Thomas Koschwitz: Ich durfte tatsächlich von den Besten lernen

In der Serie „Radiolegenden“ kommt heute ein Moderator zu Wort, der durch sein vielfältiges Engagement beim Funk und später Fernsehen einen hohen bundesweite Bekanntheitsgrad erreicht hat. Thomas Koschwitz war 1975 gerade 19 Jahre alt, als er als jüngster Nachrichtensprecher, der je beim Hessischen Rundfunk gearbeitet hat, seinen Dienst antrat. Dass er damit den ersten Grundstein als Radiomoderator legte, hat er auch seinem damaligen Deutschlehrer zu verdanken, der Koschwitz während des Abiturs für den Sprechertest beim hr freistellte. Bereits ein Jahr später gestaltet Thomas Koschwitz seine erste eigene Radio-Show “Pop auf Wunsch“ auf hr3. Eine Sendung war dem umtriebigen Jungmoderatoren aber noch lange nicht genug. Es kommen gleichzeitig noch “Drugstore 1422“ und diverse andere Formate beim Saarländischen Rundfunk dazu.

Thomas Koschwitz - Die ersten Versuche als Radiomoderator (Bild: Privatarchiv)
Thomas Koschwitz – Die ersten Versuche als Radiomoderator (Bild: Privatarchiv)

Doch auch den klassischen Ausbildungsweg verlor Thomas Koschwitz nie aus den Augen. In den Jahren 1975 bis 1980 studiert er Germanistik, Politologie, Soziologie und Sprechwissenschaften aber eher nebenher, denn die Arbeit im Radio war und ist sein Leben. 

Bereits Anfang der 1980er-Jahre zählt Koschwitz laut Forsa-Umfrage und ma-Untersuchungen zu den beliebtesten Moderatoren im Sendegebiet Hessen. Breite Sympathien werden ihm nicht nur im Hörfunk zuteil, sondern auch im Fernsehen. 

1994 tritt er die Nachfolge von Thomas Gottschalk in dessen erfolgreicher “Late Night Show“ auf RTL an. Rund 750 Stars aus aller Welt zählen zu Thomas Koschwitz´ Gästen. Angelehnt an amerikanische Vorbilder, bringt er mit einer Mischung aus Comedy und ernstem Talk ein neues Format auf die Bildschirme. 

Kommt zurück und moderiert bald bei hr1: Thomas Koschwitz (Bild: hr/telemedia/Laurence Chaperon)
Thomas Koschwitz (Bild: hr/telemedia/Laurence Chaperon)

Ab 2004 begann Koschwitz seinen Tätigkeitsschwerpunkt wieder auf den Hörfunk zu konzentrieren. Er moderierte bei den Radiosendern Berliner Rundfunk 91.4, harmony.fm und Klassik Radio die Sendung “Koschwitz zum Wochenende“. Große Beachtung fand kurz vor der Bundestagswahl 2005 der von Thomas Koschwitz moderierte „Radio-Gipfel“ mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und der damaligen Kanzlerkandidatin Angela Merkel, der in voller Länge von den 45 wichtigsten privaten Radiosendern fast zeitgleich ausgestrahlt wurde. Etwa 15 Millionen Zuhörer konnten dabei mitverfolgen, wie Koschwitz Kanzler und Herausforderin befragte.

Initiator Lutz Kuckuck, Radiozentrale, Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel und Moderator Thomas Koschwitz im Gespräch (v.l.n.r.). (obs/RADIOZENTRALE GmbH)
Initiator Lutz Kuckuck, Radiozentrale, Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel und Moderator Thomas Koschwitz im Gespräch (v.l.n.r.). (obs/RADIOZENTRALE GmbH)

Seit dem 13. August 2018 moderiert er live „Koschwitz am Morgen“ auf hr1. 


Im Gespräch mit RADIOSZENE berichtet Thomas Koschwitz über seine lange Karriere und seine besondere Beziehung zum Radio.

RADIOSZENE: Seit Mitte August moderieren Sie wieder beim ihrem Heimatsender, dem Hessischen Rundfunk, die Morningshow auf hr1. Wie schwer fällt Ihnen das regelmäßige frühe Aufstehen?

