Eifeler Radiotage: „Radio Grenzenlos“ on air ab 9. November

Eifeler Radiotage bigDer 30. Jahrestag der Maueröffnung am 09.11.2019 erinnert an den Beginn des Zusammenwachsen Europas. Radiomacherinnen und Radiomacher wollen diesen Jahrestag mit einem eigenen Sonderprogramm feiern, das im Süden NRWs im klassischen UKW-Radio auf der Frequenz 95.5 MHz zu hören sein. Gesendet wird aus einem historischen Studio. Besucherinnen und Besucher sind herzlich eingeladen: Geschichte und Radio zum Anfassen.

Blick vom Funkturm mit Antenne ueber das Sendegebiet (Bild: ©Eifeler Radiotage)
Blick vom Funkturm mit Antenne ueber das Sendegebiet (Bild: ©Eifeler Radiotage)

Am 9. und 10. November gehen wieder die „Eifeler Radiotage“ auf Sendung. Radioenthusiasten aus ganz Deutschland wollen ein historisches, unterirdisches „Bunkerstudio“ in Kall-Urft wieder in Betrieb nehmen. Zu Zeiten des Eisernen Vorhangs sollte von hier im Ernstfall die Bevölkerung per Radio informiert werden. Glücklicherweise kam es nicht dazu – und das Studio im Stil der 1960er Jahre wurde nie genutzt.

Techniker Wolfgang Mueller am Tonbandgeraet (Bild: ©Eifeler Radiotage)
Techniker Wolfgang Mueller am Tonbandgeraet (Bild: ©Eifeler Radiotage)

Das Team der „Eifeler Radiotage“ erweckte das Studio bereits im Juli zu neuem Leben. Jetzt wird von hier aus am zweiten Novemberwochenende das vereinte Europa aus rundfunkhistorischer Sicht zelebriert.

Der Plan: Fast zwei Tage durchgehend Live-Radio unter dem Titel „Radio Grenzenlos“. Sogar spät nachts wird live aus dem Bunker gesendet – ein kleiner Radiomarathon zum Mauerfall-Jubiläum also. Dazu haben sich Radiomacher:innen aus ganz Deutschland zusammengefunden, die üblicherweise für namhafte private und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten vor und hinter dem Mikrofon arbeiten oder gearbeitet haben. Mit dabei sind etwa Birgit Lechtermann, Dagmar Fulle und Werner Reinke sowie die Hörfunksprecher Jürgen Kolb und Volker-Andreas Thieme. Gemeinsam wollen sie mit Musik sowie Interviews und Live-Berichten ein zweitägiges Event-Radioprogramm präsentieren, das an die Grenzöffnungen in Europa erinnern und einen Blick in die internationale Rundfunkgeschichte bieten soll.

Christian Milling an den Reglern Susan Zare am Mikrofon (Bild: ©Eifeler Radiotage)
Christian Milling an den Reglern Susan Zare am Mikrofon (Bild: ©Eifeler Radiotage)

„Bereits im Sommer haben wir zum ersten Mal aus dem Bunker-Studio gesendet“, so Christian Milling, der Initiator der „Eifeler Radiotage“. „Das Feedback war großartig – Radiofans aus ganz Europa wollten zuhören und vor Ort dabei sein, wie wir ein derart historisches Studio wieder in Betrieb nehmen, aus dem vorher noch nie gesendet wurde. Jetzt das ganze mit einem zeitgeschichtlichen Event zu verbinden, ist großartig. Und Radio wie früher zu machen, macht einfach Spaß! Mit Tonbandmaschinen, historischen Mikrofonen und ohne Computertechnik“.

Bespielen Schneiden Kleben - Vorbereitungsarbeiten (Bild: ©Eifeler Radiotage)
Bespielen Schneiden Kleben – Vorbereitungsarbeiten (Bild: ©Eifeler Radiotage)

Die „Dokumentationsstätte ehemaliger Ausweichsitz der Landesregierung NRW“ (Am Gillesbach, 53925 Kall), in der sich das Sendestudio befindet, bietet auch an diesem Wochenende Führungen an. Alle Hörer:innen sind herzlich eingeladen, den Radiomacher:innen über die Schulter zu schauen und die unterirdischen Räumlichkeiten zu besichtigen, aus denen die Landesregierung Nordrhein-Westfalens im Katastrophenfall die Geschicke des Landes steuern wollte. Detaillierte Informationen werden über www.eifeler-radiotage.de (inkl. Anmeldemöglichkeit für die Führungen und Radio-Livestream) bzw. die Facebookseite „Eifeler Radiotage“ verbreitet.

