„Die Abendschiene ist das egoFM-Hauptabendprogramm“

egoFM-radio (Bild: egoFM)
egoFM-radio (Bild: egoFM)

Rückblende auf die Teilnahme an einem Workshop mit leitenden Marketingköpfen der Musikwirtschaft. Thema: „Promotion im Jahr 2018“. Natürlich standen die (wie man hörte) „völlig neuen Möglichkeiten der Streaming-Dienste“ im Vordergrund – und die Runde wurde nicht müde, die daraus resultierenden Alternativen für künftige Vermarktungsabläufe einzuplanen. Dann gegen Ende der Veranstaltung hin widmete man sich bei knapper werdender Zeit auch den „alten Medien“, die in den Strategien der Verantwortlichen „weiter ihren Stellenwert haben“. Stück für Stück wurden die bekannten Promo-Möglichkeiten wie Fernsehen, soziale Netzwerke, weitere Online-Dienste oder die Presse abgeklopft. Beim Thema „Radio“ dann die bekannten Argumente: natürlich wisse man die Wichtigkeit des Hörfunks zu schätzen, arbeite mit vielen Sendern eng zusammen. Es folgte ein Austausch über die bekannten Top-Stationen von denen noch immer nachhaltige Promotion-Impulse ausgingen – wie 1Live, SWR3, Fritz, radioeins usw. Die üblichen Verdächtigen eben. „Aber“, so schränkte der Marketingchef einer großen Company ein, setze sich die extreme Fokussierung vieler Programme auf tagesaktuelle Hits fort – namentlich bei den Privatsendern. Und, so hieß es: „der Aufbau echter Newcomer über den Hörfunk ist kaum mehr möglich.“ Deshalb verliere das Radio hier weiter an Stellenwert, „trotz seiner guten Nutzungswerte.“

Nun sind dies hinlänglich bekannte Argumentationslinien, die wir so aus dem Lager der Musikschaffenden bereits seit vielen Jahren immer wieder hören. Die man in Teilen sogar nachvollziehen kann. Was stört ist die pauschale Abwertung eines Privatfunkmarktes, in dem sich aber auch innovative Konzepte jenseits des Mainstream erfolgreich durchgesetzt haben. Wie etwa FluxFM, egoFM oder 917XFM. Und gerade deshalb gilt es seitens der Musikfirmen diese Biotope nachhaltiger denn je zu hegen und zu pflegen.

egoFM-Moderatoren Max und Sandra (Bild: ©egoFM)
egoFM-Moderatoren Max und Sandra (Bild: ©egoFM)

Seit dem 21. November 2008 sendet egoFM inzwischen über die UKW-Frequenzen in Augsburg, München, Nürnberg, Fürth, Erlangen, Regensburg, Würzburg und Stuttgart. Seit 30. August 2017 wird das Programm bayernweit sowie in Baden-Württemberg zusätzlich über DAB+ ausgestrahlt.

Kern des Programmkonzepts ist es, „Jugendlichen das Radio wieder näherzubringen. Dies geschieht durch eine enge Verknüpfung mit dem Internet, durch aktive Programmmitgestaltung Jugendlicher und mithilfe eines breiten Musikangebots. Dieses besteht aus Electronic Pop und diversen Black-Musik-Stilen wie zum Beispiel R&B, Hip-Hop, Rap, Reggae, Soul, Alternative Rock, Britpop, Independent Pop & Rock, Dance oder Club-Music.“ 

Ziel ist nach eigener Aussage eine Abgrenzung zum Formatradio und zum seichten „Dudelradio“. egoFM wendet sich junge Menschen zwischen 19 und 35 Jahren.

Im Gespräch mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich erläutert Senderchef Philipp von Martius sein Programmkonzept und zieht eine erste Bilanz nach Aufschaltung zur DAB+-Ausstrahlung.


RADIOSZENE: egoFM ist in diesem Jahr zehn Jahre auf Sendung. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie für das Programm?

