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Senderportrait: Bayern 1 – Reichweite mit Oldies

BR Funkhaus big

Von Hendrik Leuker

ARD-HÖRFUNK

BAYERN 1- REICHWEITE MIT OLDIES

Der einstige Monopolist,  die  öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten, die  die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) zusammen bilden, muss  sich seit rund 25 Jahren im dualen System mit privaten Mitbewerbern behaupten.

Unser Mitarbeiter Hendrik Leuker untersucht ab diesem Beitrag in loser Folge an einigen Beispielen, wie sich die einzelnen ARD-Sender dieser Herausforderung in strategischer Hinsicht stellen.

Den Anfang macht der Bayerische Rundfunk (BR)  mit seinem akustischen  Aushängeschild Bayern 1.

Quote und öffentlich-rechtlicher Auftrag

Bayern 1 hat eine sehr wichtige Stellung im Gesamtgefüge des BR. Es ist das mit 2,95 Millionen täglichen Hörern (Mediaanalyse  2011/I)  reichweitenstärkste Programm des Bayerischen Rundfunks. Es ist dasjenige Programm mit dem höchsten Marktanteil in Bayern (27,2 %), wenn man die  Hördauer berücksichtigt. Nimmt man den Wert „Stunde mit Werbung“ als Maßstab ist Bayern 1 sogar das Erfolgreichste in ganz Deutschland.

Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr: Bei der im Jahre 1996 mit dem Amtsantritt  von Programmleiter Maximilian Berg (50) eingeleiteten  Programmreform wurde ein im Tagesprogramm durchhörbares und von 5-24 Uhr moderiertes populäres Radioprogramm geschaffen.

„Es ging damals vor allem darum, eine zeitgemäße Marke zu kreieren und ein einheitliches Klangbild mit einem klaren journalistischen Profil zu schaffen. Im Vergleich zu früher sind jetzt nicht mehr unterschiedliche Hauptabteilungen für einzelne Programmflächen zuständig; die Verantwortung für das Gesamtprogramm liegt inzwischen zur Gänze in den Händen der Programmleitung. Wir wollten und mussten einfach weg vom typischen Einschaltprogramm, wie es  seit den fünfziger Jahren üblich war, hin zu einem modernen Begleitmedium“, stellt Berg strukturelle Entwicklungen heraus.

Bayern 1-Programmleiter Maximilian Berg an seinem Schreibtisch (Bild: Hendrik Leuker)
Bayern 1-Programmleiter Maximilian Berg an seinem Schreibtisch (Bild: Hendrik Leuker)

Der BR verfügt neben Bayern 1 über vier weitere analog verbreitete Programme: Bayern 2 – das Kultur- und Informationsprogramm, die  Pop- und Rockwelle Bayern 3, BR-Klassik (vormals Bayern 4), welches als integrierte Marke aufgestellt auch das Symphonie- und Rundfunkorchester umfasst,  und B5 aktuell, der Informationskanal des BR. Außerdem noch die Digitalprogramme Bayern Plus, welches seit dem 11.01.2011 auch über Mittelwelle Schlager und Volksmusik sendet, Bayern 2 Plus und  B 5 Plus mit vertiefenden Angeboten und Vollreportagen von Sportereignissen oder Liveübertragungen von Parlamentsdebatten. Desweiteren strahlt der BR noch einen digitalen Verkehrskanal und schließlich on3, das multimediale Jugendprojekt des BR, aus.

Der öffentlich-rechtliche Auftrag besteht darin, dass der BR Programme ausstrahlen muss, die Information, Bildung und Unterhaltung umfassen. Dazu gehören auch Hörspiele,  Features, längere Reportagen und sogenannte Belangsendungen, wie die Übertragung von Gottesdiensten. Die Erfüllung dieses Auftrags rechtfertigt die Rundfunkgebühren für Radio- und Fernsehnutzung, die grundsätzlich jeder Rundfunkteilnehmer zu entrichten hat. Etwa  980 Millionen  Euro beträgt der Etat des Bayerischen Rundfunks, ganze 3 % machen dabei Einnahmen aus Werbung aus.  Somit ist die häufig geäußerte Vorstellung unmöglich richtig, dass Bayern 1 und 3 etwa die übrigen Programme des BR mitfinanzierten.

