„Die ARD Audiothek ist eines der Big 5-Angebote“ 

Respekt, liebe ARD! Da hatte der – ansonsten nicht immer ultrafixe – Senderverbund mit der Einführung seines Audio-Portals Mitte der 2010er-Jahre eine ganz offensichtlich wirklich zündende Idee. Im Einklang mit dem Siegeszug der Streamingdienste sowie einer enorm wachsenden Nachfrage nach extern verfügbaren Audio-Inhalten und Podcasts starteten ARD und Deutschlandradio am 8. November 2017 anlässlich der Karlsruher Hörspieltage die ARD Audiothek.ARD AudiothekDer Dienst bündelt – von Hörspielen über Dokus, Sport bis hin zu Comedys – hochwertige Wortinhalte aus den öffentlich-rechtlichen Radios und macht sie unkompliziert und jederzeit auf Abruf zugänglich. Und dies mit offensichtlichem Erfolg – die Nutzungszahlen der ARD Audiothek sind (auch durch die Pandemie getrieben) über die Jahre sehr stark angestiegen!

Good News also in Zeiten, in denen die gesamte Hörfunkbranche angestrengt an Antworten auf Streamingdienste und verändertes Hörverhalten bastelt. Offenbar passt das öffentlich-rechtliche Angebot perfekt zum derzeitigen Mediennutzungstrend vieler Menschen hin zu gehaltvollen Audioinhalten und spannenden Podcasts.

Im Gespräch mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich berichtet Channel-Manager Thomas Müller über Entwicklungen rund um die ARD Audiothek.

Thomas Müller (Bild: ©SWR/Patricia Neligan)
Thomas Müller (Bild: ©SWR/Patricia Neligan)

RADIOSZENE: Gut vier Jahre nach der offiziellen Einführung wurde die App der ARD Audiothek gegen Ende letzten Jahres sichtbar umgestaltet. Welche Vorteile bringt dem Nutzer die neue Version 2.4?

Thomas Müller: Wir arbeiten fortlaufend an der App und dem Webangebot der ARD Audiothek. Im vergangenen Jahr haben wir zum einen unser Angebot in den Rubriken inhaltlich und optisch ausgebaut, um die große Bandbreite an Formaten und Themen besser darstellen zu können. Nutzer*innen bieten wir beispielsweise in „Hörspiel und Lesung“ jetzt die gesamte Bandbreite an Hörspielen inhaltlich sortiert, zum Beispiel nach Krimis und Science Fiction oder nach bekannten Figuren. Zudem gibt es jetzt mehr Vorschläge zu ausgewählten Inhalten, um noch schneller passende Stücke finden und hören zu können. Außerdem wurden alle Angebote einem optischen Facelift unterzogen für mehr Übersichtlichkeit und Nutzungsfreundlichkeit.

RADIOSZENE: Wie viele Einzelangebote umfasst derzeit das Portal?

Thomas Müller: Im vergangenen Jahr hatten wir über 160.000 Episoden im Angebot – und wir bauen gerade in verschiedenen Bereichen, darunter Aktualität oder auch Musikshows, unser Angebot aus. Unser Ziel ist es, die gesamte Bandbreite an Podcasts und besonderen Sendungen in der ARD Audiothek anbieten zu können.

 

„In den vergangenen Jahren hat sich die Nutzung der ARD Audiothek mehr als verdoppelt und wir wachsen derzeit deutlich schneller als der Markt“

 

RADIOSZENE: Nach welchen Rubriken ist die ARD Audiothek sortiert?

Thomas Müller: Wir haben das breite Portfolio der ARD in fast zwanzig Rubriken sortiert – von Sport über Comedy bis hin zu Angeboten für Kinder. Die meisten Inhalte gibt es aus den Bereichen Wissen, Gesellschaft sowie Politik & Hintergrund. Die meisten Abrufe gab es im vergangenen Jahr bei Hörspiel & Lesung, im Wissen und bei den Angeboten der ARD rund um Corona.

ARD Audiothek 2021 (Bild: ©SWR/Thorsten Hein)
ARD Audiothek 2021 (Bild: ©SWR/Thorsten Hein)

In der Regel sind die Inhalte für ein Jahr verfügbar – abhängig von der Verweildauer nach dem jeweiligen Telemedienkonzept der Sender und gegebenenfalls lizenzrechtlicher Begrenzungen.

RADIOSZENE: Nehmen Sie auch Nicht-ARD-Produktionen in Ihr Sortiment auf?

Thomas Müller: Aktuell gibt es nur Inhalte der ARD-Sender und deren Kooperationsangebote, beispielsweise funk. Neben den neun Landesrundfunkanstalten haben wir auch die Angebote des Deutschlandradios im Portfolio.

RADIOSZENE: Ein grundsätzliches Problem vieler Mediatheken ist eine wenig transparente Suche und Navigation. Wie barrierefrei finden die Nutzer ihr Angebot innerhalb der ARD Audiothek?