Philipp von Martius: egoFM hat viele von seinen Zielen bislang erreicht, aber längst noch nicht alle. Im Hörermarkt liegen wir laut FAB (Funkanalyse Bayern) in den letzten Jahren stabil über 40.000 Hörern in der Durchschnittsstunde (einmal 41 K einmal 43 K) und in der Tagesreichweite bis zu 200.000 Hörern sowie die Streamingreichweite bei rund 700.000 Active Sessions. Das sind mit den vorhandenen Ressourcen und den an sich sehr kleinen UKW Frequenzen gute Reichweiten, aber hier wollen wir natürlich auch weiter zulegen.

Philipp von Martius (Bild: ©VBRA)
Philipp von Martius (Bild: ©VBRA)

Auch im Werbemarkt konnten wir jedes Jahr eine Steigerung jeweils auf das Vorjahr verzeichnen. Insofern geht es dort bergauf, auch wenn wir uns hier natürlich manchmal eine schnellere Entwicklung wünschen würden. Da wir allerdings einigen Werberestriktionen unterliegen, ist diese Entwicklungstempo nachvollziehbar. 

 

„Das Ziel von egoFM in der Musikausrichtung ist, bei den unendlich vielen Neuerscheinungen in der Musik ein verlässlicher Partner für die eigene Geschmacksorientierung zu sein“

 

RADIOSZENE: Laut eigener Aussage ist ein Kern des Konzepts „Jugendlichen das Radio wieder näherzubringen“. Ist dieses Vorhaben gelungen?

Philipp von Martius: Grundsätzlich schon, wobei wir das Radio nicht nur Jugendlichen wieder näher bringen wollen: Denn neben den Jugendlichen, die ohne emotionale Sozialisation für das Medium Radio gleich eine hohe Onlineaffinität aufweisen, sprechen wir auch die Zielgruppe der ‚Radio Dissidenten‘ an: Die sind schon ein bisschen älter, haben aber eine emotionale Sozialisierung fürs Radio in Ihrer persönlichen Entwicklungsgeschichte und sind von den gängigen Formatradios unterfordert und enttäuscht. Die häufigste Antwort, die wir von unseren Hörern zu Ihrer Nutzung bekommen lautet: „Wenn ich (überhaupt) noch Radio höre, dann egoFM!“ Ich denke das zeigt, dass wir die ‚richtige‘ Zielgruppe schon jetzt gut erreichen.

RADIOSZENE: Der Markt für junge Radios in Bayern dürfte einer der härtesten in ganz Deutschland sein: hier konkurrieren Sie mit dem BR-Jugendradio PULS sowie mit zahlreichen lokalen Angeboten wie ENERGY, Radio Fantasy, GongFM oder Gong Würzburg. Wer sind ihre härtesten Mitbewerber?

Philipp von Martius: Sie haben sicherlich Recht, dass der Markt für junge und junggebliebene Hörer in Bayern sehr umkämpft ist. Hier haben insbesondere die jungen Lokalradios ihre Stärke und auch ihre Hörerdomaine. Mit egoFM unterscheiden wir uns aber sehr grundsätzlich von den Programmangeboten der Kollegen. Dies gilt sowohl für das Musikprogramm, in dem wir ein den Hörern wirkliches Radio zum Musikentdecken bieten. Dies gilt aber auch für den Bereich Moderation und Wort, in dem wir etwa auf große Gewinnspiele verzichten und dafür Themen aus den Interessensgebieten unserer Zielgruppe aufgreifen.

RADIOSZENE: Mit welcher genauen Musikausrichtung positionieren Sie sich im Markt? Wie grenzen Sie sich von den direkten Mitbewerbern ab?