Thomas Koschwitz (Bild: Privatarchiv
Thomas Koschwitz (Bild: Privatarchiv

Thomas Koschwitz: Ehrlich gesagt fällt es mir leichter, als ich dachte. Aber das ist eine Frage, die viele Menschen umtreibt. Kollegen bekommen diesen bedauernden Blick, wenn ich sage, dass ich so gegen halb vier Uhr aufstehe. Ich freue mich tatsächlich jeden Morgen auf die „Bande“ bei hr1, mit der ich zusammen senden darf und ich bin glücklicherweise eine Lerche und keine Eule. Also gar nicht schwer.

RADIOSZENE: Aufgrund der früheren Verbundenheit hatten Sie sicher keine Probleme das Angebot des Senders zur Übernahme der Morgensendung anzunehmen …

Thomas Koschwitz: Ja und nein. Ja, ich kenne natürlich noch viele Menschen aus der Zeit als ich hier im hr zum ersten Mal senden durfte und das macht die Sache leicht und ist menschlich einfach wunderschön. Andererseits habe ich mich schon ein bisschen gefürchtet. Mir wäre es unangenehm, wenn wir jetzt alle nur nach hinten, in die Vergangenheit schauen würden. Nach dem Motto „weißt Du noch…?“. Das ist aber nicht der Fall. Es ist schön wieder zurück zu sein. Es hat sich wahnsinnig viel verändert. Leute, die gestern noch Praktikanten waren, sind heute Chefs. Die Technik hat sich sehr verändert. Insofern ist es nicht das Zurückkommen im herkömmlichen Sinne, sondern ein Wiedereinsteigen in einen Zug, der ohne mich eine ziemlich spannende Fahrstrecke zurückgelegt hat.

 

„Die Freiheiten sind tatsächlich unbegrenzt“

 

RADIOSZENE: Welche Freiheiten gibt Ihnen die Redaktion bei der Gestaltung der Inhalte? Wie gewichten Sie die Sendung – eher Information am Morgen oder Entertainment?

Thomas Koschwitz: Das hängt vom jeweiligen Tag ab. Wenn eine Themenlage vorhanden ist über die alle sprechen tun wir das auch. Und der hr verfügt schönerweise über ein ausgedehntes Netz an Korrespondenten und Reportern, sodass wir schnell die Themen in die Badezimmer, Autos, Wohnzimmer und Küchen holen können. Andererseits ist es mir sehr wichtig, dass unsere Hörer vergnügt in ihren Tag starten können. Die jeweiligen Arbeitsstellen und auch Aufgaben in der Familie sind doch zum Teil recht hart und intensiv, die politische Themenlage in der Welt ist durchaus nicht lustig, da wollen wir helfen den Tag vergnügter und beschwingter zu beginnen. Und die Freiheiten sind tatsächlich unbegrenzt.

RADIOSZENE: Wie sind Sie seinerzeit zum Radio gekommen?

Radio Caroline
Radio Caroline

Thomas Koschwitz: Das fing mit einer Spielerei an. Als Schüler bekam ich eine Zeitung, nein besser ein Infoblatt von sogenannten „DXern“ in die Hand in dem das Leben auf den Schiffen der Piratensender rund um Großbritannien beschrieben wurde. „DXer“ waren „Distance Listener“, also Leute, die sich einen Spaß daraus machten weit entfernte Programme über Kurz- und Mittelwelle zu hören. Mich faszinierte die Idee ein eigenes Studio zu haben und träumte von solch einem Schiff, wie es „Radio Nordsee International“ oder „Radio Caroline“ benutzten.

Ein Klassenkamerad war technisch sehr bewandert und baute aus zwei Mittelwellenradios einen Mittelwellensender, warf in dem Internat, in dem er wohnte einen langen Draht als Antenne über einen Baum im Garten und fertig war unser Piratensender. Wir „sendeten“ immer in der Nacht von Samstag auf Sonntag von Mitternacht bis morgens um 3.00 Uhr. Drei Discjockeys im Alter von 13 und 14 Jahren, ich war einer davon, lieferten auf Kassetten jeweils eine „Show“. Dietrich, so hieß mein Freund, legte die Kassetten ein und so liefen unsere Shows in die Nacht. Ob das wirklich jemand hörte weiß ich nicht. Der Internatsleitung blieb das natürlich nicht verborgen. Glücklicherweise war diese pädagogisch sehr weit vorne. Es gab kein direktes Verbot, sondern eine Ablenkung. Jeder der Piraten bekam von der Leitung eine Art Paten zur Seite gestellt – in meinem Fall ein in Marburg lebender HR Journalist, der mich tatsächlich eines Tages in den Hessischen Rundfunk mitnahm. Da war es um mich geschehen… Das Glück wollte es, dass ich dann mit 18 Jahren ein Casting als Nachrichtensprecher bestand, direkt nach dem Abi. Und ab da nahm alles seinen Lauf.