Thomas Müller: Jeder hat andere Anforderungen und Wege, um an Inhalte zu gelangen. Für die Audiothek haben wir uns für drei Zugänge entschieden: Über „Entdecken“ bieten wir einen schnellen Überblick über die Highlights und Neuveröffentlichungen sowie die Charts mit den Favoriten unserer User*innen. Unser Redaktionsteam kuratiert diese Seite und stellt in unseren Sammlungen immer wieder besondere Inhalte zu bestimmten Themen zusammen.

ARD Audiothek-Rubriken (Bild: © SWR)
ARD Audiothek-Rubriken (Bild: © SWR)

In den „Rubriken“ bieten wir thematisch sortiert ein breites Angebot an Themen und Inhalten, um besser stöbern und suchen zu können. Über „Sender“ kann man die Angebote der jeweiligen Programme finden, außerdem der Livestream zum linearen Radioangebot. Und natürlich bietet die Suche einen Zugang für all diejenigen, die konkrete Inhalte oder Themen finden wollen.

RADIOSZENE: Wie weit ist der Aufbau der Audiothek generell schon vorangeschritten? In den Archiven der Sender müssten doch noch unzählige weitere Schätze in Form historischer Aufnahmen lagern …

Thomas Müller: Die Audiothek ist kein klassisches Archiv und wir werden nicht zuletzt wegen der Regelungen um die Verweildauer niemals alle Inhalte verfügbar machen können. Aber wir versuchen natürlich auch Archivmaterial zugänglich zu machen, idealerweise in einer kuratierten Form, die den Hörer*innen den Zugang leicht macht. Ein besonders unterhaltsamer Zugang ist beispielsweise das Format „Kein Mucks“, bei dem Bastian Pastewka als Freund und Kenner von Hörspielen das Krimi-Archiv von Radio Bremen durchwühlt und seine Favoriten auswählt und präsentiert.

 

„Unser Ziel ist es, die gesamte Bandbreite an Podcasts und besonderen Sendungen in der ARD Audiothek anbieten zu können“

 

RADIOSZENE: Wie umfangreich ist das Kontingent an Podcats und Aufnahmen aus dem Musikbereich vertreten?

Thomas Müller: Den Musikbereich bauen wir gerade stark aus, weil wir festgestellt haben, dass es viele tolle Musiksendungen in der ARD gibt, die auf Grund ihres Sendegebiets nur einem Teil des interessierten Publikums bekannt sind. Hier wollen wir die Audiothek zu einem Ort machen, um nach Genres und Themen sortiert Musik auf eine besondere und neue Art zu entdecken. Aber neben klassischen Genre-Kategorien sind hier auch Musikjournalismus und Moods sehr gefragt – beispielsweise „Philipps Playlist“ von NDR Kultur, in der Philipp Schmid jede Woche seine Playlist zu ausgewählten Themen präsentiert und da die klassischen Genregrenzen mühelos überschreitet.

ARD Audiothek 2021 (Bild: ©SWR/Thorsten Hein)
ARD Audiothek 2021 (Bild: ©SWR/Thorsten Hein)

RADIOSZENE: Der Erfolg der Audiothek hängt maßgeblich sicher auch mit der Bewerbung bei den Hörern und in der Öffentlichkeit zusammen. Wie intensiv machen Sie hier auf die Angebote aufmerksam?

Thomas Müller: Die ARD Audiothek ist eines der Big 5-Angebote, das heißt, die Sender der ARD haben sich darauf verständigt, ihre Anstrengungen in gemeinsamen digitalen Angebote zu bündeln – dazu gehört nicht nur die Zulieferung, sondern auch die Kommunikation. Entsprechend wichtig ist es natürlich auch, dass die Sender ihre Angebote in der Audiothek auch in den Radioprogrammen und den digitalen Plattformen bewerben. Für die Nutzer*innen hilft es sicherlich, dass viele gern gehörte Angebote auch zeitversetzt und als Download verfügbar sind – um sie dann zu hören, wann es in den persönlichen Kalender passt.

RADIOSZENE: Bestätigen Sie den Eindruck, dass die ARD-Programme ihre crossmedialen Aktivitäten bei Audioinhalten zuletzt intensiviert haben? Gerade Podcasts werden auf vielen Kanälen beworben. Eine Form von Promotion, die Ihnen sicher zugutekommt …

Thomas Müller: Für die Macherinnen und Macher bedeuten die digitalen Audioangebote und Podcasts ein gewisses Umdenken: Ganz neue Hörerinnen und Hörer stoßen auf Inhalte ohne einen Bezug zur Radioheimat zu haben. Das bedeutet, das Publikum wird größer – allerdings ist es über die gelernten Kanäle nur bedingt erreichbar. Da hilft es sehr, wenn die ARD als Netzwerk Inhalte vorstellt und bewirbt – damit das passende Publikum auch über die Grenzen der Landesrundfunkanstalten davon erfährt.