Philipp von Martius: Das Ziel von egoFM in der Musikausrichtung ist, bei den unendlich vielen Neuerscheinungen in der Musik ein verlässlicher Partner für die eigene Geschmacksorientierung zu sein. Kurzum: Viele unserer Hörer benutzen Shazam, um Titel, die sie bei uns entdecken, für ihre eigene Playlist bei Spotify und Co. zu verwenden. Das passiert im laufenden FM Programm wie bei unseren Streams, die noch tiefer in die einzelnen Genres reingehen. Beides zusammen, ‚radio & streams‘, machen in ihrer musikalischen Nützlichkeit die Marke egoFM aus. Hieraus resultiert auch unser Logo. 

egofm radio and streams 400

RADIOSZENE: Das Musikprofil Ihres Senders mit dem gewollten Verzicht auf tagesaktuelle Chart-Hits wünscht man sich eigentlich auch bei vielen öffentlich-rechtlichen Jugendradios. Wie groß ist das Hörerpotential für dieses Konzept innerhalb der Bevölkerung?

Philipp von Martius: Ihre Frage können wir nur annäherungsweise beantworten. Nimmt man die aktuellen Marktstudien, so kann man davon ausgehen, dass zumindest in den Ballungsräumen rund 7 Prozent der Bevölkerung für ein Angebot von egoFM ansprechbar sind, da auch das Freizeitangebot dort stark in die Richtung der Individualisierung tendiert. Deshalb haben wir uns auch schwerwiegend um Frequenzen in Ballungsräumen bzw. in Regionen mit einem hohen, universitär geprägten Bevölkerungsanteil beworben. Auf die Fläche betrachtet dürfte der Prozentsatz sicherlich geringer ausfallen. 

RADIOSZENE: Der Bayerische Rundfunk hat im vergangenen Jahr auf die geplante UKW-Verbreitung seines Jugendangebotes PULS in Bayern verzichtet. Wie sehr hat Sie dieser Schritt überrascht? Und: wie sehr erleichtert dieser Verzicht Ihre Arbeit?

Philipp von Martius: Für egoFM bedeutet dieser Verzicht des Bayerischen Rundfunks auf eine UKW Ausstrahlung von Puls eine erhebliche Erleichterung, aber dies gilt nicht nur für uns. Hätte der BR wie geplant zusätzlich zu Bayern 3 und Bayern 1 die gesamte UKW Frequenzkette von BR Klassik für PULS genutzt, so wäre die gesamte Architektonik des Hörfunkmarkts in Bayern massiv durcheinandergeraten. Deshalb haben auch alle privaten Anbieter zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine gemeinsame Klage betrieben, um diesem Verdrängungswettbewerb entgegenzutreten. Das nun der BR aus einer eigenen Entscheidung heraus auf diesen Weg verzichtet hat, darüber waren insofern alle privaten Anbieter erleichtert.

 

„Für egoFM bedeutet dieser Verzicht des Bayerischen Rundfunks auf eine UKW Ausstrahlung von PULS eine erhebliche Erleichterung“

 

RADIOSZENE: Musikredaktionelle Inhalte und eine gute Zahl an Berichten über Popkultur sind ein Markenkern im egoFM Programm. Sind diese Inhalte auch eine Art Abgrenzung gegenüber den Streaming-Diensten oder Webradios?

Philipp von Martius: Die Stärke von Radio ist es, seine Hörer emotional zu berühren. Dies gilt auch – bei aller Unterschiedlichkeit zu den Formatradios und Ihren Gewinnspielaktionen –  für egoFM. Insofern sind unsere programmlichen Inhalte wichtig, um einen positiven Grund bei den Hörern zu erzeugen, uns und nicht irgendwelche Playlists von Streamingangeboten einzuschalten. Dies immer wieder neu kreativ umzusetzen, das ist die tägliche Herausforderung für das egoFM-Team. Etwa mit egoFM Match haben wir z.B. in diesem Jahr ein Format gefunden, das dem aktuellen Empfinden unserer Hörer sehr entspricht.

RADIOSZENE: Seit Sendestart finden sich auf dem Programmplan eine gute Zahl anspruchsvoll gemachter Musikspecials. Wie wichtig sind diese Sendungen für den Gesamterfolg von egoFM?