RADIOSZENE: Wer hat Sie in frühen Jahren im Radio besonders beeinflusst? Wer war Ihr Lehrmeister?

Thomas Koschwitz: Mehrere. Die ersten Drei, denen ich allein durchs Hören nacheiferte waren Hanns Verres, Manfred Sexauer und Frank Elstner. Hanns war der unglaubliche Typ, der die – damals hieß das noch so – „Schlagerbörse“ moderierte. Frankfurt die Stadt der Aktien eben und die Schlager, die man hoch notierte. Manfred Sexauer moderierte „Funk für Fans“, eine Sendung die meine Mutter und ich am Freitagabend tatsächlich so einschalteten, wie man heute eine Fernsehsendung geplant anschaut. Und Frank Elstner war als Moderator der „Vier Fröhlichen Wellen“ von Radio Luxemburg einfach eine Offenbarung. 

Frank Elstner im Radio Luxemburg-Studio (Bild: privat)
Frank Elstner im Radio Luxemburg-Studio (Bild: privat)

Später im Sender waren es zwei: Einmal Martin Hecht, der geduldig jeden Mittwoch meine erste Show „Pop auf Wunsch“ mit mir vorbereitete. Moderation für Moderation – und später Werner Reinke. Der mich überall hinschleppte zu Kollegen, in Tonstudios, der mich später seine Hitparade vertreten ließ und in gemeinsamen Sendungen immer dafür sorgte, dass ich eigentlich ernste Moderationen verlachte, weil er mir – kurz vor Öffnung des Mikros – noch einen Witz erzählte…

RADIOSZENE: Haben Sie, wie heute üblich, jemals ein Moderations-Coaching durchlaufen?

Thomas Koschwitz: Nein, sollte ich? pastedGraphic.png Wir haben uns gegenseitig gecoacht, mal hier ein Hinweis, da eine Bemerkung. Ich durfte tatsächlich von den Besten lernen und die wussten glücklicherweise auch immer, wann es angebracht war, etwas zu meiner Moderation zu sagen und wann es besser war die Klappe zu halten, weil sie merkten, dass ich eh mit meiner Leistung nicht zufrieden war.

RADIOSZENE: Ihre ersten Sendungen hatten ja eine große Nähe zur Musik. Wie viel Musikexperte steckt in Thomas Koschwitz?

Thomas Koschwitz: Ich liebe Pop und Rockmusik. Ich bin vorsichtig mit dem Wort „Experte“. Viel von dem, was ich über Musiker und Musik weiß, habe ich von den Künstlern selber erfahren dürfen. Beispielsweise wie Herbert Grönemeyer seine Songs findet und erfindet. Deswegen bin ich aber noch lange kein Experte für Grönemeyer Songs.

 

„Wir haben uns damals gegenseitig gecoacht“

 

RADIOSZENE: Im Radio haben Sie in den 1980er-Jahren „Kuschelrock“ salonfähig gemacht. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Thomas Koschwitz: Es gab bei hr3 eine Sendung, die so hieß. Meine Kollegen und ich hatten völlig unterschiedliche Wege diese Einstundensendung um 23.00 Uhr zu moderieren. Allen gemeinsam aber war, dass wir nur langsame, gefühlvolle Songs spielten. Nun wollte ich nicht „rumsülzen“ und am Mikro mögliche Situationen zu denen man langsame Musik brauchen könnte, durchdeklinieren, also fing ich an Geschichten zu erzählen, die ich mir ausdachte. Die Songs, die ich spielte bildeten mit ihren jeweiligen Texten das Bindeglied zu meiner Geschichte. Diese Art Sendung führte dazu, dass das Telefon nicht stillstand. Die Resonanz war gewaltig. Am nächsten Tag traf ich einen Plattenmanager, der einen Sampler von „Ronny’s Popshow“ bewerben wollte. Dem schlug ich im Nebensatz vor doch mal ein Album nur mit langsamen Songs zu verwenden. Der glaubte nicht an die Idee, startete aber trotzdem einen Versuch. Der Rest ist Geschichte.

Thomas Koschwitz zum Wochenende (Bild: ©Spreeradio)
Thomas Koschwitz zum Wochenende (Bild: ©Spreeradio)

RADIOSZENE: Neben der hr1-Show sind Sie auch beim Privatsender 105‘5 Spreeradio zu hören. Gibt es heute überhaupt noch Unterschiede in der Arbeitsweise zwischen öffentlich-rechtlichen und Privatsendern?

