2 Jahre detektor.fm: Podiumsdiskussion über die Zukunft des Radios
Robert Skuppin, Programmchef von Radio Eins glaubt nicht an DAB+ als Übertragungsstandard für Radio. Er sagte auf einer Podiumsdiskussion anlässlich des zweiten Geburtstages des deutschlandweiten Onlineradios detektor.fm: „Wir machen das natürlich auch mit, aber glauben auch nicht dran. Ich saß bei der IFA auf einem Podium und da saß auch einer der Vertreter von DAB+, der mich versuchte persönlich zu überzeugen, dass man da doch jetzt auch noch Bilder übertragen kann und da dachte ich, ist das nicht Fernsehen?“
Boris Lochthofen von der privaten Radiogruppe Regiocast sagte, er glaube nicht an die Technik DAB+. Für ihn ist DAB+ jedoch eine Brückentechnologie: „Ich glaube an Content und das war auch das große Problem, warum DAB im ersten Anlauf gescheitert ist, weil alle die Radio gemacht haben in Deutschland der Meinung waren, da muss ihnen sofort ein Geschäftsmodell spendiert werden. Das ist eine Denke, die heute nicht mehr zeitgemäß ist. Denn das ist eine „Closed-Shop-Denke“ von singulären Verbreitungswegen und damit wird man heute keinen Erfolg haben. Wir sehen das heute ganz anders, wir sehen die Chance bei DAB+ darin, dass es eine effiziente und sehr preisgünstige Technik ist, um Inhalte durch Mauern bei Leuten in die Geräte zu bringen und ubiquitär zu haben, was IP noch nicht kann. DAB+ ist im Moment eine interessante Brücken-Technologie.“ Lochthofen sieht vor allem neue Verbreitungsmöglichkeiten für Nischenprogramme: „Die große Chance von DAB+ ist es, nationales Radio abseits von Deutschlandradio, Deutschlandfunk, Klassikradio, die sich das auf UKW zusammengestückelt haben, nationales Radio zu machen. Wir sind das einzige europäische Land, in dem es keine privat finanzierten nationalen Kanäle auf UKW gibt. DAB ist dafür ein Instrument nicht mehr.“
Stefan Fischer, Medienredakteur der Süddeutschen Zeitung, erklärte zur UKW-Abschaltdebatte: „Radios sind irgendwie unzerstörbar. Und man kann tatsächlich niemanden erklären, warum die 300 Millionen funktionierenden Radiogeräte weggeschmissen werden sollen.“ Die Bloggerin und Internetexpertin Mercedes Bunz warnte vor zu hohen Erwartungen an die Digitalisierung: „Menschen sind viel sozialer als wir immer dachten. Die wollen gar nicht immer nur hören was sie wollen oder was ich gut finde, sondern die wollen auch wissen, was andere Leute da draußen gut finden. Deswegen will man doch von anderen gefundenes oder von anderen ausgesuchtest.“
Robert Skuppin sieht in einer digitalisierten Radiowelt eine Chance für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk: „Sollte das Internet überall verfügbar sein, werden die öffentlich-rechtlichen Sender eher stärker werden. Aufwändig produzierte Inhalte, live vorgetragen sind dann nämlich viel spannender als das, was man aus der Konserve bekommt.“ Boris Lochthofen merkte jedoch an, dass sich das digitale Radiogeschäft heute noch nicht lohne: „Digitale Geschäftsmodelle werden von UKW quersubventioniert. Online und DAB rentieren sich noch nicht. Da gibt es überhaupt noch keine Vermarktungs- oder Konvertierungsmodelle.“ Für Stefan Fischer von der Süddeutschen Zeitung ist jedoch klar, dass die fortschreitende Digitalisierung auch das Radio erfassen wird und dass sich dann die bisherige Senderstruktur verändert: „Ich glaube nicht, dass wenn man die Sender alle deutschlandweit empfangen könnte, dass es dann noch 55 ARD-Wellen gibt.“
Für den Programmchef von Radio Eins, Robert Skuppin, muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk Innovationen in den Markt bringen: „Es ist die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks das Medium Radio weiterzuentwickeln. Denn die privaten Anbieter, und das kann ich gut verstehen, müssen in erster Linie damit Geld verdienen.“ Bloggerin Bunz erwartet durch das Internet und die Digitalisierung neue Geschäftsmodelle neben den bisherigen beiden Anbietergruppen (private und öffentlich-rechtliche Sender): „Durch die Digitalisierung entwickeln sich auch ganz neue Geschäftsmodelle fernab von den bisherigen öffentlich-rechtlichen oder privaten Angeboten. Da sind die Inhalte die Glanzstücke um die der Rest der Geschäftsidee herumgruppiert wird. Das kann Impulse geben für die anderen, klassischen großen Radiostationen. Und es ermöglicht eine ganz andere Art von Arbeitsplatzbeschaffung.“
Boris Lochthofen verriet außerdem, dass Regiocast an einem deutschlandweiten Talkradio arbeite: „Wir wollen in Deutschland ein Talkradio machen. Das ist natürlich sehr teuer. Du musst dir einen Kopf machen darüber, wie erklärst du es deinem Gesellschafter, dass du Herrn Sarrazin und Herrn Friedmann für ein Schweinegeld einkaufen musst, damit die sich die Köppe heißreden und an dem Tag die Leute über Content fesseln.“
Die gesamte Podiumsdiskussion kann auf detektor.fm in voller Länge nachgehört werden.