Andererseits muss auch eine öffentlich-rechtliche Anstalt nicht dauernd, aber nicht nur marginal bei einem populären Radioprogramm auf die Quote schauen und ein entsprechend attraktives Programm auf die Beine stellen. Es stellt sich somit  die Frage, ob öffentlich-rechtlicher Auftrag und  Quote konform gehen?

Dazu merkt Programmleiter Berg an:

„Der öffentlich-rechtliche Auftrag zeigt sich vor allem daran, dass der BR insgesamt sehr viel stärker inhaltsorientiert ist und Programme, Sendungen und Inhalte anbietet, unabhängig von einem möglichen Quotenerfolg. Dass wir  mit unseren Produkten – vor allem mit den massenattraktiven Programmen Bayern 1 und Bayern 3 – möglichst viele Menschen erreichen wollen, steht außer Frage. Dennoch unterscheiden wir uns deutlich von den privaten Mitbewerbern.  Denn: Quote  ist einfach nicht alles und  rechtfertigt nicht jedes Mittel. Wir machen also Dinge, die sich die privaten Mitbewerber nicht leisten können oder wollen, und wir machen Dinge nicht, die die  Privaten  machen, auch wenn wir wissen, dass das viele Hörer ansprechen würde.“, beschreibt Berg den Balanceakt zwischen Qualitätsanspruch und Quote.

Der Schlüssel zum erfolgreichen Ausbalancieren dieser Eckpfeiler öffentlich-rechtlichen Medienschaffens liegt in der verbesserten Ansprache der Hörer. Zu Monopolzeiten hatte der ARD- Hörfunk hier Aufholbedarf. In den letzten beiden Jahrzehnten fielen  deutliche Verbesserungen im Programm wohl nicht nur dem Verfasser auf.

„Ihr Eindruck ist richtig. Alle Programmverantwortlichen haben zusammen mit ihren Teams und unterstützt von der Geschäftsleitung in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Programmprofile zu schärfen und unsere Angebote besser als früher auf die Erwartungen unseres jeweiligen Publikums und deren veränderte Hörgewohnheiten auszurichten. Jetzt ist der Erfolg da und dieser ist auch wichtig. Schließlich ist Erfolg beim Publikum auch immer wichtig für die Gebührenakzeptanz.“, weiß Berg um die Notwendigkeit, Erfolge, die sich in Marktanteilen und Tagesreichweiten ausdrücken, vorweisen zu müssen.

Oldies  but Goldies

Der Claim des Programms lautet „Bayern 1 – Wir lieben Oldies!“. Das festgefügte Musikformat soll dem geneigten Hörer den entscheidenden Impuls zum Einschalten liefern.

„Der Claim zielt auch auf Wechsel- und Gelegenheitshörer. Wir haben in Bayern nach wie vor ein Imageproblem, weil viele Menschen Bayern 1 immer noch als langweiligen und verstaubten Sender mit Schlagern und volkstümlicher Musik sehen, obwohl das schon lange nicht mehr der Realität entspricht. Hierbei müssen wir ganz gezielt entgegensteuern und eine Imagekorrektur herbeiführen“, erklärt Berg.

Bayern 1- Moderatorin Ulla Müller im Studio (Bild: Hendrik Leuker)
Bayern 1- Moderatorin Ulla Müller im Studio (Bild: Hendrik Leuker)

Im Musikprogramm dominieren englischsprachige Titel der 60er bis 80er Jahre -mit Schwerpunkt bei den 70er Jahren sowie deutsche  Musik  vorwiegend der 80er Jahre ohne Ansatz zum Schlager. Der typische deutsche Schlager erreicht bei weitem nicht die Akzeptanzwerte englischsprachiger Oldies und fiel daher aus dem Programmangebot. Außerdem grenzt man sich zu rockigen Titeln auf Bayern3  ab. Von 19-20 Uhr kommt jeden Abend  echte Volksmusik, am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag mit regionaler Aufspaltung in Nord- und Südbayern, die auch im RDS- Signal erkennbar ist.

„Diese Musikfarbe ist sicher  nicht mehrheitsfähig, hat aber dennoch viele Freunde in Bayern und  wird deshalb sogar bei uns im Massenprogramm bedient, wenn auch nicht im Tagesprogramm. Das verstehen wir unter typisch öffentlich-rechtlich. Das wird man bei den Privaten so nicht finden.“, ist sicher Berg sicher.

Der Hörer – bekannt und umworben

Ohne eine Vorstellung von seiner Hörerschaft ist heute kaum ein Sender. So auch nicht Bayern 1, das mit einem massenattraktiven Programm auf die Hörerschaft  vorwiegend ab 50 zielt.