Thomas Koschwitz: Ja deutliche. Ein Privatsender muss alles dafür tun möglichst viele Hörer an sich zu binden. Das müssen die Öffis natürlich auch, aber der Wunsch und die Möglichkeit Menschen zu informieren steht doch deutlich im Vordergrund.

RADIOSZENE: Und früher? Lange Zeit untersagten ja ARD-Anstalten ein gleichzeitiges Engagement…

Thomas Koschwitz: Ja mag sein. Spätestens als Gottschalk und Jauch diese Regel freundlich durchbrachen gibt es dieses Problem nicht mehr.

RADIOSZENE: Hin und wieder wird bemängelt, es gäbe heute im Radio zu wenige Freiheiten für die Moderatoren. Ist das so?

Thomas Koschwitz: Ich glaube das ist ein Missverständnis und hat mit der Geschichte des Radios in Deutschland zu tun. Mit der Einrichtung von sogenannten Landesrundfunkanstalten in allen Bundesländern Ende der 1950er-Jahre entwickelte sich das Radio nach kulturellen Kriterien. Wichtig waren klassische Musik, Nachrichten, Hörspiele. Wir Unterhalter galten als „Verpackungskünstler“. Wir waren in einer „Unterhaltungsabteilung“ untergebracht und nicht besonders doll angesehen. Das änderte sich mit den Servicewellen für die Autofahrer. Die Unterhalter hatten viele Hörer – damals noch vor allem gemessen an den schriftlichen Reaktionen -, die Kulturschaffenden eher weniger.

Thomas Koschwitz (Bild: Privatarchiv)
Thomas Koschwitz (Bild: Privatarchiv)

Mit dem Aufkommen der Privatsender änderten sich schlagartig zwei Dinge: 1. Radio war weniger Kultur und deutlich mehr Unterhaltung 2. Plötzlich war die Quote wichtig. Die Werbetreibenden wollten wissen bei wem sie ihr Geld ließen und wollten messbare Ergebnisse. Die Quote machte plötzlich deutlich, dass man nicht nur Hörer begeistern, sondern auch verlieren konnte. Und plötzlich war da die Angst etwas falsch zu machen. Der Blickwinkel hatte sich verändert. Nicht mehr Kreativität um jeden Preis, sondern Sicherheit war das Motto. Verständlich, aber für viele – und hier liegt das Missverständnis – ein Grund, weniger mutige Ideen zu entwickeln. Im Grunde verläuft die Entwicklung ähnlich, wie die Entwicklung in unserem Land: Es ging uns noch nie so gut in Deutschland und trotzdem haben wir ständig Angst, dass uns was weggenommen werden könnte. Das ist bedauerlich, aber schwer aus den Köpfen zu bekommen.

 

„Ähnlich wie ein Buch erzeugt gut gemachtes Radio Kino im Kopf und der Regisseur ist jeder für sich selber“

 

RADIOSZENE: Was bedeutet Radio generell für Sie?

Thomas Koschwitz: Für mich bedeutet es die ganze Welt. Ähnlich wie ein Buch erzeugt gut gemachtes Radio Kino im Kopf und der Regisseur ist jeder für sich selber. Das erste was ein Mensch, noch im Mutterleib vernimmt ist eine Stimme. Wir hören erst und dann sehen wir. Unser Gehirn ist in der Lage aus dem Sound einer Stimme unendlich viele Informationen heraus zu filtern. Glaubwürdig. Freundlich. Erotisch. Kalt. Intelligent. usw. Es gibt kein Medium was uns Menschen so nah kommen kann, sowohl durch die Musik, als auch durch das Wort.

RADIOSZENE: Wie sehr hat sich das Radio aus Ihrer Sicht über die Jahre verändert?

Thomas Koschwitz: Es hat sich deutlich verändert. Die Gründe: Siehe oben. Aber es ist zu einfach – was leider häufig passiert – das Radio als bloßen Dudelfunk zu diffamieren, denn das Radio hat sich verändern müssen. Die Zeiten in denen Radiosendungen gezielt eingeschaltet wurden sind lange vorbei. Das ist nicht die Schuld der Macher sondern ein Ergebnis von vielen Faktoren: Andere Medien wie TV und Internet nehmen dem Radio Platz und Zeit.

