: Podcast ist in und die Folge ist ein Boom der nach aktuellen Zahlen fast 15.000 deutschsprachige Podcasts zählt, allein 2000 gelistet bei Spotify. Jeder, der sich ein Mikro leisten kann tackert sich ein paar Eierkisten an die Wand der Besenkammer und wird Podcaster. Jede kleine Agentur empfiehlt ihren Kunden „Du brauchst einen eigenen Podcast und wir haben da noch diesen netten Volontär, der hat eigentlich eine ganz schöne Stimme!“ Das ist es, was unser Berufsbild als Journalisten, als Redakteure oder Moderatoren entwertet und das ist das was auch mir nicht gefällt. Ja, der Markt wird´s schon richten aber leider werden auch Kanäle für die verstopft, die es verdient hätten, auch gehört zu werden. Sie gehen unter im Meer gutgemeinter Angebote.

Ich empfehle jedem meiner Kunden erstmal sein Zielgruppe und seinen Erfolg zu definieren. Für einen Firmenpodcast sind 100 oder 1.000 oder 5.000 vielleicht schon ein Erfolg? Kann sein! Wie valide sind die Zahlen aber, wie lange bleiben die Hörer dran? Sind es die Richtigen? Reichen vielleicht schon der eigene Mitarbeiterkreis, Verwandte und Bekannte, um solche „Reichweiten“ zu erzielen? Bei externen wie internen Unternehmens-Podcasts (die für viele Unternehmen Sinn machen) sind solche Werte vielleicht sogar okay aber die Frage nach Qualität und Wirkung bleibt so wie die Frage nach der Verweildauer. Was nutzt es, wenn ein Unternehmens-Podcast am Ende nur meine eigenen Leute, Freunde und Bekannte hören? Junge Menschen, die das Ganze hobbymäßig betreiben, so wie ich als Teenager mit meinem kleinen Cassettenrekorder Radio gespielt habe, möchte ich sogar ausdrücklich motivieren: Ran! Wir brauchen Nachwuchs! Nur wenn´s dann professionell werden soll, so braucht´s vielleicht ein bisschen mehr. Und dann sind wir wieder dran mit kompetenter Ausbildung zum Thema „Hören“.

Ich beklage (und das auch hier nicht zum ersten Mal) die Entwertung unserer Berufe als Redakteur, als Moderator, als Reporter weil sich jeder zum Audio-Reporter, zum Medien-Influencer oder zum „Digital-Profi“ erklären kann, wenn er drei Sätze geradeaus sprechen kann. Und ich rate Agenturen: macht es richtig, sprecht mit Profis und bildet aus!

Kein Mensch würde sagen “Ich war neulich mal im Krankenhaus und habe einen Freund besucht. Ich kauf mir jetzt mal ein Operationsbesteck. Es kann ja nicht so schwer sein einen Blinddarm rauszunehmen“. Okay, wir alle operieren nicht am offenen Herzen aber sollten dann doch selbstbewußt genug sein, uns zu wehren, wenn´s denn heißt, dass es ja jeder kann! Und immer wieder schaffen es auch „Amateure“ in die Charts mit Mut und dem richtigen Nerv für das richtige Thema. Ein Beispiel: „Persönliche Krisen meistern“, ein Lebenshilfe-Podcast, miserabel gesprochen, einfachst produziert aber der Macher, Olaf Schild, hat das Gespür für´s Thema, trifft einen Nerv und findet sich seit Monaten in den Charts!

Großes Kompliment an RTL (AudioNow) oder Regiocast (The Farm), Gabor Steingarts „Media Pioneer“ oder der Antenne Bayern, die beim Radiopreis, die Kategorie Podcast (verdient) gewonnen hat. Hier bekommen junge Talente, fachkundig angeleitet, ein Spiel- und Lernfeld und die Chance sich auszuprobieren! Toll auch, daß sich viele öffentlich-rechtliche Anbieter ohne Illusionen über Entwicklungszyklen, Verbreitung und Vermarktung kompetent und kreativ mit den neuen Möglichkeiten auseinandersetzen und für junge Kreative Türen öffnen. Sie haben auch die Möglichkeiten, ihre Angebote einem breiten Publikum bekanntzumachen und zu bewerben.

Und siehe da, das Publikum ist offensichtlich da und noch schöner, es wird wieder zugehört, den auch der klassische Hörfunk als gemeinschaftstiftendes Medium in einer Gesellschaft, die immer mehr auseinanderdriftet, hat in diesem „Konzert“ seinen unverzichtbaren Platz. Der Erfolg von Podcasting ist gut für unser wichtigstes Sinnesorgan, das Ohr, und er befruchtet auch den klassischen Hörfunk, was die verstanden haben, die von da kommen und den Deutschen Podcast-Preis mit erfunden haben. Also freuen wir uns doch einfach mal mit den am Ende Schuldigen auch wenn´s dann teilweise „die üblichen Verdächtigen“ sein sollten.


Über den Autor

Viktor Worms (Bild: WMP)
Viktor Worms (Bild: WMP)

Viktor Worms ist Juror beim Deutschen Radiopreises und Podcastpreis 2020 sowie Coach für Moderation in Medien und Wirtschaft.