„Wir arbeiten sehr intensiv mit unserer Medienforschung zusammen, die uns regelmäßig und äußerst genau mit relevanten und notwendigen Daten für unsere Programmgestaltung versorgt. Vor allem qualitative Studien helfen uns sehr, die nötigen Stellschrauben richtig zu justieren. Was uns zusätzlich hilft, sind die vielen direkten und intensiven Kontakte mit unseren Hörern und auch deren Feedback bei den vielen Events und Außenauftritten in ganz Bayern. Das ist zwar nicht repräsentativ, regt uns als Macher aber zumindest schon immer zur Reflexion an.“, betont Berg, wie wichtig es ist, mit den Hörern Kontakt zu halten.

Neben der Musik ist regionale Information  ein weiterer bedeutender Einschaltimpuls für den Bayern 1-Hörer:

Bayern 1 ist der einzige landesweite Sender in Bayern , der sein Programm regelmäßig splittet und dadurch eigene Angebote für sechs unterschiedliche Regionen in Bayern ausstrahlen kann – für München, Oberbayern und Schwaben aus dem BR- Funkhaus in München; für Niederbayern und die Oberpfalz aus dem Studio Regensburg; für Mittel- und Oberfranken aus dem Studio Franken in Nürnberg und für Unterfranken aus dem Studio Würzburg.

Blick in die Redaktion von Bayern 1 (Bild: Hendrik Leuker)
Blick in die Redaktion von Bayern 1 (Bild: Hendrik Leuker)

Aus den Regionalstudios kommt die werktägliche Sendung „Mittags in…“ (Bayern 1: 12.05-13 Uhr)  sowie die Regionalnachrichten zur halben Stunde, werktags von 6.30 Uhr bis 17.30 Uhr sowie samstags um 7.30 Uhr und 8.30 Uhr. Themen, die überregional von Interesse sind, werden selbstverständlich in den unterschiedlichen Tagesflächen bayernweit ausgestrahlt.

„Das regionale Splitting  ist für Bayern 1  ein erheblicher Wettbewerbsvorteil, den wir auch gezielt nutzen. Zu den Regionalstudios kommen 20 Korrespondentenbüros in ganz Bayern sowie die flächendeckende Präsenz von Bayern 1-Events. Regionale Berichterstattung ist somit die wichtigste Säule im Programm von Bayern 1.“, weiß Berg um die Pfunde, mit denen er wuchern kann.

Auch spezielle  Programmaktionen und Gewinnspiele sollen für Hörerbindung sorgen. Dazu zählte auch das im Oktober 2010 gesuchte „Unser Lied für Bayern“.

„Es handelt sich dabei um seriöses Casting. Wir haben einen Song über Bayern texten und komponieren lassen und  haben dazu drei  Sängerinnen und zwei Sänger gesucht, die den Titel dann eingesungen haben. Aus über 1000 Bewerbern hat eine prominente Jury dann die 5 Gewinner ausgewählt. Wir haben Wert auf einen modernen Text und einen modernen Klang gelegt.  Mit dieser überraschenden Aktion, die am oberen Rand unseres Formates angesiedelt war, wollten wir auch neue  Zielgruppen ansprechen, die bis dato noch nicht mit der Marke Bayern 1 vertraut waren.“, erläutert Berg die Aktion, die in der bayerischen Presselandschaft viel beachtet wurde.

Ein jährlich wiederkehrendes Event ist die „Bayern 1-Sommerreise“:

„Dabei handelt es sich wohl um unsere  größte und wichtigste  Eventmarke: An vier Sonntagen im August präsentieren unsere Moderatoren auf zwei Bühnen gleichzeitig eine mehrstündige und aufwendig produzierte Show mit Musik und Unterhaltung für die ganze Familie. Das Besondere an der Sommerreise ist, dass Bayern 1 im Mittelpunkt steht, auch multimedial erlebbar über Hörinseln und Videos. Wir hängen uns also nicht an eine bestehende Veranstaltung an und verzichten ganz bewusst auf einen prominenten Headliner.“, stellt Berg  heraus.

Die beste Hörerbindung ist und bleibt die richtige  Musik.

