Interview: Was stört Sie im Radio, Herr Stockinger?

Von Matthias Morr

Matthias Morr: Was für Moderatoren sind heute gefragt?

Peter Stockinger (Bild: SWR)
Peter Stockinger (Bild: SWR)

Peter Stockinger: Die Sender wollen offenbar uniformierte Moderatoren. Wo auch immer Sie reinhören, finden Sie diese offensive Art von Freundlichkeit, die Ihnen da aus den Lautsprechern entgegen springt…

Matthias Morr: Und die Moderatoren sollen nicht polarisieren…

Peter Stockinger:Das sowieso nicht. Aber ich sehe auch die gegenläufige Entwicklung. In den USA zum Beispiel. Da sind Moderatoren mit Ecken und Kanten gefragt, wenn man Howard Stern sieht. Der ragt heraus aus dem Brei von gleich klingenden Leuten. Stellen Sie sich vor, ein Harald Schmidt würde in Deutschland im Radio moderieren. Das wäre so ähnlich. Der hätte auf jeden Fall viele Fans. Und wenn er nur in Mono senden würde – ganz egal. Aber so einer passt im Grunde nicht in die hier und heute herrschende Formatideologie.

Matthias Morr: Sind denn die Nachwuchsmoderatoren wirklich schlechter als früher?

Peter Stockinger: Ich will die ja gar nicht angreifen. Nur, was haben die denn zu verkaufen? Um Inhalte geht es ja nirgendwo. Die müssen fidel sein, die müssen Party machen. Diese aufgeschreckten Hühner, die da morgens schon anfangen zu gackern mit ihrer stereotypen Freundlichkeit. Da biegt sich mir ja manchmal alles. Ich fühle mich heute als Radiohörer missachtet. Die meistgestellte Frage im deutschen Radio – was ist die heute?

Matthias Morr: Keine Ahnung…

Peter Stockinger:„Wie ist denn die Stimmung bei euch?“. Und die meistgenannte Antwort ist dann darauf: „Jede Menge Party!“ Ich finde es so schade, wenn ich sehe, was für Themen auch für junge Leute interessant und spannend wären. Aber im Radio findet Deutschland nur als Partyland statt…

Matthias Morr: Aber es muss doch auch Nachwuchs geben, der anders ist…

Peter Stockinger: Ich glaube ja nicht, dass Deutschland nur noch aus Idioten besteht, obwohl es manchmal so klingt. Wenn ich heute manchmal ganz junge Moderatorinnen höre, fällt mir bei denen vor allem ihre Sprache auf: Die ist oft verblüffend altbacken, eine Conférencier-Sprache der 30er und 40er Jahre. Da fallen Sätze wie „Was macht denn dann dein Göttergatte?“. Wo haben die denn das Wort her? Das hat doch mit der Alltagssprache nichts zu tun. Aber wenn heutzutage im Radio nur eine Zuckerschnute gebraucht wird, dann melden sich auch nur noch Zuckerschnuten.

Matthias Morr: Ist das nur ein Problem der Pop-Programme?

Peter Stockinger: Bei den Kulturwellen machen sie genau das Gleiche. Auch dort moderieren Zuckerschnuten honigsüß mit dürftiger Sprache so genannte Feuilletons an. Die Programmmacher gehen in die Rezepte der 70er Jahre zurück und reden von Durchhörbarkeit.

Matthias Morr: Es soll also nichts im Programm vorkommen, was irgendwie stören könnte…

Peter Stockinger: Genau. Die Folge ist, dass die Leute irgendwann kein Radio mehr hören. Wenn ein Sender auf Durchhörbarkeit bei der Musik setzt, da hole ich mir doch meine Musik lieber auf den iPod. Das ist ja dann persönlicher zugeschnitten und „durchhörbarer“ als alles andere.


Quelle: „MediumMagazin“ (Ausgabe November 2006)

Matthias Morr ist freier Journalist und Moderator in Hamburg.
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