Ein Fazit von Stephan Hampe
„Ich fühle mich ein bisschen zurück versetzt in meine Studienzeit“, sagt Jochen Lukas von Brand Support auf dem Weg vom Frühstück zum ersten Panel am Freitagmorgen. „Begeisterung wie im ersten Semester und gleichzeitig wirklich professionelle Inhalte. Allerdings ist das Essen deutlich besser als damals in der Mensa!“
Zu dieser Zeit sind die ersten beiden Drittel der Radiodays Europe 2010 bereits gelaufen. Und die Organisatoren um Rolf Brandrud und Christian Kjeldsen sind sichtlich geschafft, aber glücklich. Der durchaus riskante Plan aus den skandinavischen Radiodays eine paneuropäische Veranstaltung zu machen ist offensichtlich gelungen: 400 Gäste aus 35 europäischen Ländern laufen größtenteils begeistert durch die Gänge des Konferenzzentrums in Kopenhagen.
Noch ist die Veranstaltung stark skandinavisch geprägt, etwa die Hälfte der Teilnehmer sind Norweger, Schweden, Dänen, Finnen. Ebenfalls gut vertreten: Deutschland, U.K., Frankreich, Benelux. Zahlenmäßig geringer, aber mit doppelt und dreifacher Begeisterung für das Medium Radio, treten Slowenen und Kroaten auf. Definitiv unterbesetzt ist lediglich der Mittelmeerraum – aber das kann ja im nächsten Jahr noch werden.
Hybrid Radio: Embrace the Net!
Zwei große Themenkomplexe dominierten die Radiodays Europe: „Hybrid Radio“, also die Kombinationsmöglichkeiten von FM und Web. Und: Kreativität in Programming und (Gattungs-) marketing.
Dass das Web nicht nur die „Extension“ von traditionell linearen Audioangeboten auf FM ist, sondern sich beide Plattformen hervorragend ergänzen, ist unter den Machern common sense. Wie sich diese Tatsache in Vermarktungsangeboten ausdrücken kann, wurde allerdings noch zu wenig diskutiert. Vielleicht ist das eine Konsequenz der Dominanz öffentlich-rechtlicher Anbieter insbesondere in Skandinavien. Für die ist die Refinanzierung zusätzlicher Inhalte und technischer Infrastruktur ja nicht so das Problem. Rolf Brandrud, selber „public broadcaster“ aus Oslo, stimmt dem durchaus zu. „Die wachsende Bedeutung von Internet-Audioangeboten heißt aber auch, dass Marktzutrittsbarrieren fallen und eröffnet privaten Anbietern mehr Möglichkeiten in den regulierten Märkten“, sagt er. So kann man es auch sehen. Aber auch das will erstmal refinanziert werden.
Creativity is King
Die beliebtesten Sessions drehen sich um Kreativität. Content per se ist eben nicht King, originell muss er schon sein. Laut den Veranstaltern waren sowohl das „Morningshow-Battle“ zwischen 104.6 RTL Berlin und BBC 1 London als auch Jens-Uwe Meyers „Ideenentwicklung“ die am besten besuchten Veranstaltungen. Zurecht, denn beide waren unterhaltsam und anregend zugleich.
Die wesentliche Message: Radio ist dann erfolgreich, wenn es wie ein „Audio-facebook“ funktioniert und wenn die Macher systematisch kreativ arbeiten. Morningteam und Hörer kommunizieren auf Augenhöhe, Hörer sind zentraler Teil des Programms. Die Moderatoren sind lediglich die, die am meisten „posten“ (on air und online) und dadurch Themen setzen. Worüber weiter geredet wird, bestimmt das Feedback. Das kommt klassischerweise aus dem Research. Und es wird nahezu in Echtzeit ergänzt durch Beobachtung und Auswertung der Reaktionen in facebook oder sendereigenen Communities. Allerdings: Das ist personalintensiv. Moderator Nik Goodman staunte zusammen mit dem Publikum nicht schlecht, als der 104.6 RTL- Morningshow-Producer Marc Haberland das rund 15 (!)-köpfige Showteam vorstellte. Kreativität bleibt eben Menschensache und kann nicht digitalitisiert werden.
Erkenntnis 1: Erfolgreiches Radio macht immer schon das, was das Web 2.0 uns jetzt angeblich voraus hat – Formate sind und bleiben Communities und eben nicht nur Musikmischungen. Heutzutage werden sie auch noch zeitunabhängig durch Social Media im Web ergänzt – wie großartig für uns Radiomacher!
Gattungsmarketing hoch drei
Auch die andere Seite der Radiomedaille ist vertreten – die Vermarktung. Die deutsche Radiozentrale, die englische RAB und die slowenische RAB werben für unser geniales Medium. Und jeder setzt andere Schwerpunkte: Während die Deutschen gerade wissenschaftlich nachgewiesen haben, dass gehörte Infos trotz „Nebenbei-Nutzung“ aufgenommen und sogar verarbeitet (!) werden („Per Autopilot in den Einkaufskorb“), setzt England auf klassische Werbewirkungsstudien. Die Slowenen dagegen wollen vor allem durch kreative Spots überzeugen, RAB-Chefin Lenja Popp glaubt vor allem an das Hörerlebnis, das die Werbetreibenden zum Radio bringt. Und für den Extra-Hype verteilt sie Unterwäsche mit Aufdruck „Radio is hot“. Das sorgt zumindest für Gesprächsstoff auf dem Kongress.
Erkenntnis 2: Ein bisschen mehr Enthusiasmus für das Medium und ein bisschen weniger „Sich- selbst-runterreden“ motiviert alle Beteiligten. Und: Radio is hot – mit und durch das Internet.
Nächstes Jahr im März sind wieder radiodayseurope. Wieder in Kopenhagen. Ab 2012 soll der Kongress dann durch Europa touren. Teilnehmen motiviert für unser großartiges Medium, also das vorletzte Märzwochenende schon mal vormerken!
Kontakt:
Stephan.Hampe@radico.de www.radico.de | www.coachamp.de
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