Zeitzeugen-Interviews bei „Radio Grenzenlos“: Ehemaliger Staatschef Weißrusslands im Gespräch

Der 30. Jahrestag der Maueröffnung am 09.11.2019 erinnert an den Beginn des Zusammenwachsen Europas. Radiomacherinnen und Radiomacher wollen diesen Jahrestag mit einem eigenen Sonderprogramm feiern, das sich dem Thema „Grenzen“ widmet, in den verschiedensten Aspekten und mit unterschiedlichen Blickwinkeln. Im Gespräch dabei auch Stanislaw Schuschkewitsch, von 1991 bis 1994 der erste Staatschef des unabhängigen Belarus (Weißrussland).

Am 8. Dezember 1991 unterzeichnete Stanislaw Schuschkewitsch gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Boris Jelzin und dem ukrainischen Staatschef Leonid Krawtschuk in der Belaweskaja Puschtscha den Vertrag über die Auflösung der Sowjetunion und die Überführung in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS).

Am 8. Dezember 1991 unterzeichneten Boris Jelzin (2. von rechts), Leonid Krawtschuk (links) und Stanislaw Schuschkewitsch (Mitte), den sogenannten Vertrag von Minsk bzw. die Vereinbarungen von Beloweschskaja Puschtscha. (Foto: RIA Novosti archive, image #52076 / Yuriy Ivanov / CC-BY-SA 3.0)
Am 8. Dezember 1991 unterzeichneten Boris Jelzin (2. von rechts), Leonid Krawtschuk (links) und Stanislaw Schuschkewitsch (Mitte), den sogenannten Vertrag von Minsk bzw. die Vereinbarungen von Beloweschskaja Puschtscha. (Foto: RIA Novosti archive, image #52076 / Yuriy Ivanov / CC-BY-SA 3.0)

Vor seiner Karriere als Politiker war er Wissenschaftler im Bereich der Physik. In den 1960er Jahren arbeitete er als Chefingenieur bei den Minsker Radiowerken. Im Gespräch mit Christian Milling für „Radio Grenzenlos“ erzählt der heute 84-jährige Doktor der Physik und Mathematik über einen Teil seiner 50 Erfindungen, teils aus Zeiten des Kalten Krieges:

„Ich habe einen Weg gefunden, wie man Abhörgeräte im Gepäck, in der Kleidung der Menschen finden konnte, die aus dem Westen kamen. Diese Abhörgeräte spähten die Funkstationen und Signalcodes aus. Und es gab die Aufgabe, diese Geräte zu entdecken. Und wir haben uns damit befasst, Gold im Gepäck auf kontaktlose Weise zu entdecken. Das ging so: Ein Gepäckstück wurde auf dem Transportband befördert und wir haben eine genaue Zahl angeben können, wie viel Gramm Gold darin enthalten ist – 100 Gramm oder ein Kilo. Das hat unser Gerät gemessen“.

Stanislaw Schuschkewitsch und Christian Milling (Foto: Christian Milling privat)
Stanislaw Schuschkewitsch und Christian Milling (Foto: Christian Milling privat)

Teil des Gesprächs sind weitere Geschichten aus dem bewegten Leben Schuschkewitschs. Im Minsker Radiowerk lernte Stanislaw Schuschkewitsch nach eigenen Angaben auch Lee Harvey Oswald, den mutmaßlichen Mörder von J. F. Kennedy kennen und gab ihm Russischunterricht.