Philipp von Martius: Etwas ironisch in Anlehnung ans Fernsehen nennen wir unsere Abendschiene das „egoFM-Hauptabendprogramm“. Natürlich haben wir wie alle Radiosender in der Nacht sehr viel weniger Hörer als am Tag – hier hat die Gattung Radio immer schon gegenüber TV und zunehmend auch gegenüber Streaming deutliche Nutzungsnachteile. Deshalb setzen wir dort auch auf profilierte Musikspezials mit entsprechender Fan Base Charakter. Natürlich funktionieren nicht alle gleichermaßen gut, so dass wir hier auch ab und zu Änderungen vornehmen. Zur Profilierung der Marke egoFM insbesondere gegenüber den Streamingdiensten helfen uns diese Musikspezials doch sehr. 

Produktionsstudio von egoFM (Bild: Hendrik Leuker)
Produktionsstudio von egoFM (Bild: Hendrik Leuker)

RADIOSZENE: Seit dem vergangenen Jahr wird das Programm auch landesweit digital in Bayern und Baden-Württemberg ausgestrahlt. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie nach bald einem Jahr in den landesweiten DAB+ Netzen?

Philipp von Martius: In Bayern sind wir erst zum vierten Quartal 2017 von den lokalen auf den landesweiten Multiplex gewechselt. Wir versprechen uns zunächst davon, dass der mobile Empfang – der bei den bislang kleineren UKW Frequenzen eher unterentwickelt ist –  von egoFM durch die landesweite DAB Ausstrahlung sukzessive wachsen kann. Aufgrund der Erfahrung anderer Anbieter gehen wir allerdings davon aus, dass sich dies erst in den Reichweitenstudien 2019 ff. schrittweise zeigen wird – insofern ist der jetzige Schritt in das landesweite DAB eine Investition in ein künftiges Nutzungswachstum von egoFM. In Baden-Württemberg haben wir ebenfalls eine (leider nicht ganz so starke) landesweite DAB Verbreitung, die allerdings nur von einer UKW Frequenz in Stuttgart unterstützt wird – insofern wird die Entwicklung hier langsamer sein. Grundsätzlich interessieren uns auch weitere DAB Verbreitungen insbesondere in Ballungsräumen, allerdings geht dies nur schrittweise, um uns nicht bei unseren Investitionen wirtschaftlich zu übernehmen. Deshalb werden wir zur Zeit außerhalb von Bayern und Baden-Württemberg erst allein in DAB Multiplex Leipzig verbreitet.

RADIOSZENE: Bieten Sie mit der Verbreitung in Baden-Württemberg dort auch neue Programminhalte? Sind weitere Ausstrahlungen außerhalb Bayerns geplant?

Philipp von Martius: In Baden- Württemberg haben wir einzelne kleinere Programmkooprationen, die sich über unserer UKW Frequenz in Stuttgart ergeben haben und zum Teil auch wiederum im Gesamtprogramm von egoFM laufen, wie etwa die „egoFM 0711 Radio Show“ von dem für Stuttgart besonders relevanten DJ Kollektiv „0711“ bestehend etwa aus Schowi (ehemals Massive Töne) und DJ Friction. Dies ist sicher langfristig noch ausbaufähig. Derzeit bewerben wir uns aktiv in Hessen, da wir vom Lebensgefühl her eine deutliche Ähnlichkeit zwischen den süddeutschen Bundesländern sehen. Darüber hinaus sehen wir in unseren Online Aktivitäten, dass wir auch ausgesprochen viele Nutzer in den großen Ballungsräumen Hamburg, Berlin, Köln und Frankfurt haben, so dass das Konzept von egoFM grundsätzlich auch bundesweit funktionieren kann. Mittelfristig ist es entscheidend, wie sich hier auch der Streamingmarkt entwickelt, so dass egoFM neben DAB und UKW auch eine Audio-Online Marke werden kann.