RADIOSZENE: Gibt es Übersichten, welche Genres und Einzelangebote überdurchsnittlich intensiv genutzt werden?  Krimis und Hörspiele sollen hoch im Kurs stehen…

Thomas Müller: Tatsächlich sind die Krimis die Favoriten vieler Hörer*innen – vom ARD Radio Tatort, den wir in der Audiothek immer als Premiere haben, über die Krimi-Klassiker mit Bastian Pastewka bis hin zu den Friesland-Krimis mit Bjarne Mädel. Und die ARD steht natürlich für ein breites Portfolio an Hörspielen und Lesungen, das gerne genutzt wird. Aber auch Information zu aktuellen Ereignissen, besonders natürlich zu Corona, erreichen bei uns immer wieder Spitzenwerte.

ARD Audiothek (BIld: ©SWR)
ARD Audiothek (BIld: ©SWR)

Gerade im vergangenen Jahr haben wir aber auch gesehen, dass Reportagen und Doku-Serien immer beliebter werden – allen voran „Cui Bono“ über Ken Jebsen (NDR, rbb), aber auch die Geschichte zu Kim Dotcom in „Wild Wild Web“ (BR) oder zuletzt der Podcast „Christian Wulff – der Fall des Bundespräsidenten“ (SWR).

 

„Für die Macherinnen und Macher bedeuten die digitalen Audioangebote und Podcasts ein gewisses Umdenken: Ganz neue Hörerinnen und Hörer stoßen auf Inhalte ohne einen Bezug zur Radioheimat zu haben“

 

RADIOSZENE: Wie hat sich die Nutzungsintensität der ARD-Audiothek in den vergangenen Jahren entwickelt? Gibt es Alter- und Bevölkerungsgruppen, die Ihre Angebote besonders häufig abrufen?

Thomas Müller: In den vergangenen Jahren hat sich die Nutzung der ARD Audiothek mehr als verdoppelt und wir wachsen derzeit deutlich schneller als der Markt. Als öffentlich-rechtliches Angebot sind wir sehr datensparsam unterwegs, man braucht keinen Account, um unsere Inhalte nutzen zu können – das hat aber auch zur Folge, dass wir nur ein moderates Wissen über unser Nutzer*innen haben. Aus der Medienforschung wissen wir aber, dass wir gerade im adulten Bereich sehr stark sind – und aus der veränderten Nutzung lässt sich ablesen, dass wir gerade im Bereich der 30 bis 50jährigen stark gewachsen sind.

RADIOSZENE: Ist die Nutzung gehörter Inhalte aus der Audiothek bereits auch über die media analyse (ma) darstellbar?

Thomas Müller: Wir können natürlich nachvollziehen, welche Inhalte wann wie oft genutzt werden. Diese Daten werden allerdings zur Zeit nicht veröffentlicht.

RADIOSZENE: Ein Problem vieler Produzenten von Audioinhalten ist die nachvollziehbare Darstellung von Abruf und tatsächlichem Hören. Gibt es hier verlässliche Werte?

Thomas Müller: Hier muss man zwischen Streaming und Download unterscheiden. Streaming ist bei uns ganz klar dominierend und hier sehen wir schon genau, wie viele Menschen wie lange einen Inhalt nutzen. Ob sie den dann tatsächlich hören ist dann wieder eine andere Frage. Bei den Downloads haben wir natürlich keine Möglichkeit herauszufinden, ob die Episode zwar geladen aber nie geöffnet wurde.

Thomas Müller (Bild: ©SWR/Patricia Neligan)
Thomas Müller (Bild: ©SWR/Patricia Neligan)

RADIOSZENE: Der Erfolg des Dienstes wird sicher auch durch die zuletzt häufig zitierte „Neue Lust des Hörens“ befeuert. Wie nachhaltig ist in Deutschland der Trend zur Nutzung von Audioinhalten (jenseits des linearen Hörens) und zu Podcasts angekommen?

Thomas Müller: Neben einer sehr jungen Zielgruppe scheint digitales Audio mittlerweile auch im Mainstream angekommen zu sein – da hat der Erfolg der Mediatheken und Streamingdienste sicherlich den Weg geebnet, denn immer mehr Menschen wissen es zu schätzen, wenn sie neben der Nutzung von Radioprogrammen ihr individuelles Portfolio zusammen stellen und zeitunabhängig nutzen können. Mittlerweile nutzen laut des Online Audio Monitors 2021 fast 21 Millionen Menschen regelmässig Podcasts und Radiosendungen on demand und diese Zahl ist in den vergangenen Jahr stark gewachsen – dieser Trend spiegelt sich auch in den Abrufen der ARD Audiothek wider.

RADIOSZENE: Welche Bedeutung hat die ARD Audiothek grundsätzlich für die Zukunft des Radios – auch im Hinblick auf die stark wachsenden kommerziellen Streamingdienste?

Thomas Müller: Viele Inhalte der ARD sind auf unterschiedlichen Plattformen verfügbar – wir wollen natürlich die Nutzer*innen da erreichen, wo sie gerade unterwegs sind. Gleichzeitig sehen wir schon, dass der Audiobereich einer immer stärker werdenden Kommerzialisierung unterliegt und nicht zuletzt ist es deshalb wichtig, mit der eigenen Plattform ein Angebot ohne Zugangsbeschränkungen und Werbung anbieten zu können.