Im Ammonhof in Dresden befindet sich der Sitz der Broadcast Sachsen GmbH & Co. KG, kurz BCS. In jener Gesellschaft sind die meisten Lokalsender im Bundesland Sachsen organisiert. In diesem Zusammenhang war vormals der Begriff sächsische Stadtradiokette im Umlauf, die durch das Hinzukommen von Radio Erzgebirge jedoch nicht mehr verwendet wird.
Nach der Wende formierten sich vor allem in den sächsischen Metropolen und in der Lausitz Lokalsender. Am 09.05.1993 startete Radio Dresden, am 16.05.1993 Radio Leipzig, am 23.05.1993 Radio Chemnitz, am 30.05.93 Radio Lausitz in Görlitz (seit 2012 in Bautzen) sowie am 10.12.1994 Radio Zwickau. Als „Nachzüglerstation“ ging am 21.10.2005 Radio Erzgebirge in Annaberg-Buchholz auf Sendung.
Dem Hörerpublikum stand der Sinn nach Orientierung in den Jahren unmittelbar nach der Wende und nach unabhängigen Informationen aus dem lokalen Umfeld. Die BCS wird betrieben von der Neuen Welle Bayern, dem MTS Telefonbuchverlag Sachsen und dem Verlag für die Frau als Mitgesellschafter der Lokalradios. Neben den sächsischen Lokalradios betreibt die Gesellschaft noch das landesweite Programm Hitradio RTL Sachsen – mit einer dort hälftigen Beteiligung von RTL Radio Deutschland – und den Spartensender in den sächsischen Metropolen namens Apollo Radio (zusammen mit Radio PSR, R.SA und ENERGY Sachsen).
Lokale Nähe als Stärke
In dem Claim „Wir lieben….“, im Fall von Radio Dresden z.B. „Wir lieben Dresden“, wird genau ausgedrückt, was mit den jeweiligen Lokalsendern bezweckt wird: „Im Zeitalter des Internets gibt es eine Sehnsucht der Leute nach lokaler Nähe. Sie fragen sich: Was passiert vor meiner Haustüre? Bei uns erfahren die Hörer, ob die Welt bei ihnen zu Hause noch in Ordnung ist“, erklärt Rocco Reichel (45), Leiter der Unternehmenskommunikation der BCS Sachsen, den Claim.
Der gelernte Wirtschaftsingenieur (FH) fand über Radio PSR, Antenne Thüringen und Antenne Sachsen (dort war er stellvertretender Programmdirektor) zu den Lokalradios.
Der Subclaim zielt hingegen auf das Wasser ab, auf dem man auf dem Weg zur gewünschten Hörernähe fährt: „Die beste Musik“. Im Fall der sächsischen Lokalradios ist das Musik im AC (Adult Contemporary)-Format, worunter eingängige Pop-Musik mit Schwerpunkt auf Bestsellern der 80er und 90er Jahre sowie bis hin zu den heutigen Chartstürmern zu verstehen ist. Aber keine zu dancige Musik, keine Anhäufung ganz aktueller Titel und kein Hip-Hop oder sonstige Jugendkultur.
Dabei sind kaum Unterschiede in der Musikfarbe zwischen den Städteradios auszumachen; bei der zentralen Morgensendung „André und die Morgenmädels“ (4.53 Uhr-10 Uhr) existiert ohnehin eine einheitliche Playlist wie auch in den Nachtstunden (0.00-4.50 Uhr).
Ausnahme hiervon wäre die Übertragung von Radio Dresden aus der Diskothek Dance Club Blue am Dresdener Altmarkt in der Sendung „Freitagnacht-Die Partyzone von Radio Dresden“ (19.53 Uhr-0.00 Uhr), bei dem Robert Drechsler zunächst im Funkhaus zwei Stunden lang ausgewählte Tracks aus der Jugendzeit der meisten Hörer spielt, bevor live auf die Tanzfläche der angesagten Lokalität geschaltet wird. Die anderen Lokalsender übertragen diese Sendung nicht, dort kommt diese Sendung aus dem Sendestudio.
Das meist gehörte Programm ist selbstredend die Morningshow „André und die Morgenmädels“ aus Dresden, die von 4.53 Uhr bis 9.50 Uhr, grob also von 5 bis 10 Uhr, auf allen Lokalsendern läuft. Es handelt sich dabei um eine Infotainmentshow um Frontmann André Hardt und seine Komoderatorinnen Kristin Hardt und Veronika Lewandrowski.