RADIOSZENE: Ein nicht unwesentlicher Teil Ihrer Karriere hat sich auch beim Fernsehen abgespielt. Mit welchen Gefühlen blicken Sie heute auf diese Zeit zurück? Höhepunkte waren sicher die „RTL Nachtshow“ und die „Late Night Show“, weniger prickelnd die Tiersendung „Hamster TV“ …

Thomas Koschwitz: Hahaha, ja Sie haben völlig recht. Dem Fernsehen verdanke ich sehr viel. Großartige Momente. Menschen, die ich sonst nie kennen gelernt hätte standen und stehen nun in großer Zahl vor mir und ich darf deren Leben begleiten. Heute muss ich schmunzeln über die Naivität, mit der ich mich voller Euphorie in dieses Medium gestürzt habe und merken musste, dass es hier zum Teil deutlich rauer zugeht, als in der im Verhältnis dazu sehr in Watte gepackten Radiowelt. Dennoch eine sehr wichtige Zeit für mich, die ich nicht missen möchte.

Thomas Koschwitz (Bild: Privatarchiv)
Thomas Koschwitz (Bild: Privatarchiv)

RADIOSZENE: 2004 kehrten Sie wieder zum Hörfunk zurück. Eine richtige Entscheidung?

Thomas Koschwitz: Sogar die beste Entscheidung überhaupt, die ich meinem Manager Arne Beyer verdanke. Den hatte ich eigentlich angeheuert, damit er mir Fernsehjobs verschaffen sollte. Irgendwann sagte er zu mir: „Es ist interessant: Wenn Du vom Fernsehen erzählst ist es ganz nett. Redest Du aber übers Radio glänzen Deine Augen vor Freude. Wollen wir nicht lieber Radio machen?“.

RADIOSZENE: Hatten Sie nie das Verlangen einen Sender auf der Position eines Programmdirektors zu beeinflussen?

Thomas Koschwitz: Nein, nie. Ich bewundere Leute, die das gut machen. Die eine Balance hinbekommen zwischen den teilweise strengen Vorgaben ihrer Gesellschafter und den Freiheitsbedürfnissen der kreativen Mitarbeiter. Dass Hanns Verres damals so ein guter Chef für mich sein konnte lag einerseits daran, dass er selbst ein Radiostar war und gelassen sehen konnte, was seine Nachfolger am Mikro konnten oder auch nicht konnten und anderseits daran, dass das Quotenthema noch in weiter Ferne lag.

RADIOSZENE: Für ihre Sender haben Sie stets auch neue Formate entwickelt – wie beispielsweise „0138 – 6000“ auf hr3. Fehlen dem Radio heute solche innovative neue Formate, die aus dem magazinierten Allerlei herausstechen?

Thomas Koschwitz: Ja, aber ich bin bester Hoffnung, dass sowas wieder kommt. Und im Übrigen gibt es immer wieder solche Formate, manchmal brauchen sie ein wenig um auch entdeckt zu werden.

 

„Das Radio von heute ist gut, weil es ständig auf dem Weg ist sich neu zu erfinden“

 

RADIOSZENE: Was macht das Radio heute gut, was vermissen Sie, was würden Sie gerne ändern?

Thomas Koschwitz: Es gibt einen klugen Satz, den ich kürzlich las: Wenn das Wichtige – also zum Beispiel Bauchgefühl – nicht messbar ist, wird das Messbare wichtig. Ich beobachte mit großem Vergnügen, dass immer mehr Macher feststellen, dass das ausschließliche Messen von irgendwas, wie das Messen der Quote, das Messen der Sympathiewerte für Musik usw. zwar wichtige Instrumente sind, die man nicht missen will, aber eben nicht alles ist. So wie man lange geglaubt hat gute Ärzte zu generieren, indem man nur Leute mit sehr guten Abinoten zum Studium zulässt, um dann zu merken, dass neben dem IQ auch emotionale Intelligenz zu einem guten Arzt gehört – also vielleicht der 4er Kandidat im Abi der bessere Arzt wäre – genauso spüren die Macher im Radio immer deutlicher, dass zum Radiomachen mehr gehört als nur die Messung. Auf dem Gebiet ist Spotify nämlich schon jetzt unschlagbar. Aber mutige Emotionen können nur wir. Das heißt, das Radio von heute ist gut, weil es ständig auf dem Weg ist sich neu zu erfinden. Mal langsamer, mal schneller. Genau daran arbeite ich.