„Wir präsentieren  wenige zum Programm passende Konzerte wie beim Bayern 1- Oldiefestival, haben Hautnahkonzerte vor 200 Hörern organisiert und Anfang 2011 zum wiederholten Male die „Bayern 1-Wohnzimmertour“ durchgeführt. Künstler, die zu Bayern 1 passen, wie Peter Cornelius, Rainhard Fendrich, Wolfgang Ambros und Werner Schmidbauer spielten im Wohnzimmer von Hörerinnen und Hörer, die dieses für sie bleibende Erlebnis gewinnen konnten“, fährt Berg fort.

Auch sorgte die sendereigene Wurlitzerbox aus dem Jahr 1964 für einiges Aufsehen in Bayern. Mit der Aktion „Die verrückte Jukebox“ stellte  Bayern 1 sein Musikformat in den Fokus und ließ sein Millionenpublikum raten, welche Oldies sich hinter den kurz eingespielten Sequenzen versteckten.

Zwischen Privatsendern und öffentlich-rechtlichen Sendern kommt es schon einmal zum Streit, wenn öffentlich-rechtliche Anstalten Gewinnspiele im Programm stark hervorheben.

„Gewinnspiele sind auch im öffentlich-rechtlichen Hörfunk selbstverständlich zulässig. Sie sind dazu da, um die bestehende Hörerschaft zu binden und Einschaltimpulse zu setzen – auch für Wechsel- und Gelegenheitshörer. Allerdings stehen Gewinnspiele nicht im Vordergrund der Programmgestaltung, so wie es bei kommerziellen Sendern oft der Fall ist. Auch ist bei uns die Mechanik, einen Preis zu erzielen, wichtiger als der Preis selbst. Für Bayern 1 ist ein Gewinnspiel dann ein guter Programmbestandteil, wenn es intelligent gemacht ist und vor allem auch die Hörer anspricht, und das ist die überwiegende  Mehrheit, die nicht direkt am Gewinnspiel teilnehmen. Wenn dann ein attraktiver Preis, gestiftet von einem Partner, hinzukommt, haben wir nichts dagegen. Seit einigen Jahren verbinden wir unsere Programmaktionen zudem verstärkt und sehr erfolgreich mit sozialen Aspekten, was wiederum die Marke Bayern 1 positiv in der Bevölkerung verankert.“, ist sich Berg der Bedeutung der Gewinnspiele in jeder Hinsicht bewusst.

Strukturelle Programmänderungen seien derzeit nicht im Gespräch, versichert Berg.

„Wir kümmern uns mehr um die  kleinen Stellschrauben. Allerdings bereiten wir  auch eine große Programmaktion vor. Eine wirkliche Innovation im bayerischen Hörermarkt mit On Air- und Off Air- Bindung, eine Roadshow mit dem Arbeitstitel „Bayerns beste Bayern“. Dieses neben der Arbeit an neuen Comedyformaten.“, lässt sich Berg schon ein wenig in die Karten schauen.

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Mein persönliches Fazit

Die Zeiten, in der  der öffentlich-rechtliche  Rundfunk es sich in  der Monopolistenrolle bequem gemacht hat sind ein für allemal vorbei.

Zunächst ließ man den aufstrebenden Privatfunk kommen. 1992, damit vier Jahre nach seiner Entstehung, wurde der landesweite Privatsender Antenne Bayern  sogar Marktführer vor dem BR.

Die 1996 eingeleitete  Programmreform von Bayern 1, aber auch die Weiterentwicklung der anderen Hörfunkprogramme, ist als Antwort auf diese Entwicklung zu sehen.

Der BR vollzog damit den überfälligen Schritt weg von den unzeitgemäßen Einschaltprogrammen der Fünfziger Jahre mit wechselnden Redaktionen und Programmverantwortlichkeiten hin zu einer stark verbesserten Ansprache der Hörer.

Kontakt

Bayerischer Rundfunk (BR) Bayern 1
80300 München
Hausanschrift:
Rundfunkplatz 1
80335 München.
Service- Tel: 0800/ 86 98 980 (gebührenfrei)
Fax: 089 / 5900-12 73

Email: brinfo@brnet.de
Internet: www.br-online.de/bayern 1

Alle Frequenzen unter:
www.br-online.de/technik
(Verbreiten und Empfangen)

oder  unter:
Tel: 01805/ 59 02 19 (14ct/min).
Email: techinfo@br-online.de

Empfangsberichte werden mit einer QSL- Karte von der Technischen Information des BR bestätigt.

 

Hendrik Leuker ist Redakteur des RADIO KURIER(Alle Fotos: ©Hendrik Leuker 07.02.2011)

 

 

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