Strukturiert wird die Sendung von Lokalnachrichten der einzelnen Lokalsender mit O-Tönen um x.50 und um x.25 Uhr, unter dem Einschluss von lokalem Wetter, Verkehr und Blitzern. Vorher läuft ein lokaler Werbeblock. Beliebt sind die Rubriken Schlau gemacht um halb acht mit Lehrerkind Kristin gegen 7.30 Uhr und der Wettertalk mit Better-Wetter-Man Micha Klein, der zweimal in einer Stunde zu hören ist. Michael Klein ist zudem Geschäftsführer der Donnerwetter.de GmbH aus Bonn, der per Telefon mit dem Morningshow-Team in Dresden verbunden ist.
Lokale Veranstaltungshinweise, was im und um den Ort herum los ist, dürfen natürlich nicht fehlen. Alles das wird gewürzt mit humoristischen Einlagen und AC- Musik der 80er bis heute für die werberelevante Zielgruppe der 25-49jährigen.
Die einzelnen Lokalsender senden 24 Stunden am Tag News, Wetter, Verkehr, Werbung sowie Programmelemente wie Trailer, Verpackung und Beiträge sind rund um die Uhr lokal.
Früher sprach man in der Branche von der sächsischen Stadtradiokette: „Der Begriff ist überholt. Die BCS hat inzwischen auch Radios in der Fläche wie Radio Erzgebirge. Seit Februar 2002 verfügen die Lokalradios zudem über eine einheitliche Geschäftsführung. Seither ist Tino Utassy (48), der vormalige Geschäftsführer von Radio Chemnitz und Radio Zwickau, der alleinige Geschäftsführer der Lokalradios.“, erläutert Reichel die stattgehabte Zentralisierung in der Organisation.
In Kontakt mit der Hörerschaft
Gibt es Unterschiede in den Hörgewohnheiten von Ost- und Westdeutschen? „Unsere Morgenshows gehen um 5 Uhr los. Das Programm muss früher starten, angepasst an die hiesigen Arbeitsgewohnheiten“, so Reichel.
Bereits zwischen 6.30 Uhr und 7.30 Uhr und nicht erst ab halb acht wie im Westen hören nämlich die meisten Hörer zu. Der Hörer ist bei den Lokalradios nicht das unbekannte Wesen. Einerseits bekommt er Informationen über das, was sich vor der Haustür ereignet. Andererseits ist es für einen Lokalsender auch leichter, sich die Vorstellungen der Hörerschaft zu erschließen. „Wir haben regelmäßig Live-Sendungen von regionalen Events wie Brückeneinweihungen und Straßenfeste im Programm, auch berichten wir von sportlichen Highlights; außerdem verfügen die Lokalsender über einen gut funktionierenden Hörerservice, der z.B. Fragen zu einem gespielten Musiktitel rasch beantworten kann“, merkt Reichel an. Zudem finden regelmäßig- wie branchenüblich- Hörerumfragen zum Programm und zur Musik statt.
Das UKW-Sendegebiet eines jeden Lokalsenders der BCS Sachsen beträgt dabei in etwa einen 25 km-Radius um den jeweiligen Ort herum. Wann kann das Radio seine besonderen Stärken ausspielen? Katastrophen wie die Flut – zuletzt im Frühsommer 2013 u.a. in Sachsen-haben auch ihre (wenigen) guten Seiten. Sie schweißen die Menschen zusammen. Das Medium Radio dient dabei als Vehikel: „Wir waren für viele Leute in dieser schwierigen Lage das Hauptinformationsmedium. So haben wir Fragen nach Sandsacksammelstellen beantwortet. Wir von den Lokalsendern bekamen auf diesem Wege ein Bild von dem, was die Leute interessiert und welche Probleme sie haben.“, hebt Reichel hervor.
Lokalfunk ist zudem schneller als die Zeitung und braucht kein Bild: „Wir können bei Ereignissen vor Ort die Finger in die Wunde legen, sind das schnellste Medium und an keinen Redaktionsschluss gebunden. Dabei bemühen wir uns um O-Töne unserer Informanten und Gesprächspartner und fangen Stimmungen vor Ort ein“, so Reichel.
Es geht dabei einerseits um das tägliche Brot wie Stadtratsbeschlüsse und Verkehrsumleitungen, aber auch um außergewöhnliche Ereignisse wie die Evakuierung von Bewohnern nach dem Fund einer Weltkriegsbombe Anfang September 2013 in Dresden.