„Ich hatte noch nie zuvor einen echten Amerikaner gesehen. Ich habe mich zuerst ein bisschen dagegen gesträubt. Und schließlich eingelenkt. Zusammen mit einem anderen Kollegen haben wir ein paar Stunden gegeben, damit Lee Harvey Oswald seine Russisch- Kenntnisse verbessern konnte. Mir war es verboten, ihm Fragen zu stellen, wer er ist, woher er stammt, warum das alles. Als im Radio dann später mehrere Male über das Attentat an Kennedy berichtet wurde und der Name Lee Harvey Oswald fiel, lief es mir kalt den Rücken runter. Mir wurde klar: das hat wirklich stattgefunden. Im engeren Kreis meiner Kollegen war die Lieblingsspitze in meine Richtung: ‚Du hast ja im Auftrag des KGB den Mörder des amerikanischen Präsidenten vorbereitet‘“.

In der einstündigen Sendung, die am 09. November zwischen 18 und 19 Uhr im Rahmen der „Eifeler Radiotage“ ausgestrahlt wird, berichtet Schuschkewitsch auch über sein Verhältnis zu Gorbatschow:

„Ich habe Gorbatschow vergöttert, und zwar für folgendes: Im Fernsehen wurde eine Pressekonferenz von ihm vor ausländischen Journalisten übertragen. Und er hat deren Fragen beantwortet, ohne auf irgendein Blatt zu schauen. Ohne vorbereiteten Text also. Er redete frei und offen. Und ich dachte in diesem Moment: Mein Gott, wie toll. Wir haben endlich einen Anführer, der selbst denkt. Ich saß dem Lehrstuhl für Kernphysik vor und habe sein Porträt in meinem Büro über meinem Arbeitstisch aufgehängt. Das war 1984. Diese Schwärmerei dauerte zwei Jahre. Im Mai 1986, als er eine Rede zu Tschernobyl gehalten hat, habe ich eingesehen, dass er genauso ein Kommunist ist, wie alle seine Vorgänger und Nachfolger.“

Radioapparat Minsk 61 aus den Minsker Radiowerken aus der Zeit, als Stanislaw Schuschkewitsch dort Chefingenieur war (Foto: Christian Milling privat)
Radioapparat Minsk 61 aus den Minsker Radiowerken aus der Zeit, als Stanislaw Schuschkewitsch dort Chefingenieur war (Foto: Christian Milling privat)

Eifeler Radiotage 2019

Von wann bis wann ist das Programm der „Eifeler Radiotage“ on air?

Sendestart von „Radio Grenzenlos“ ist am 09.11.2019 um 10:00 Uhr. Gesendet wird bis Sonntag, 10.11.2019, ca. 19:00 Uhr.

Wie kann das Radioprogramm gehört werden?

Im südlichen NRW mit einem normalen UKW-(Auto)-Radio auf der Frequenz 95,5 MHz. In weiten Teilen Europas kann man auch über Kurzwelle zuhören: 6030 kHz. Ferner wird das Programm als Livestream unter www.eifeler-radiotage.de angeboten.

Wer steht hinter den „Eifeler Radiotagen“?

Initiator ist Christian Milling, Sendetechniker und freier Journalist. Unterstützt wird das Projekt unter anderem durch die Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Funkwesens e.V. Alle Moderator:innen, Techniker und Redakteur:innen engagieren sich ehrenamtlich und kommen aus ganz Deutschland an diesem Wochenende nach Kall-Urft. Insgesamt gehören etwa 20 Personen zum Team. Das gesamte Programm ist werbefrei.

Was wird Besucherinnen und Besuchern vor Ort geboten?

Wer sich für den „Ausweichsitz“ der Landesregierung sowie das historische Studio interessiert, kann sich auf www.eifeler-radiotage.de für eine Führung anmelden. Dabei lernt man den Aufbau des Bunkersystems kennen und kann das Radiostudio besichtigen. Ferner wird ein Ü-Wagen an diesem Wochenende an verschiedenen Orten im Sendegebiet unterwegs sein.

Technische Randbemerkungen:

  • Die Musik und Beiträge werden komplett von analogem Tonband gespielt. Zur Anfertigung der Bänder für die knapp 30 Stunden Radioprogramm waren weit über 100 Stunden für Kopieren, Schneiden und Beschriften der Bänder notwendig. Rund 35 Kilometer Tonband wurden bespielt.
  • Der UKW-Sender, über den das Programm der Eifeler Radiotage abgestrahlt wird, ist Baujahr 1955 und stammt aus der Pionierzeit des UKW Hörfunks, der 1949 erstmals auf Sendung ging.

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