Die Rache des Pharao

bitter lemmer klein

Neulich hörte ich an einem Nachmittag gegen halb vier auf B3 eine der dümmsten denkbaren Moderationen. Eine blond klingende Tussi meinte, sie sei ja schon ewig nicht mehr im Kino gewesen. Sie sagte dann den Titel irgendeines 90er-Jahren Blödfilms und meinte, das sei der letzte gewesen, den sie im Kino gesehen habe. Sie sei ja mehr für die leichten Dinge, was sie irgendwie witzig fand und drüber lachte. Weil der BR eine politisch korrekte öffentlich-rechtliche Anstalt ist, steht diese leichte Dame im Mittelpunkt der Sendung und wird von einem Hi-Hi-Hi-machenden Männchen unterstützt, das brav Hi-Hi-Hi machte, als die leichte Dame ihren schwerelosen Scherz riss. Dann kam der beste Wetterbericht Bayerns und dann ein sprachlicher Schnitzer, der darin bestand, den Verkehrsservice mit dem Attribut „aktuellster“ zu versehen. Da der Bayerische Rundfunk offenbar von bildungsfernen Schichten beherrscht wird, maße ich mir insoweit jetzt einen Bildungsauftrag an und kläre die blond klingende Moderatorin, Herrn Hi-Hi-Hi und die zahlreichen Chefetagen der beiden darüber auf, dass das Wort aktuell nicht Superlativ-tauglich ist. Ersatzweise, falls die Kollegen des B3 rhetorische Steigerungen des Superlativs benötigen und korrekte Sprache für snobistisch halten, hätte ich ein paar Vorschläge: Bestestenster Wetterbericht, aktuellstester Verkehrsreport, bestestestestestenste Musikste.

So etwas ist nicht nur völliger Mist, sondern Resultat einer komplett verunglückten Sicht aufs Publikum. Das wird von Medienleuten eh gern für blöd gehalten, nur, weil gelegentlich saublöde Anrufe im Sender anlanden. Viele Medienleute kapieren einfach nicht, dass das Einzelfälle sind und Statistik mehr aussagt, auch, wenn die abstrakt aussieht. So Zahlen auf Papier, die zu verstehen so manches Planerhirn zu überfordern scheint. Außer, es geht um Quote, und zwar eine möglichst unmittelbar. Die gibt es beim Radio bekanntlich nicht, aber beim Fernsehen, wo derselbe Geist durch die Flure weht und man sich bemüht, das Niveau notfalls mit Gewalt niederzuknüppeln, weil man glaubt, die Quote damit hochzukloppen.

Ich wäre darum gern dabeigewesen, als die Quoten des 10. Februar 2011 in den Chefetagen einliefen, vor allem die der ARD. Das „Tagesthemen Extra“ mit der Mubarak-Rede war mit 6,2 Millionen Zuschauern (fast das doppelte der Auflage der Bild-Zeitung) die meistgesehene Sendung des Tages. Dabei war sie nach der Beschreibung der meisten Kritiker grottenschlecht – mieser Übersetzer, stümperhafte Übergaben, unvorbereitete Korrespondenten, mittendrin aus der Rede weggeblendet. Trotzdem war die Quote höher als die des „Star Quiz“ drumherum, denn nach der massiven Kritik an der Verpenntheit beim Ausbruch der Arabischen Revolution fühlten sich die Chefs der ARD endlich in den Arsch getreten.

Jetzt wüsste ich zu gern, ob ihnen eigentlich bewusst ist, was der Quotenverlauf dieses Abends bedeutet. So blöd, wie manche Programmplaner glauben, sind die, die sie „Die Leute“ nennen, offenbar gar nicht. Die Vermutung (und mehr ist es nicht), Politik oder ernsthafter Diskurs funktioniere nicht, ist endlich einmal widerlegt. Jetzt kann man natürlich fragen, warum an Nullacht-Fünfzehn-Tagen die Zahlen anders aussehen, blond-blödes Hi-Hi-Hi also den Diskurs schlägt. Die Antwort ist gar nicht schwer: Weil diskursive Themen derart lieblos vor das Publikum gerotzt werden, dass Zuschauer oder Hörer sie mit derselben Lustlosigkeit empfangen, mit der die Macher sie produzieren. Auch dafür liefert der Hörfunk des BR ein schönes Beispiel, und zwar rund um die Uhr: Das sogenannte Informationsprogramm B5 aktuell. Immerhin: Man verzichtet auf ein aktuellst.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de