Das Programm der Lokalsender der BCS Sachsen wird ständig weiterentwickelt. Beliebte Aktionen wie der Frauenmodellwettbewerb „So sexy ist…(Ort)“ und neue Ideen, z.B. dass fünf durchtrainierte Hörer Morgenmoderator André Hardt beim Marathonlauf begleiten können, und das Begriffe raten „Was bin ich?“ (mit Jackpot) gehören dazu.
Der Erfolg lässt sich in der Medienanalyse (MA) 2013/II ablesen: Die Lokalradios des Funkpaket Sachsen, die zusammen mit dem nicht zur BCS Sachsen zählenden Vogtlandradio (Plauen) den Kundentarif Sachsen-Hit-Kombi bilden, erreichen demnach 142.000 Hörer in der Durchschnittsstunde (MO-FR; 6-18 Uhr). Zu den ärgsten Konkurrenten zählen die landesweiten Programme Radio PSR , R.SA und MDR Sachsen. Die Konkurrenz zu Hitradio RTL ist indes unecht – der Sender kommt aus dem gleichen Haus…
Mein persönliches Fazit
Die Lokalradios der BCS Sachsen verstecken das Lokalgeschehen nicht im Programm als Alibi für einen Berieselungsteppich. Vielmehr strukturieren die Lokalnachrichten und der lokale Service das Programm. Die Hörer nehmen die Lokalradios als akustische Begleiter in ihrem Alltag wahr.
Einzelne Justierungen wären aus meiner Sicht angezeigt; so könnte der durchaus unterhaltsame Wettertalk in der Morgensendung einmal die Stunde statt halbstündlich gesendet werden; eine lokale Reportage, die ganz Sachsen interessiert und abwechselnd von den einzelnen Lokalradios erstellt werden könnte,, könnte stattdessen ins Programm aufgenommen werden. Hierbei könnte man auch-Stichwort: Synergieeffekt- mit Hitradio RTL aus dem gleichen Hause in beide Richtungen zusammenarbeiten.
Der Autor Hendrik Leuker ist Redakteur des RADIO KURIER. Sein Bericht erscheint dort in der Januar-Ausgabe (RADIO KURIER 01/14).
Adressen, Hauptfrequenzen und Links
BCS Broadcast Sachsen GmbH+ Co. KG
Ammonstr. 35
01067 Dresden
Tel: 0351/ 50 01 10
Fax: 0351/ 50 01 29
Email: mail@BCS-Sachsen.de
Internet: www.bcs-sachsen.de
Adressen der Lokalsender:
Radio Dresden
Ammonstr.35
01067 Dresden
Tel: 0351/ 500 110
Fax: 0351/ 500 119
www.radiodresden.de
Radio Leipzig
Friedrich-List-Platz 1
04103 Leipzig
Tel: 0341/ 978 86-0
Fax: 0341/ 978 86-61
www.radioleipzig.de
Radio Chemnitz
Carolastr. 4-6
09111 Chemnitz
Tel: 0371/ 27 38 -800
Fax: 0371/ 27 38-888
www.radiochemnitz.de
Radio Zwickau
Kornmarkt 8
08056 Zwickau
Tel: 0375 / 35 30 0-0
Fax: 0375 / 35 30 0-35
www.radiozwickau.de
Radio Lausitz
Wilthener Straße 32
02625 Bautzen
Tel: 03591/ 29 49 0-0
Fax: 03591/ 29 49 0-50
www.radiolausitz.de
Radio Erzgebirge
Adam-Riese-Str.16
09456 Annaberg-Buchholz
Tel: 03733/ 14 53 10
Fax: 03733/ 14 53 11
www.radioerzgebirge.de
Hauptfrequenzen:
- Radio Dresden: 103,5 MHz (Dresden- 2kW)
- Radio Leipzig: 91,3 MHz (Leipzig-Stadt-4kW)
- Radio Chemnitz: 102,1 MHz (Chemnitz-Stadt-3kW)
- Radio Lausitz: 107,6 MHz (Löbau-30kW)
- Radio Zwickau: 96,2 MHz (Zwickau-0,3 kW)
- Radio Erzgebirge: 107,2 MHz (Bärenstein-0,16kW)
Empfangsberichte werden gegen Rückporto von den einzelnen Lokalsendern mit Brief bestätigt.